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Bildungsministerium reagiert auf Berichte über Gewalt an Lehrkräften: Dienstanweisung

ERFURT. Der Thüringer Lehrerverband berichtete von bedenklichen Ereignissen an Schulen. Nun will das Bildungsministerium des Freistaats reagieren – mit einer Dienstanweisung. So sollen etwa Lehrkräfte mehr Handlungssicherheit erhalten.

Hilft eine Dienstanweisung, Gewalt an Schulen einzudämmen? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

An Thüringer Schulen soll der Umgang mit Gewalt eindeutiger geregelt werden. Eine entsprechende Dienstanweisung sei in den vergangenen Wochen erarbeitet worden und werde nun an alle staatlichen Schulen verschickt, teilte das Bildungsministerium auf Anfrage mit.

In der Weisung gehe es darum, jede Form von Gewalt – auch sexualisierte – zu identifizieren und darzulegen, wie ihr entgegenzutreten sei. Dafür sollen auch klar definierte Methoden aufgezeigt werden. Unter anderem waren Experten der Staatsanwaltschaft Erfurt und des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien an der Erstellung der Dienstanweisung beteiligt. Diese richte sich nicht nur an Lehrkräfte, sondern fordere auch Referendare, Erzieher sowie Verwaltungs- und Hauspersonal auf, sich mit dem Thema Gewalt intensiv auseinanderzusetzen.

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Staatssekretär: Gewalt darf nicht folgenlos bleiben

Schulen seien Schutzräume, sagte Staatssekretär Bernd Uwe Althaus. «Alle Mitglieder der Gemeinschaft sollen sich respektiert und geschützt fühlen und gewalttätige Verhaltensweisen, auch die Androhung von Gewalt, dürfen nicht folgenlos bleiben oder toleriert werden.» Wer Gewalt ausübe, dem müsse klare Grenzen gesetzt werden.

Vor einigen Wochen hatte der Thüringer Lehrerverband (tlv) Details aus einer eigenen – nicht repräsentativen – Umfrage unter Schulpersonal veröffentlicht, darin berichteten einzelne Betroffene von Bedrohungen, Schlägen und Tritten. Diese Gewaltumfrage des tlv zeige seit Jahren ein dramatisches und alarmierendes Bild, so der Verbandsvorsitzende Tim Reukauf. Gewalt gegen Lehrkräfte sei kein Randphänomen. Demnach ist aktuell die Hälfte des befragten Schulpersonals seit Beginn des Schuljahres selbst Opfer von Übergriffen geworden. Im vergangenen Jahr seien es noch drei Prozent weniger gewesen.

Fast ein Viertel der Teilnehmenden hat demnach körperliche Gewalt wie Tritte oder Schläge erlitten. 46 Prozent der Opfer wurden beleidigt oder bedroht. Der Großteil der Gewalt gehe von Schülerinnen und Schülern aus, etwa ein Viertel von Eltern und der Rest von Arbeitskollegen. In der Umfrage schilderten die Betroffenen unter anderem Vorfälle, bei denen Brillen zertreten, die Lehrer ins Gesicht geschlagen oder mit Gegenständen beworfen wurden. Laut Verband scheitern die Pädagogen oft an der Uneinsichtigkeit der Kinder und Jugendlichen, aber auch der der Eltern. Diese würden sich oft direkt per Nachricht oder in Klassenchats beleidigend über die Lehrpersonen äußern.

Die in der Umfrage bekanntgewordenen einzelnen Fälle verdienten zwar große Aufmerksamkeit, hieß es damals aus dem Bildungsministerium. Sie müssten allerdings im Verhältnis zu rund 970 allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen mit etwa 260.000 Schülerinnen und Schülern gesehen werden. An der Umfrage des Lehrerverbandes hatten sich 289 Lehrkräfte beteiligt. In Thüringen unterrichten nach Angaben des Landes rund 17.000 Lehrer.

Mehr zwischenmenschliche Kompetenz für Schüler und Lehrer

Mehr Schulsozialarbeiter könnten helfen, Gewaltvorfällen entgegenzuwirken, so Reukauf. Den Lehrkräften selbst fehle im Schulalltag oftmals die Zeit, sich jedem Vorfall individuell zu widmen. Schulen sollten Programme zur Förderung emotionaler Intelligenz und Konfliktlösungskompetenzen für Schüler einführen, lautet ein weiterer Vorschlag Reukaufs. Auch regelmäßig Fortbildungen zur Gewaltprävention und zum Umgang mit Konflikten seien für Lehrer sinnvoll.

Ein Problem sieht der Lehrerverband auch im bisherigen Vorgehen, um Gewaltvorfälle an Schulen zu erfassen. Dabei melden Schulen sogenannte besondere Vorkommnisse auf dem Dienstweg an die Schulämter. Für staatliche Schulen ist das Pflicht, Schulen in freier Trägerschaft melden laut Bildungsministerium nach eigenem Ermessen.

Konsequenzen für Meldesystem?

Reukauf zufolge gebe es Schulleitungen, die nach einer Meldung Reaktionen aus dem Schulamt vermissten. Weil bei diesen so das Gefühl entstehe, dass keine Handlungen folgten, würde auch nicht jeder Gewaltvorfall als besonderes Vorkommnis gemeldet. «Jede Form von Gewalt muss zwingend an das Schulamt gemeldet werden, um verlässliche Zahlen zu erlangen», so Reukauf.

Auch das Bildungsministerium weiß um die Tücken des Meldesystems. Manche Fälle würden mehrfach erfasst, andere erst gar nicht gemeldet. Die Ergebnisse seien deshalb nicht statistisch belastbar. News4teachers / mit Material der dpa

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