
Thüringens geschäftsführender Bildungsminister Helmut Holter (Linke) warnt vor einem Abbruch der Gespräche von Bund und Ländern zum Digitalpakt 2.0. «Das Aus der Ampel trifft die Bund-Länder-Gespräche über verschiedene Bildungsfragen am blanken Nerv», sagte der 71-Jährige. Es drohe ein Flurschaden bei wichtigen gemeinsamen Projekten wie dem Digitalpakt 2.0 und dem Startchancen-Programm, «wenn es zum Abbruch der Gespräche und zur endlosen Hängepartie beim Bundeshaushalt kommt», sagte Holter.
Nach dem Bruch der Ampel-Koalition in Berlin hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen. Mit einer Ausnahme erklärten alle anderen FDP-Minister ihren Rücktritt. Nur Bundesverkehrsminister Volker Wissing blieb und trat aus der FDP aus. Das Ressort der bisherigen Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) übernimmt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne).
«Wir brauchen den möglichst nahtlosen Anschluss beim Digitalpakt 2.0 und Planungssicherheit in den Bund-Länder-Beziehungen zur Bildung»
Stark-Watzinger hatte in den nun seit fast zwei Jahren währenden Verhandlungen keinerlei Kompromissbereitschaft gegenüber den Ländern erkennen lassen. Sie pochte immer wieder auf ihre einseitig erhobenen Forderungen, dass die Länder die Hälfte der Kosten tragen und ihre Lehrkräfte zu Fortbildungsmaßnahmen im Umfang von bundesweit 20.000 Stellen verpflichten sollen. Diese Forderungen waren weder Bestandteil des ersten Digitalpakts noch des Koalitionsvertrags der Ampel, den auch die FDP unterschrieben hatte.
Die behauptet wahrheitswidrig seit Kurzem auf ihrer Homepage (mit Blick darauf, dass der Bund im ersten Digitalpakt 90 Prozent der Kosten getragen hatte): «Dieses Modell ist aber verfassungsrechtlich nicht möglich.» Richtig ist: Für die Umsetzung des ersten Digitalpakts war 2018 eine Grundgesetzänderung nötig, damit der Bund in die Bildungshoheit der Länder eingreifen durfte. Seitdem heißt es in Artikel 104b, Absatz 2: «Der Bund kann den Ländern zur Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen sowie mit diesen verbundene besondere unmittelbare Kosten der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren.» Von einer Begrenzung der Finanzhilfen auf einen Zuschuss von 50 Prozent ist darin keine Rede.
Anders als beim Digitalpakt gibt es beim Startchancen-Programm eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern – hier kann es allerdings zu Verzögerungen kommen, wenn der Bund aufgrund eines fehlenden Haushalts die zugesagten Mittel nicht überweist.
«Durch digitale Planungen und Kommunikation, KI-generierte Lernmaterialien für die gezielte Förderung von Schülerinnen und Schülern und die Evaluation der individuellen Lernstände könnten Lehrkräfte entlastet werden»
Die Unsicherheit insbesondere bei Digitalpakt alarmiert mittlerweile auch die Bildungswirtschaft, die einigermaßen stabile Rahmbedingungen braucht, wenn sie verlässlich Schulen mit Unterstützungssystemen ausstatten soll. Auch Schulen und Schulträger benötigten jetzt Planungssicherheit für die kommenden Jahre, meint Theodor Niehaus, Präsident des Didacta Verbandes (der die Interessen der Bildungswirtschaft vertritt).
«Lehrkräftemangel und die zunehmend heterogene Schülerschaft stellen Lehrende vor große Herausforderungen, bei denen digitale Lösungen der Bildungswirtschaft aber unterstützen könnten. Durch digitale Planungen und Kommunikation, KI-generierte Lernmaterialien für die gezielte Förderung von Schülerinnen und Schülern und die Evaluation der individuellen Lernstände könnten Lehrkräfte entlastet werden», so Niehaus.
Er betont: «Schulen und Lehrkräfte in Deutschland dürfen bei der Umsetzung der Digitalisierung nicht allein gelassen werden und müssen professionelle Unterstützung erfahren. Wir fordern die Beteiligten auf, zu handeln, und den Digitalpakt 2.0 endlich umzusetzen.» Viel Hoffnung besteht darauf aber nicht: Mit dem Bruch der Ampelkoalition erscheine das Einhalten des Plans, 2025 den Digitalpakt 2.0 starten zu lassen, äußerst unwahrscheinlich, so der Didacta-Präsident. News4teachers / mit Material der dpa
Özdemir wird Bildungsminister – Bundeselternrat besorgt: Was wird aus dem Digitalpakt?
