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Erstes Bundesland bereitet Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte vor – Pilotphase mit neuer Software geplant

BREMEN. Als erstes Bundesland unternimmt Bremen Schritte zur Einführung einer Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte. Dazu bereitet eine eigens ins Leben gerufene Projektgruppe eine Pilotphase vor. Die Taktik der übrigen 15 Kultusministerinnen und Kultusminister, das Thema auszusitzen, dürfte damit kaum zu halten sein.

«Wir brauchen eine Lösung, die die Interessen der Schülerinnen und Schüler ebenso wie die der Kolleginnen und Kollegen berücksichtigt und umsetzbar ist.» Illustration: Shutterstock

„Bremen hat in der Kultusministerkonferenz betont, wie wichtig die Einführung der Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte ist“, sagt die Bremer Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp (SPD).

Sie betont: „Allerdings wäre es verantwortungslos, vorschnell und unter Zeitdruck zu entscheiden. Dazu sind die absehbaren Folgen, vor allem für die Berufsausübung der Kolleginnen und Kollegen, viel zu groß. Bremen wird weiter darauf hinwirken, im Verbund der Länder nach Lösungen zu suchen. Wir brauchen eine Lösung, die die Interessen der Schülerinnen und Schüler ebenso wie die der Kolleginnen und Kollegen berücksichtigt und umsetzbar ist. Unabhängig davon, arbeiten wir aber bereits auch an einer Lösung für unser Bundesland.“ Aulepp geht davon aus, dass die Pilotphase zum Schuljahr 2026/27 starten kann.

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„Diese Urteile machen es erforderlich, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – also auch Lehrkräfte – ihre Arbeitszeiten vollständig dokumentieren“

Hintergrund: Die Notwendigkeit zur Arbeitszeiterfassung wurde durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im Jahr 2022 sowie durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Jahr 2019 angestoßen. „Diese Urteile machen es erforderlich, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – also auch Lehrkräfte – ihre Arbeitszeiten vollständig dokumentieren“, wie es in einer Pressemitteilung der Bremer Bildungsbehörde heißt.

Der Personalrat Schulen in Bremen fordert die Einführung der Erfassung bereits zum Sommer 2025. Die Aulepp hält dies jedoch für deutlich zu früh. „Aus Verantwortung für die Schulen müssen die vielfältigen komplexen Folgen einer vollständigen Arbeitszeiterfassung vorher sorgfältig geprüft, diskutiert und abgewogen werden. Ein länderübergreifendes Modell wäre auch aus Sicht Bremens sinnvoll. Zudem muss eine passende Zeiterfassungssoftware für Lehrkräfte entwickelt, ausgeschrieben und finanziert werden“, so heißt es in der Pressemitteilung.

Und: Bremen befasse sich bereits konkret mit der Entwicklung einer Zeiterfassungssoftware für Lehrkräfte. In Kooperation mit einer Firma, die in Bremen und vielen anderen Bundesländern die Softwarelösungen für Stundenpläne und digitale Klassenbücher bereitstelle, würden jetzt auch konkrete Schritte zur Entwicklung einer digitalen Lösung unternommen.

In Sachen Erfassung der Arbeitszeit von Lehrkräften sind die übrigen Kultusministerinnen und Kultusminister abgetaucht: Seit langem gibt es von ihnen keine Stellungnahme dazu. Dabei stehen sie nach den beiden Gerichtsurteilen eigentlich in der Pflicht, sich um das Thema zu kümmern. Dass sie das auf lange Sicht nicht zu tun gedenken, tat im vergangenen September eine Kultusministerin (nämlich die baden-württembergische) – gezwungen durch eine parlamentarische Anfrage – kund. „Eine zeitnahe Einführung einer Arbeitszeiterfassung von Lehrkräften (ist) derzeit nicht geplant“, so schrieb Theresa Schopper (Grüne). Und sprach damit offenbar im Namen der gesamten KMK (News4teachers berichtete).

