MAINZ. Der rheinland-pfälzische Bildungsminister Sven Teuber (SPD) spricht sich für weniger Leistungsdruck in der Schule aus. Gerade in den Klassen eins bis acht «braucht es nicht dauernd Tests und Klassenarbeiten», sagt Teuber in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung «Die Zeit». Lehrkräfte sollten stattdessen mehr Zeit haben für «Feedbackgespräche» und «Persönlichkeitsentwicklung».

Von unangekündigten Abfragen hält der Minister nichts. «Meine Haltung ist klar: Benotete Spontantests setzen Schüler unnötig unter Druck. Die Lernforschung weiß seit vielen Jahren, dass Druck und Angst das Lernen erschweren», sagt Teuber. Hintergrund: Die Aussagen fallen in einem von der «Zeit» organisierten Streitgespräch mit dem Bildungsforscher Prof. Klaus Zierer aus Anlass der Debatte um die bayerischen Exen, unangekündigte Tests also. Zierer hatte sich mit einem Gastkommentar auf News4teachers für das im Freistaat hitzig umstrittene Instrument ausgesprochen (hier geht es hin).
Teuber spricht sich nun hingegen für eine veränderte Test- und Prüfungskultur an den Schulen aus. «Exen bereiten mit Sicherheit nicht auf den beruflichen Alltag vor, das ist ein schlechtes Argument! Man wird im Job nicht “abgefragt”, viele Aufgaben erledigt man im Team. Meine Haltung ist klar: Benotete Spontantests setzen Schüler unnötig unter Druck. (…) Was ist das außerdem für eine Vorstellung von Autorität? Dass ich als Lehrer Angst verbreiten muss, damit meine Schüler tun, was ich von ihnen verlange! Kinder sind neugierig von Geburt an, aber leider unternehmen wir einiges, um ihnen die Freude am Lernen auszutreiben.»
Stattdessen sollten sich Klausuren und Leistungskontrollen stärker nach dem individuellen Tempo der Schüler richten: «Ich kann mir auch vorstellen, dass sich Kinder und Jugendliche erst dann zu einer Prüfung melden, wenn sie meinen, den Stoff verstanden zu haben», sagt der Politiker.
Und weiter: «Kinder brauchen Zeit für Entwicklung und keinen Druck! In der Bildungsministerkonferenz der Länder hatten wir kürzlich den Bundesschülersprecher zu Gast. Der berichtete, dass auf den Pausenhöfen gerade alle die Themen mentale Gesundheit und Leistungsdruck umtreiben. Das können wir nicht ignorieren, egal, ob wir Politikerinnen und Politiker, Lehrkräfte oder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind.»
Wie weit geht das – will Teuber auch Noten abschaffen? «Nein, Noten sind das gesellschaftlich anerkannte Vergleichsinstrument, durch das wir die Stärken und Schwächen von Schülern bewerten. Eltern wie Arbeitgeber wollen sie, insbesondere als Teil von Abschlusszeugnissen“, antwortet der Bildungsminister. Und ergänzt: «Was wir aber viel weniger brauchen, sind Noten als Einzelbewertungen über die gesamte Schullaufbahn hinweg, insbesondere in den Klassen eins bis acht. Hier taugen Zensuren nur, wenn sie von individuellen Rückmeldungen begleitet werden. Denn wir sollten nicht vergessen: Eine Drei beim Lehrer Teuber in Rheinland-Pfalz ist keine Drei beim Lehrer Zierer in Bayern.“ Hintergrund: Beide waren früher selbst Lehrer – Teuber am Gymnasium, Zierer an der Grundschule.
“Ich sehe auch nicht, dass die Kinder heute weniger oder schlechter lernen. Sie lernen anders”
Aber fährt Bayern mit seinem Leistungsdruck in Schulen nicht gut? In Schülerleistungsvergleichen liegt der Freistaat stets vor Rheinland-Pfalz. Teuber: «Das mag sein, aber auch wir haben in unseren Schulen, Universitäten und Betrieben sehr leistungsfähige Absolventinnen und Absolventen. Es ist kein Zufall, dass in Rheinland-Pfalz ein innovatives Weltunternehmen wie BioNTech entstanden ist und den Impfstoff gegen Corona entwickelt hat. Ich sehe auch nicht, dass die Kinder heute weniger oder schlechter lernen. Sie lernen anders – und darauf müssen wir uns pädagogisch besser einstellen. Das gilt für ganz Deutschland.“
Er betont: «In den jüngeren Jahrgängen braucht es nicht dauernd Tests und Klassenarbeiten, da sollte es Zeit geben für Feedbackgespräche, Persönlichkeitsentwicklung. Da muss man noch kein fertiger Schüler sein, der ständig nach Bestleistungen strebt. Fordern ja, unbedingt, aber so, dass es dem Alter, der Herkunft und dem Kompetenzstand der Schülerinnen und Schüler entspricht. Schlagen wir alle über denselben Leisten, produziert das Ungerechtigkeit und zerstört Motivation.
Rheinland-Pfalz gibt seit 2021 mit der Initiative «Schule der Zukunft» bestimmten Lehrerkollegien größere Freiräume bei der Unterrichtsgestaltung und der Bewertung der Kinder und Jugendlichen: «Wir müssen die Schule so verändern, dass es den Schülerinnen und Schülern an diesem Ort besser geht», sagt der Bildungsminister demnach. News4teachers / mit Material der dpa
