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“Fragmentierte Aufmerksamkeitsmuster”: Warum es jungen Menschen (oft) schwerer fällt zu lernen als älteren

ERFURT. Das Problem kennen viele junge Menschen: Eigentlich muss man dringend für die Prüfung morgen lernen – wenn da nicht die Verlockung wäre, mal eben Tiktok zu checken. Wie steht es um das Lernen in Deutschland? Der repräsentative Lernreport gibt Auskunft.

Wie geht’s rein? Lernen ist ein mitunter anstrengendes Unterfangen (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Das Smartphone lenkt einer Umfrage zufolge vor allem viele junge Menschen vom Lernen ab. Rund zwei von drei Befragten im Alter von 16 bis 25 Jahren nannten in einer Erhebung der IU Internationale Hochschule das Smartphone als Störfaktor. Damit waren die Geräte der am häufigsten genannte Ablenkungsgrund in der sogenannten Generation Z.

Unter allen Befragten gab demnach nur jeder Dritte an, durchs Handy vom Lernen abgelenkt zu werden. Bei Menschen zwischen 26 und 40 Jahren galt zwar ebenfalls das Handy als größter Ablenkungsfaktor. Menschen über 40 hatten hingegen hauptsächlich mit Müdigkeit beim Lernen zu kämpfen.

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Laut dem Lernreport, den die private Hochschule mit Sitz in Erfurt erstmals veröffentlichte, schafft es etwa die Hälfte der Menschen in Deutschland nach eigener Einschätzung, ein bis zwei Stunden konzentriert zu lernen. Bei 17,2 Prozent ist es nur eine halbe Stunde, 14,2 Prozent gaben hingegen drei bis vier Stunden an.

Expertin: Snapchat und Tiktok fördern Unaufmerksamkeit

«Die Generation Z ist in dieser digitalen Umgebung aufgewachsen. Und die fördert letztlich fragmentierte Aufmerksamkeitsmuster», sagte die Sozialwissenschaftlerin Prof. Ulrike Lichtinger von der IU. Einer gerade veröffentlichten Studie des Digitalverbandes Bitkom zufolge verfügen drei Viertel aller Kinder im Alter von zehn bis zwölf Jahren in Deutschland bereits über ein eigenes Smartphone (News4teachers berichtete). Mittlerweile seien viele Menschen Multitasking gewohnt, meinte Lichtinger. Das bedeute, permanent in der Konzentration unterbrochen zu sein. «Und bei der jungen Generation ist das mit Apps wie Snapchat oder Tiktok nochmal extremer.»

Ältere Generationen seien es zudem eher gewohnt gewesen, sich an Lern-Settings anzupassen, um Erfolg zu haben. Das sei heute etwas anders. «Die Generation Z ist viel selbstbestimmter aufgewachsen. Die Lern-Settings sind dieser Autonomie und Selbstbestimmung aber nicht in dem Maße nachgekommen.» Helfen könne, sich vielleicht 20-minütige Lernphasen vorzunehmen und das Handy in der Zeit auszuschalten, sagt Lichtinger weiter. Wichtig sei, das Smartphone so von sich fernzuhalten, dass der Zugang aufwendig sei. «Das kann man mit Handykäfigen erreichen, oder auch, indem man das Smartphone einfach in ein anderes Zimmer legt.»

Offensichtlich leichter gesagt als getan – für Jüngere jedenfalls. Insbesondere jüngere Menschen haben oder hatten schon einmal das Gefühl, dass ihnen eine geeignete Methode zum Lernen fehlt oder fehlte. Das sagen fast 7 von 10 Befragten der Generation Z (bis 25 Jahre). Bei den Babyboomern (56 bis 65 Jahre) sind es nur knapp mehr als 4 von 10 Befragten.

«Menschen entwickeln im Laufe der Zeit ihre eigenen Lernstrategien. In den Ergebnissen ist zu sehen, dass gerade Ältere häufiger passende Methoden für sich entwickelt haben – sie sind beim Lernen erfahrener. Erstaunlich ist, dass gedruckte Materialien nach wie vor über alle Altersgruppen hinweg eine große Bedeutung einnehmen. Wie erwartet liegt die Nutzung digitaler Medien bei Jüngeren weitaus höher als bei Älteren», erklärt Kristina Schaaff, Professorin für Digitale Transformation mit Schwerpunkt KI an der IU Internationalen Hochschule.

«KI-Technologien und Lern-Apps sind aus dem Lernalltag nicht mehr wegzudenken»

48,0 Prozent der Befragten geben an: Lern-Apps und KI-Programme sind eine hilfreiche Unterstützung beim Lernen. 13,6 Prozent davon bezeichnen diese sogar als sehr hilfreich.
Demgegenüber stehen 27,0 Prozent, die Lern-Apps und KI-Programme als weniger bzw. gar nicht hilfreich bezeichnen. Weitere 25,0 Prozent können kein Urteil dazu abgeben. 54,5 Prozent der Menschen in Deutschland finden den Einsatz solcher KI-Tools in der Bildung sehr oder eher positiv – ob in Schulen, im Studium oder in einer Fort- und Weiterbildung.

Schaaff: «KI-Technologien und Lern-Apps sind aus dem Lernalltag nicht mehr wegzudenken. Viele Lern-Apps integrieren inzwischen KI-basierte Ansätze, die es den Lernenden ermöglichen, den Lernprozess in hohem Maße zu flexibilisieren und zu individualisieren. Es ist daher wichtig, diese Technologien kontinuierlich weiterzuentwickeln, damit sie dazu beitragen können, personalisiertes Lernen zu fördern und Lernressourcen zugänglicher und e€ektiver zu gestalten.»

«Im Idealfall und besonders nachhaltig lernen Menschen, wenn sie es wollen und nicht, wenn sie es müssen»

Was motiviert Menschen zum Lernen? Die am häufigsten genannte Motivation zum Lernen ist: Interesse und Neugier am Thema (47,3 Prozent). Jeweils rund ein Viertel nennen als Motivationsfaktoren: persönliches Wachstum, persönliche Ziele und Visionen sowie persönlicher Erfolg. Fast genauso häufig wird der Aspekt genannt, mit Lernen etwas Sinnvolles zu tun.

«Die Ergebnisse bestätigen: Neugier und Liebe zum Lernen sind mächtiger intrinsischer Antrieb des Menschen und echtes Interesse am Thema ist wesentlich für das Dranbleiben. Wissenschaftlich wird dies als GRIT bezeichnet und steht für die 2 P ‚passion and perseverance‘ – Leidenschaft für das Thema und Durchhaltevermögen im Lernprozess», sagt Professorin Lichtinger. «Die Lernkurve, also das Verhältnis von Komplexität des Lernstoffes und zeitlichem Aufwand, ist dabei von Mensch zu Mensch verschieden und wird durch Faktoren wie Motivation, kognitive Fähigkeiten, Lernmethoden und weitere beeinflusst. Im Idealfall und besonders nachhaltig lernen Menschen, wenn sie es wollen und nicht, wenn sie es müssen.» News4teachers / mit Material der dpa

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