Die Bundesregierung hatte die Umsetzung allerdings auf die lange Bank geschoben. Im Wortlaut Schoppers las sich das so: „Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im Nachgang zum Beschluss des Bundesarbeitsgerichts angekündigt, eine Regelung zur Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz vorzulegen. Eine solche liegt bisher nicht vor.“

Richtig ist: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) legte im April 2023 einen Gesetzentwurf vor, demzufolge die Arbeitszeit künftig elektronisch erfasst werden soll. Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit sollen danach noch am selben Tag aufgezeichnet werden. Von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung sind demnach auch Lehrkräfte, andere Beamtinnen und Beamte sowie die Wissenschaft betroffen.

„Bei der Lehrkräftearbeitszeit gilt die Besonderheit, dass nur die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung zeitlich genau festgelegt ist“

Dass dieser Entwurf noch nicht Gesetz geworden ist, liegt offensichtlich auch am Widerstand der Kultusministerinnen und Kultusminister. „Bei der Lehrkräftearbeitszeit gilt die Besonderheit, dass nur die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung zeitlich genau festgelegt ist. Die übrigen von den Lehrkräften zu erbringenden Tätigkeiten sind hingegen zeitlich nicht festgelegt“, so begründete Schopper die ablehnende Haltung – und zitierte das Bundesverwaltungsgericht dazu: „Die durch die Regelstundenmaße erfolgende Pflichtstundenregelung ist in die allgemeine beamtenrechtliche Regelung der Arbeitszeit der Lehrkräfte als konkret messbare Größe eingebettet, während die Arbeitszeit der Lehrkräfte im Übrigen entsprechend deren pädagogischer Aufgabe wegen der erforderlichen Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, der Korrekturarbeiten, der Teilnahme an Schulkonferenzen, Besprechungen mit Eltern und dergleichen nicht im Einzelnen in messbarer und überprüfbarer Form bestimmt, sondern nur grob pauschalierend geschätzt werden kann.“

Tatsächlich schickte die Kultusministerkonferenz (KMK) einen Brief ans Bundesarbeitsministerium, um auf gesetzliche Sonderregelungen für Lehrkräfte und Beschäftigte in der Wissenschaft zu bestehen – und holte sich dort eine Abfuhr.

„Der Umstand, dass der konkrete Umfang der Arbeitszeit nicht in jedem Fall im Voraus feststeht, steht einer nachträglichen Dokumentation am Ende des Arbeitstages nicht entgegen”, so schrieb Staatssekretärin Lilian Tschan an die damalige KMK-Präsidentin, die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU). Heißt: Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt nach Auffassung des Bundesarbeitsministeriums schon heute umfassend für alle Lehrkräfte in den Schulen, die Kultusministerien müssten sie jetzt umsetzen.

Tun sie aber nicht. „Da mithin alle Länder von der möglichen Einführung einer Arbeitszeiterfassung im Bereich der Lehrkräfte in vergleichbarer Weise betroffen wären, sind die Länder in der Kultusministerkonferenz (KMK) übereingekommen, gemeinsam abgestimmt vorzugehen“, so erklärte Schopper.

Bedeutet praktisch: stillzuhalten. Ihr sei zwar bekannt, dass in einzelnen Ländern „entsprechende Erprobungen bzw. Untersuchungen angedacht“ seien, so Schopper. Aber: „Nach Kenntnis des Kultusministeriums findet bisher in keinem Land in der Bundesrepublik eine Arbeitszeiterfassung bei allen Lehrkräften statt.“ Und: Der Brief aus dem Bundesarbeitsministerium wird geschlossen ignoriert. Schopper hierzu: „Die Länder haben sich in der KMK hierzu verständigt und halten an der zuvor abgestimmten Haltung fest, ihre Position im weiteren Gesetzgebungsverfahren entsprechend einzubringen.“

Jetzt der Knall: Mit Bremen schert jetzt das erste Bundesland aus der Verweigerer-Phalanx aus. Es dürfte damit deutlich schwieriger für die übrigen Kultusminister werden, ihr Nichtstun zu begründen. News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers heiß diskutiert:

Gutachten: Erfassung der Arbeitszeit von Lehrkräften ist unausweichlich (heißt: Aus fürs Deputatsmodell)

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