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Früh-Militarisierung mit Hüpfburg und Hubschrauber? GEW kritisiert Bundeswehr-Ferien für Grundschüler

KELLMÜTZ. Die Gemeinde Kellmünz in Schwaben plant ein Kinderferienprogramm mit der Bundeswehr – samt Tarnfarben-Plakat und Hubschrauberlandung. Für die einen ist es ein pädagogisch betreutes Freizeitangebot, für die anderen ein gefährlicher Einstieg in eine „Früh-Militarisierung“. Vor allem die GEW kritisiert die Aktion.

Zielgruppe Grundschule? (Symbolbild) Illustration: Shutterstock

Ein beschaulicher Ort in Schwaben wird zum Brennpunkt einer bildungspolitischen Kontroverse: In Kellmünz (Landkreis Neu-Ulm) sollen Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren zwei Ferientage mit Soldatinnen und Soldaten verbringen. Das Angebot ist Teil des kommunalen Ferienprogramms – und sorgt für bundesweite Aufregung.

Bürgermeister Michael Obst (CSU), selbst Oberstleutnant der Reserve und ehemaliger Mittelschullehrer, sieht darin nichts Ungewöhnliches. „Auch in diesem Jahr findet wieder die beliebte Aktion mit unserer Patenkompanie der Bundeswehr statt – ein echtes Highlight im Ferienkalender“, schreibt er auf Facebook. Für ihn steht der persönliche Kontakt zwischen Soldaten und Kindern im Vordergrund. „Es handelt sich um ein spielerisches und betreutes Freizeitangebot, bei dem junge Soldatinnen und Soldaten unter Einbindung der örtlichen Vereine gemeinsam mit Kindern basteln, spielen, Sport treiben und einfach Zeit miteinander verbringen“, erklärt Obst gegenüber dem BR.

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Geplant ist unter anderem eine Übernachtung in der Grundschule, eine Hüpfburg, Grillabende – und als „Highlight“ eine Hubschrauberlandung. Das Programm wird begleitet von der „Gefechtsstandstaffel Multinationales Kommando Operative Führung“ aus Ulm. Auf dem Werbeplakat für die Aktion prangen Tarnfarben – zu sehen sind Kinder, die ein Bundeswehrfahrzeug bestaunen.

GEW: „Kinderfreizeit im Flecktarn ist unangemessen“

Doch was für die einen harmlos klingt, ist für andere ein handfester Skandal. Die Bildungsgewerkschaft GEW läuft Sturm gegen die Pläne. Oliver Danner, GEW-Vorstandsmitglied in Bayern, warnt: „Ein Ferienprogramm mit der Bundeswehr ist nicht altersgemäß.“ Für Grundschulkinder sei der Themenkomplex Bundeswehr pädagogisch kaum zu vermitteln. „Ein unsachgemäßer Umgang kann hier zu Angst oder Verunsicherung führen und dem pädagogischen Anspruch nicht gerecht werden.“

Martina Borgendale, Landesvorsitzende der GEW in Bayern, legt im Gespräch mit dem SWR nach: „Selbst so ein total harmloses, nettes Aufeinandertreffen ist halt letztendlich doch eine Gewöhnung an die ganze Thematik.“ Der militarisierte Kontext sei unverkennbar, betont sie – selbst wenn es nur ums Grillen und Spielen gehe. „Da haben wir eben Themen wie potenziell Kriegseinsätze, geistige, seelische und körperliche Verletzungen, die da im Raum stehen.“

Auch der Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Ates Gürpinar, äußert scharfe Kritik: „Militär hat in Kinderzimmern, Klassenzimmern und Ferienprogrammen nichts verloren. Das ist Früh-Militarisierung mit Tarnnetz“, schrieb er auf X (vormals Twitter). Er spricht von „Kriegspropaganda mit Bastelstunde für Sechsjährige“.

