BERLIN. Der UNESCO-Weltbildungsbericht, dessen deutsche Ausgabe heute in Berlin vorgestellt wurde, widmet sich der Bedeutung von Führungskräften in der Bildung, genauer: wie sie Veränderungen im Bildungswesen anstoßen und Schulen sowie andere Bildungseinrichtungen stärken können. Wir haben dem Papier fünf Thesen entnommen, deren Begründungen deutlich machen, warum es im Schulbetrieb so sehr auf die Schulleitungen ankommt – und was eine gute Schulleitung ausmacht.
These eins: Gute Schulen brauchen gute Führungskräfte
Begründungen:
„Erfolgreiche Schulleitungen holen das Beste aus den Schüler/innen heraus. Eine Schätzung für die Vereinigten Staaten ergab, dass Leadership im Sinne von Führung durch Schulleitungen und Lehrkräfte für bis zu 27 Prozent der Varianz bei den Ergebnissen der Schüler/innen verantwortlich war. Das liegt innerhalb der schulischen Faktoren nur knapp unterhalb des Einflusses der Lehrkräfte auf das Lernen.
Effektive Schulleitungen holen das Beste aus Lehrkräften heraus. Eine Studie über 32 Länder bestätigte, dass starkes Leadership mit verbesserten Unterrichtspraktiken korreliert. Weltweit erwarten 57 Prozent der Länder, dass die Schulleitung den Lehrkräften Feedback auf der Grundlage ihrer Beobachtungen gibt. Allerdings ist der Anteil der Schulleitungen an weiterführenden Schulen, die Unterrichtsaktivitäten beaufsichtigen, in Ländern mit hohem Einkommen von 81 Prozent im Jahr 2015 auf 77 Prozent im Jahr 2022 gesunken.
Erfolgreiche Schulleitungen sorgen dafür, dass ihre Schulen sicher, gesund und inklusiv sind. Die Vorbeugung von Mobbing und die Gewährleistung der Sicherheit der Schüler/innen sind wichtige Ziele für Schulleitungen. Während der COVID-19-Pandemie haben Schulleitungen in den Vereinigten Staaten den Lehrplan so angepasst, dass das soziale und emotionale Wohlbefinden im Vordergrund stand. In Malta haben Schulleitungen mit lokalen Gemeinschaften zusammengearbeitet, um eine inklusive Schulkultur für Migrant/innen mit Sprachförderung zu entwickeln.“
These zwei: Effektives Leadership erfordert faire Einstellungspraktiken, Vertrauen und Möglichkeiten der Weiterentwicklung.
Begründungen:
„Die Gewinnung und Bindung von Talenten erfordern offene und wettbewerbsorientierte Einstellungsverfahren. Eine Begrenzung des politischen Einflusses bei der Ernennung von Schulleitungen wirkt sich positiv auf die schulischen Ergebnisse aus. Weltweit verfügen jedoch nur 63 Prozent der Länder im Primar- und Sekundarbereich über offene und wettbewerbsorientierte Einstellungsverfahren für Schulleitungen.
Die besten Lehrkräfte sind nicht unbedingt die besten Schulleitungen. Aber während in 76 Prozent aller Länder eine vollständige Ausbildung als Lehrkraft als Voraussetzung für Schulleitungen gilt, verlangen weniger als 3 von 10 auch Managementerfahrung.
Autonomie kann das Potenzial von Führungskräften freisetzen. Leistungsfähige Bildungssysteme haben eine Tendenz dazu, ihren Schulleitungen mehr Autonomie bei Entscheidungen über personelle und finanzielle Ressourcen zu übertragen. In den reicheren Ländern ist jedoch weniger als die Hälfte der Schulleitungen für die Lehrinhalte oder die Festlegung der Gehälter ihrer Lehrkräfte verantwortlich. Und in fast 40 Prozent der Länder ist die Autonomie von Hochschuleinrichtungen nicht gesetzlich verankert.
Professionelle Führungskräfte brauchen Vorbereitung und Fortbildung. Standards für Führungskräfte in der Schule können bei der Gestaltung dieser Aus- und Fortbildung helfen, indem sie die erforderlichen Kompetenzen darlegen, die in fast allen Ländern festgelegt sind. Allerdings erhält fast die Hälfte der Schulleitungen in reicheren Ländern vor ihrer Ernennung keine Ausbildung, und nur 31 Prozent aller Länder haben Bestimmungen für die Einarbeitung neuer Schulleitungen. Praktische Fähigkeiten wie die Nutzung von Daten, Finanzmanagement und digitale Kompetenz sind ebenfalls unerlässlich, doch ein Viertel der Schulleitungen in reicheren Ländern verfügt über keine angemessene Ausbildung in diesen Bereichen.“
These drei: Von Schulleitungen wird zu viel erwartet, bei zu geringer Mittelausstattung.
