Website-Icon News4teachers

AfD als didacta-Aussteller: GEW und VBE protestieren, Unternehmen appellieren („Rechtsextremen nicht das Feld überlassen!“)  

STUTTGART.  Die beiden größten Bildungsgewerkschaften Deutschlands, die GEW und der VBE, haben in einer gemeinsamen Stellungnahme gegenüber dem Didacta Verband ihr Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass die AfD als Hauptausteller auf der gleichnamigen Bildungsmesse vertreten sein wird. Unterdessen appellieren Verbandsvertreter, Bildungsunternehmer und Lehrkräfte (wie Bob Blume), Rechtsextremen nicht das Feld zu überlassen.

Die didacta ist ein Besuchermagnet – was offenbar die AfD nun für sich nutzen will. Foto: Landesmesse Stuttgart

„Mit Blick auf die jüngste Geschichte halten wir den Schritt, dieser Partei eine Plattform auf Europas führender Bildungsmesse zu bieten, für höchst unangemessen. Die Bundes-AfD sowie der AfD-Landesverband Baden-Württemberg gelten als rechtsextreme Verdachtsfälle. Eine Zusammenarbeit in jeglicher Form lehnen wir als Gewerkschaft und als Bildungsverband, die das Wohl der Gesellschaft im Blick haben und für eine zukunftsorientierte Bildungspolitik stehen, kategorisch ab.“

Mit diesem Schreiben haben die GEW – namentlich deren baden-württembergische Landesvorsitzende Monika Stein und die Bundesvorsitzende Maike Finnern – sowie der VBE (in Gestalt des Bundes- und Landesvorsitzenden Gerhard Brand) offiziell Beschwerde bei der didacta darüber eingelegt, dass die AfD auf der didacta als Hauptaussteller vertreten sein wird (News4teachers berichtete). Mit Blick auf das Leitthema der didacta – „Demokratiebildung“ – fragen VBE und GEW zudem, wie es sich damit verträgt, „einen Messestand zuzulassen, an dem Personen stehen könnten, die den Nationalsozialismus verharmlosen und demokratische Grundwerte infrage stellen“.

Anzeige

Nachdem die Antwort des Didacta Verbandes offene Fragen nach Ansicht der Gewerkschaften nicht ausreichend klären konnte, werde nun die Messe Stuttgart als Ausrichter angeschrieben. Der Verband hatte auf eine angebliche Verpflichtung verwiesen, „allen Ausstellenden eine Teilnahme zu ermöglichen, sofern deren Inhalte nicht gegen geltendes Recht verstoßen“. Gilt das dann zum Beispiel auch für Sekten? Oder Vertreter*innen obstruser Theorien – wie „Flatearther“?

„Wir möchten zeigen, dass die Bildungswirtschaft in Deutschland demokratisch denkt und die Werte der Demokratie – auch gegen die AfD – verteidigt“

Der Didacta Verband hat heute eine weitere Erklärung nachgeschoben. Er habe „als Vertretung von rund 240 Unternehmen und Organisationen der Bildungswirtschaft bewusst die Demokratiebildung als Leitthema der didacta 2025 in Stuttgart gesetzt. Der Umstand, dass sich in diesem Jahr erstmalig Parteien für unsere Messe als Aussteller angemeldet haben – dies lässt sich aufgrund der bestehenden Zulassungsbedingungen rechtlich nicht ausschließen –, macht die Notwendigkeit der Auseinandersetzung über Demokratiebildung umso deutlicher.“

Er betont: „Wir möchten zeigen, dass die Bildungswirtschaft in Deutschland demokratisch denkt und die Werte der Demokratie – auch gegen die AfD – verteidigt.“ Die Messe in diesem Sinne als Forum „für die vielen Verteidiger einer demokratischen und offenen Gesellschaft“ zu nutzen, ist nach Auffassung des Didacta Verbands „wesentlich sinnvoller, als sie wegen der Teilnahme weniger Gegner dieser Haltung zu boykottieren“.