Bürgermeister verteidigt das Programm – und fühlt sich missverstanden

Bürgermeister Obst wehrt sich entschieden gegen die Vorwürfe. Im Interview mit dem SWR betont er, dass es nicht um Werbung für die Bundeswehr gehe: „Die kommen mit Lkw, die grün sind, weil sie einen Haufen Material mitbringen. Die haben eine Hüpfburg im Gepäck, die haben Grillsachen dabei.“ Ziel sei es, Berührungsängste abzubauen – nicht, Kinder fürs Militär zu begeistern.

Mit diesem Plakat wird für das Ferienprogramm geworben. Screenshot

Die Kritik hält er für überzogen und unfair: „Es ist anmaßend, pädagogische Projekte ohne Kenntnis konkreter Inhalte oder Abläufe zu kritisieren.“ Für ihn ist der Umgang mit Soldatinnen und Soldaten vor allem eine Form der Begegnung auf Augenhöhe. „Die Betreuung durch die Soldatinnen und Soldaten ist verlässlich, herzlich und verantwortungsvoll – das Feedback aus der Bevölkerung ist eindeutig positiv.“

CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek springt dem Bürgermeister bei: „Das Kinderferienprogramm in Kellmünz ist ein freiwilliges, lokal organisiertes Angebot, das spielerisch den Teamgeist fördert und die Bundeswehr als Teil unserer Demokratie sichtbar macht.“ Der Vorwurf der Militarisierung sei absurd. Die GEW-Kritik sei Ausdruck eines „hochproblematischen Umgangs mit unserer Parlamentsarmee“.

Politischer Kontext: GEW zieht gegen Bundeswehrgesetz vor Gericht

Die Debatte in Kellmünz reiht sich ein in eine größere Auseinandersetzung um die Rolle der Bundeswehr in Bildungseinrichtungen. Hintergrund ist das umstrittene „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern“, das vergangenes Jahr in Bayern verabschiedet wurde. Es verpflichtet staatliche Schulen zur Zusammenarbeit mit Jugendoffizieren im Rahmen der politischen Bildung. Auch dürfen Karriereberater der Bundeswehr im Schulbetrieb auftreten.

Die GEW hält das Gesetz für verfassungswidrig und hat gemeinsam mit rund 200 weiteren Organisationen, darunter die Deutsche Friedensgesellschaft, Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. „Das Gesetz stellt einen populistischen Akt der Staatsregierung dar, der die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte sowie die Wissenschaftsfreiheit an den Universitäten im bedenklichen Maße einschränkt“, begründet Borgendale die Klage.

In der Kritik steht insbesondere, dass das Gesetz Universitäten untersagt, mit sogenannten Zivilklauseln eine militärische Nutzung ihrer Forschung zu verhindern. Auch fehle ein gleichberechtigter Zugang von Friedensgruppen zu Schulen, kritisiert die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann. Statt die Bundeswehr zu fördern, sollten Schulen lehren, „Konflikte gewaltfrei zu lösen“.

Eine Grundsatzfrage für die Bildungswelt: Wie umgehen mit der Kriegsbereitschaft?

Der Streit um das Kinderferienprogramm in Kellmünz wirft grundsätzliche Fragen auf, die auch für Lehrkräfte in ganz Deutschland relevant sind: Welche Rolle soll und darf die Bundeswehr in der Bildungsarbeit spielen? Wo endet sinnvolle Demokratiebildung – und wo beginnt Militarisierung?

Für Bürgermeister Obst ist die Antwort klar: „Die Bundeswehr ist Teil unserer Gesellschaft. Oder sollen wir in Zukunft auch keine Polizeibeamten mehr in Uniform zur Verkehrserziehung in die vierte Klasse schicken?“ GEW-Landeschefin Borgendale sieht das differenzierter: „Die Polizei gehört zum Alltag der Kinder – das Militär nicht. Es geht nicht um das Ablehnen von Uniformen, sondern um eine klare Grenze bei der pädagogischen Vermittlung von Gewaltkontexten.“ News4teachers

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