Begründungen:
„Der Schulbetrieb ist mit zu vielen Anforderungen verbunden, als dass den Schulleitungen genügend Zeit bliebe, eine Vision zu erarbeiten. Die Erwartungen an Schulleitungen sind oft zu hoch. Die Schulleitung ist der Schlüssel zur effektiven Umsetzung von Reformen. In einigen Ländern stehen sie zudem aufgrund neuer Mechanismen zur Rechenschaftspflicht unter intensiver Beobachtung. Eine Umfrage unter Schulleitungen in 14 Ländern mit mittlerem Einkommen ergab jedoch, dass sie 68 Prozent ihrer Zeit auf routinemäßige Verwaltungsaufgaben verwenden. Etwa ein Drittel der Schulleitungen öffentlicher Schulen und ein Fünftel der Schulleitungen privater Schulen in OECD-Ländern gaben an, nicht genügend Zeit für unterrichtsbezogene Führung zu haben.“
These vier: Schulleitungen sollten keine Heldinnen und Helden sein. Bessere Schulen entstehen durch geteilte Führungsaufgaben.
Begründungen:
„Durch die Verteilung von Führungsaufgaben in der gesamten Schule entsteht eine kollaborative Lernumgebung. Sie befähigt Lehrkräfte dazu, Verantwortung in ihrem Unterricht zu übernehmen, Schüler/innen dazu, sich aktiv in der Gruppe ihrer Mitschüler/innen zu engagieren, und Eltern und weitere Menschen aus der lokalen Gemeinschaft, sich zu beteiligen. Dennoch ist Zusammenarbeit unter den vier Leadership-Dimensionen diejenige, die in Aus- und Fortbildungsprogrammen am wenigsten Beachtung findet.
Führung ist in Schulen allzu oft hierarchisch aufgebaut. Erweiterte Schulleitungen und Lehrkräfte können zur Erreichung der Schulziele beitragen, wenn sie klare Rollen, Fortbildungen und Anreize erhalten. Aber nur die Hälfte aller Länder unterstreicht in ihren Leadership-Standards ausdrücklich die Zusammenarbeit der Lehrkräfte, und kaum ein Drittel der Leadership-Schulungsprogramme konzentriert sich darauf. In etwa 81 Prozent der Länder sind Entscheidungsgremien verpflichtet, Lehrkräfte einzubeziehen, und in 83 Prozent der Länder müssen Eltern, in 62 Prozent der Länder Mitglieder der lokalen Gemeinschaft und in 57 Prozent der Länder Schüler/innen einbezogen werden.”
These fünf: Mehr Frauen in Führungspositionen können sich positiv auf die Bildung auswirken.
Begründungen:
„Einige Studien deuten darauf hin, dass Frauen als Schulleitung bessere Lernerfolge als Männer erreichen. Im frankophonen Afrika übertrafen die Leistungen der Schüler/innen in Grundschulen, die von Schulleiterinnen geleitet wurden, die Leistungen derjenigen in Schulen, die von Schulleitern geleitet wurden, in Mathematik und Lesen um mindestens sechs Monate.
Obwohl viele Frauen als Lehrkräfte tätig sind, sind nur wenige Schulleitungen weiblich. Der Anteil weiblicher Schulleitungen in der Primar- und Sekundarstufe liegt im Durchschnitt mindestens 20 Prozentpunkte unter dem durchschnittlichen Anteil weiblicher Lehrkräfte. Nur in 11 Prozent der Länder weltweit gibt es Maßnahmen, um die Geschlechterdiversität bei der Besetzung von Schulleitungen zu fördern.
Die These gilt auch für die Politik: Weibliche Führungspersönlichkeiten auf der politischen Ebene haben der Bildung mehr Priorität eingeräumt als ihre männlichen Kollegen. Die Parlamentarierinnen haben dazu beigetragen, die Ausgaben für die Grundschulbildung weltweit zu erhöhen.“ News4teachers
Hier geht es zur deutschen (Kurz-)Fassung des UNESCO-Weltbildungsberichts.