SPREMBERG. Bedrohungen, Beleidigungen, Mobbing und sogar körperliche Angriffe: An Schulen ist Gewalt laut einer VBE-Umfrage ein wachsendes Problem. Das zeigen auch aktuelle Zahlen aus Brandenburg – und ein dort angesiedelter Fall einer Lehrerin, die im Klassenraum von einem Siebtklässler körperlich angegriffen wurde. Gleich zwei Mal binnen Minuten.
Eingeworfene Scheiben, eine in Brand gesteckte Tür, beengte Platzverhältnisse, Lehrkräftemangelmangel – Probleme gibt es laut einem Bericht des rbb an der Berufsorientierenden Oberschule im brandenburgischen Spremberg (BOS) reichlich. Dazu gehört auch ein körperlicher Angriff auf eine Lehrerin, der sich bereits am 21. Februar ereignete, aber erst jetzt öffentlich wurde.
Was ist geschehen? Ein Siebtklässler weigerte sich dem Bericht zufolge, am Nachmittag dieses Tages eine Klassenarbeit nachzuschreiben. Als er unerlaubt den Klassenraum verlassen wollte, stellte seine Lehrerin sich ihm in den Weg. Der Zwölfjährige schubste sie mit großer Kraft zur Seite.
Die Lehrerin meldete den Vorfall der Schulleitung. Als sie danach in den Klassenraum zurückkehrte, erhielt sie von dem Schüler erneut mit beiden Händen und «mit sehr hoher Krafteinwirkung auf die Brust» einen Schlag auf die Brust. Sie fuhr nach Hause, ihr Mann brachte sie in die Klinik in Spremberg: Mehrere Prellungen, Blutergüsse werden festgestellt.
Womöglich wurde die Lehrerin, eine Quereinsteigerin, von dem Jungen nicht nur geschlagen, sondern auch diskriminiert: Mit drastischen Worten, bezogen auf ihre Herkunft (nach Medienberichten stammt die Deutsche aus Russland), sei sie während des körperlichen Angriffs beleidigt worden. So beschreibt es jedenfalls die Lehrkraft in ihrem Bericht an das Cottbusser Schulamt. Strittig ist allerdings, ob es bei dem Vorfall tatsächlich zu der diskriminierenden Beleidigung kam. «Die anderen Schüler haben herabwürdigende Sätze, die sich auf die Herkunft beziehen, nicht gehört», sagte der Schulleiter der «Lausitzer Rundschau».
«Die Schule hat das Geschehene innerhalb der Klassenkonferenz sowie pädagogisch mit den Schülerinnen und Schülern aufgearbeitet»
Dem Bericht zufolge wurde der Siebtklässler für einige Tage vom Unterricht ausgeschlossen. Pädagogische Maßnahmen sollen demnach im Nachgang folgen, auch Gespräche mit den Eltern des Jungen. «Dem Jungen soll bewusst werden, was er getan hatte. Und mit zwölf, 13 Jahren müssen die Kinder lernen, ihre Wut zu beherrschen», zitiert das Blatt den Schulleiter. Nach seinen Angaben soll der Schüler zum ersten Mal in dieser Form aufgefallen sein.
Brandenburgs Bildungsministerium teilte auf Anfrage mit: «Die Schule hat das Geschehene innerhalb der Klassenkonferenz sowie pädagogisch mit den Schülerinnen und Schülern aufgearbeitet», hieß es. «Ebenso hat sie gegenüber dem Kind nach den Möglichkeiten von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen angemessen gehandelt.» Details könnten aus «aus datenschutzrechtlichen Gründen» nicht genannt werden. Nur so viel: Die verletzte Lehrerin sei wieder im Dienst an der Schule.
Nach Medienberichten hat sie Strafanzeige erstattet. Die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung.
Der Vorfall in Spremberg ist kein Einzelfall im Bereich des Schulamtes Cottbus, dem 212 Schulen angehören. Nach Angaben des Bildungsministeriums wurden für das Schuljahr 2023/24 an den Schulen 27 Körperverletzungen von Lehrkräften gemeldet – deutlich mehr als im Vorjahr (8). Im laufenden Schuljahr wurden nach den Angaben bislang sieben solcher Vorfälle gemeldet. An der BOS selbst wurden in den Schuljahren 2023/24 und 2024/25 dem Ministerium jeweils zwei Vorfälle gemeldet worden, berichtete der rbb.
«Sie reagieren in emotionalen Konfliktsituation dann unangemessen»
Die Zahlen entsprechen dem landesweiten Trend. Landesweit wurden im Schuljahr 2023/24 laut Ministerium 115 Fälle von insgesamt 942 Schulen gemeldet, in denen Pädagogen verletzt wurden – im Vorjahr waren es noch 48. Im laufenden Jahr wurden bislang 89 Taten registriert. In der Regel handelt es sich um einfache Körperverletzung, beispielsweise Schubsen, Kneifen, Boxen oder Kratzen, wie ein Ministeriumssprecher erklärte. Dies komme vor allem an Grund- und Förderschulen vor, weil bei einigen Kindern «die Selbststeuerung» noch nicht genügend entwickelt sei. «Sie reagieren in emotionalen Konfliktsituation dann unangemessen», hieß es.
Nach einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) ist Gewalt an Schulen nach Wahrnehmung von Schulleiterinnen und Schulleitern ein wachsendes Problem. Demnach gaben 60 Prozent der Befragten an, dass körperliche und psychische Gewalt an ihrer Schule in den vergangenen fünf Jahren eher zugenommen habe. Einen Rückgang der Gewalt nahmen nur vier Prozent der Befragten wahr. News4teachers / mit Material der dpa