Boykott der didacta? Tatsächlich wird auf Linkedin das Thema diskutiert, nachdem ein Aussteller angekündigt hatte, nicht zur Messe zu erscheinen, wenn die AfD nicht umgehend wieder ausgeladen würde. „Ich kann absolut nachvollziehen, dass die Teilnahme dieser Partei auf Unverständnis stößt und wütend macht. Mir geht es miserabel damit, und ich setze in jeder freien Sekunde alle Hebel in Bewegung, damit wir auf der didacta in Stuttgart gemeinsam Haltung zeigen können“, so schreibt Caro Aschmeier, Vorstandsmitglied des Didacta Verbands. „Wir können an der Tatsache nichts mehr ändern, die didacta in Stuttgart ist nun hochpolitisch. Aber sollten wir deswegen Angst haben, uns wegducken und besser zu Hause bleiben? Nein! Ich möchte laut sein, mich dagegenstellen und deutlich sagen, was ich von diesem abstrusen, menschenverachtenden Wahlprogramm halte: 🤮.“

„Ich habe das Wochenende damit verbracht, mich mit meinem Team und vielen Kolleg:innen auszutauschen. Die meisten sind entweder besorgt oder wütend“, so schreibt Nicolas Colsman, Geschäftsführer der gemeinnützigen „Zukunft Digitale Bildung gGmbH“. „Egal, ob man die Messe boykottiert oder hingeht – beides ist legitim. Aber: Auf der Didacta sind viele Menschen, die sich aktiv für Demokratie, Vielfalt und Chancengleichheit einsetzen. Genau dafür steht diese Messe und besonders ihre Gäste. Für Lernen, für Austausch, für Innovation. Die Didacta hat sich mit dieser Entscheidung selbst ein Ei gelegt. Aber eines ist sicher: Ich werde da sein. Viele großartige Kolleg:innen auch. Und wir werden nicht zulassen, dass eine rechtsextreme Partei die Bühne für sich allein hat.“

„Die Didacta ist keine Naziparty. Ein überwältigender Großteil der dort vorgestellten Projekte sind solche, die Demokratie, Vielfalt und Zusammenhalt fördern“

In die gleiche Kerbe schlägt der Lehrer, Bildungsinfluencer und Autor Bob Blume. „Wie viel Macht räumt man der Präsenz von Demokratiefeinden ein?“, so fragt er. Und berichtet davon, dass er die Social-Media-Plattform X verlassen habe, weil sie rassistische Narrative bediene und unterstütze. „X ist eine Naziparty. Und Gegenrede nützt dort wenig. Die Didacta ist aber keine Naziparty. Ein überwältigender Großteil der dort vorgestellten Projekte sind solche, die Demokratie, Vielfalt und Zusammenhalt fördern“, so Blume.

Und weiter: „Boykottiert man die Messe wegen eines einzelnen Stands, befürchte ich eine gegenteilige Wirkung als jene, die man sich womöglich erhofft: Um ein vermeintliches Zeichen zu setzen, gibt man den Demokratiefeinden Macht. Die Macht, dafür zu sorgen, dass sie all jene zurückziehen, die mit ihrer Präsenz den Unterschied machen können. Was wäre die Konsequenz aus einem solchen Handeln? Die AfD weiß um ihre polarisierende Wirkung. Und es wird nicht das letzte Mal sein, dass sie versucht, demokratische Kongresse, Institutionen oder Tagungen zu unterwandern. Jedes Mal fernzubleiben, wenn sie auftaucht, bedeutet, das Feld zu räumen.“

Dagegen: „Welche Kraft hätte das Bild einer vollen Messe, auf der sich die Menschen unterhalten, zusammenschließen und sich über demokratieförderliche Projekte informieren und auf der ein einzelner Stand verwaist da steht, völlig isoliert vom Rest des Geschehens? Ich glaube: Eine ungemein große. Und deshalb werde ich der AfD nicht die Macht darüber gehen, wegen eines Standes einer Messe fernzubleiben, die ja gerade unter dem Zeichen der Demokratie steht. Sollten die Verantwortlichen gerade deshalb anders handeln? Sicherlich. Aber das steht nicht in meiner Macht. Was in meiner Macht steht, ist Flagge zu zeigen und mich von der AfD weder einschüchtern noch von diesem Ort vertreiben zu lassen.“ News4teachers

AfD auf der didacta: Rassismus, Verschwörungstheorien, Antisemitismus

 

 

Die mobile Version verlassen