GREIFSWALD. Polizeieinsatz wegen Social-Media-Posts: Warum ein Gericht die Aktion an einer Schule in Mecklenburg-Vorpommern für unverhältnismäßig hält. Sie hatte breites Aufsehen erregt – sogar Elon Musk äußerte sich zu Wort. Eine Hetzkampagne von Rechtsaußen gegen den Schulleiter war die Folge.
Der aufsehenerregende Polizeieinsatz an einer Schule im mecklenburg-vorpommerischen Ribnitz-Damgarten im Februar vergangenen Jahres (News4teachers berichtete) war laut einer Gerichtsentscheidung rechtswidrig. Die Art und Weise der Gefährderansprache der damals 16-Jährigen sei unverhältnismäßig gewesen, teilte das Verwaltungsgericht Greifswald mit. «Es hätte mildere Maßnahmen gegeben, als die Schülerin sofort aus dem laufenden Unterricht zu holen und mit ihr vor den Augen der Schulöffentlichkeit in Begleitung von Polizeibeamten ins Sekretariat zu gehen», heißt es zur Begründung. Weitere Konsequenzen hat das Urteil nicht.
Nach Angaben des Gerichts hatte der Schulleiter eine anonyme E-Mail mit der Information erhalten, dass die Klägerin staatsschutzrelevante Inhalte in sozialen Netzwerken auf ihrem Tiktok-Account verbreite. Die Schule habe sich an die Polizei gewandt. Nach der Feststellung, dass die der E-Mail beigefügten Screenshots keine strafrechtliche Relevanz hatten, seien drei Beamte in Begleitung des Schulleiters zur Klasse des Mädchens gegangen. Der Schulleiter habe sie aus dem Unterricht geholt, während die Beamten auf dem Flur blieben. Anschließend begaben sich die Beamten mit dem Schulleiter und dem Teenager zum Sekretariat zurück und führten dort eine Gefährderansprache durch.
„Schriftzüge, die dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen sind, sowie Runenzeichen und altdeutsche Schrift mit Lorbeerkranz“
Mit der Klage gegen die Maßnahme wollte das Mädchen die Feststellung der Rechtswidrigkeit erwirken. Die Entscheidung ist bislang nicht rechtskräftig. Behörden hatten als Anlass für die Maßnahme auf Screenshots eines Social-Media-Accounts verwiesen. Damals war etwa von Schriftzügen die Rede, «die dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen sind, sowie Runenzeichen und altdeutsche Schrift mit Lorbeerkranz». Außerdem wurden von der Schülerin offenbar migrantenfeindliche Sprüche verbreitet.
Der Fall hatte bundesweit und darüber hinaus Aufsehen erregt. Eine Darstellung des Falls auf der Plattform X, in der allerdings fälschlicherweise von einer Festnahme gesprochen wurde, rief damals sogar den US-amerikanischen Unternehmer Elon Musk auf den Plan. Er brachte auf X seine Verwunderung über den Vorfall zum Ausdruck.
Das Gymnasium – insbesondere dessen Schulleiter – war daraufhin Ziel von Drohanrufen und Schmäh-E-Mails. Auslöser war eine Kampagne rechtspopulistischer Medien wie dem Portal „Nius“ des ehemaligen Bild-Chefs Julian Reichelt und von AfD-Politikern, die der Schulleitung Stasi-Methoden vorwarfen.
Die Drohungen und Schmähungen beschäftigten die Polizei. Sie forderte auf ihren Social-Media-Kanälen dazu auf, Persönlichkeitsrechte (der Schulleitung) zu beachten. Der Aufruf zu Straftaten werde ebenso verfolgt wie Beleidigungen. Nach Angaben des Bildungsministeriums war auch der Staatsschutz eingeschaltet. Das Polizeipräsidium Neubrandenburg sprach auf X von Hetze gegen die Schule.
Landesbildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) und Landesinnenminister Christian Pegel (SPD) verteidigten im Bildungsausschuss des Landtags das Vorgehen des Schulleiters und der Beamten. Sie hätten richtig und angemessen gehandelt, befanden beide Minister. Das Bildungsministerium erklärte, Schulleitungen in MV seien gehalten, die Polizei einzuschalten, wenn bei Besitz, Erstellung und/oder Verbreitung von Textnachrichten, Fotos oder Videos ein strafrechtlicher Hintergrund nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden könne.
„Man darf sich nicht davon abhalten lassen, gegen extrem rechte Vorfälle konsequent vorzugehen“
Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Michael Noetzel, sagte auf Anfrage des Nordkuriers: „Ich begrüße die Anstrengungen der Landesregierung, gegen rechtsextremistische Umtriebe in Schulen und Behörden vorzugehen.“ Grundsätzlich sei es richtig, dass sich die Schule an die zuständigen Stellen gewandt habe, als der Verdacht aufgekommen sei, dass die Schülerin mutmaßlich rechtsextreme Inhalte verbreite.
„Dass das Verwaltungsgericht Greifswald dem Vorgehen rechtliche Grenzen setzt, ist zu respektieren“, so Noetzel weiter. Es werde sich zeigen, „ob das Urteil Bestand hat“. Man dürfe sich jedoch nicht davon abhalten lassen, gegen extrem rechte Vorfälle konsequent vorzugehen. News4teachers / mit Material der dpa
Rechtsextremer Gruß oder bloß OK-Zeichen? Gericht stoppt Schulverweis