SCHWERIN. In Zeiten, in denen angesichts des grassierenden Lehrermangels vielerorts von steigender Unterrichtsverpflichtung, gestrichenen Teilzeitmodellen und verschärften Arbeitsbedingungen die Rede ist, sendet Mecklenburg-Vorpommern ein anderes Signal. Bemerkenswert darüber hinaus: Bildungsministerin und mehrere Lehrerverbände kommunizieren nicht gegeneinander, sondern Seite an Seite. Allerdings ohne die GEW.

Dass Bildungsministerium und Lehrerverbände gemeinsam eine Pressemitteilung veröffentlichen, gehört zu den größten Seltenheiten im bildungspolitischen Alltag. Doch in Mecklenburg-Vorpommern war es nun so weit: Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) und die Spitzen mehrerer Lehrerverbände traten gemeinsam vor die Öffentlichkeit – mit einer Botschaft, die ausnahmsweise nicht von Konflikten, sondern von Konsens geprägt war: Die Lehrkräfte im Land sollen trotz Lehrkräftemangel weiter entlastet werden.
Ausgangspunkt war die Kabinettsentscheidung, Änderungen an der Lehrkräfte-Arbeitszeit-Landesverordnung zu beschließen. Damit werden bereits in der Praxis gewährte Entlastungen rechtlich verankert und weiterentwickelt. So können Lehrkräfte, die an Schulen mit Außenstellen, an kleinen Grundschulen, in Vorklassen für Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache oder mit Aufgaben der beruflichen Orientierung tätig sind, künftig dauerhaft auf Anrechnungsstunden zählen.
Besonders im Fokus stehen ältere Lehrkräfte. Sie können bis zu vier Unterrichtsstunden pro Woche weniger leisten, ohne Gehaltseinbußen befürchten zu müssen. Oldenburg machte klar: „Während die Unterrichtsverpflichtung in anderen Bundesländern erhöht wurde, halten wir in Zeiten des bundesweiten Lehrkräftemangels an unseren Regelungen fest. Wir bieten eine verlässliche Entlastung dort, wo die Belastung besonders hoch ist.“
Allein im April 2025 haben laut Ministerium 3.660 ältere Lehrkräfte insgesamt 7.100 Altersanrechnungsstunden erhalten. Darunter waren mehr als 3.000 Pädagogen über 60 Jahre, über 600 sogar älter als 67. Insgesamt summierten sich die gewährten Anrechnungsstunden auf über 35.000 – das entspricht rechnerisch rund 1.300 Lehrerstellen. Oldenburg betonte zudem: „Mit dieser freiwilligen Leistung setzen wir ein klares Zeichen. (…) Das bedeutet, dass diese Lehrkräfte, die wir so dringend brauchen, Altersanrechnungsstunden erhalten.“
„Wir begrüßen, dass das Land weiterhin keine Abstriche bei Teilzeitbeschäftigungen machen will und gehen davon aus, dass die Schulämter das auch so umsetzen“
Die ungewöhnliche gemeinsame Pressemitteilung unterstreicht, wie sehr Ministerium und Verbände diesmal an einem Strang ziehen. Michael Blanck, Vorsitzender des VBE in Mecklenburg-Vorpommern, betonte: „Wir begrüßen, dass das Land weiterhin keine Abstriche bei Teilzeitbeschäftigungen machen will und gehen davon aus, dass die Schulämter das auch so umsetzen. Ebenso ist positiv zu werten, dass es keine Kürzungen bei den Anrechnungsstunden wie der Altersanrechnung geben wird.“ Zugleich mahnte er: „Es bleibt aber die große Baustelle der hohen Unterrichtsverpflichtung, bei der wir perspektivisch eine Lösung finden müssen und das schnell angehen sollten.“
Auch Mario Steinke vom Philologenverband MV stellte die Entlastung heraus: „Besonders positiv werten wir, dass damit nicht nur wohlklingende Absichtserklärungen aufgestellt, sondern konkrete Maßnahmen auch weiterhin festgeschrieben werden, die im Schulalltag spürbar sind und wirken. (…) Die hohe Belastung des Lehrerberufs wird ernst genommen und es gibt den erkennbaren politischen Willen, Entlastung nicht den allgegenwärtigen Sparzwängen zum Opfer fallen zu lassen.“
„Durch die erzielte Einigung ist es gelungen, für die betroffenen Lehrkräfte Entlastung zu schaffen und die Erhaltung ihrer Arbeitskraft zu sichern“
Und Hans-Joachim Prakesch vom Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung ergänzte: „Wir begrüßen, dass es in langwierigen gemeinsamen Beratungen zwischen dem Ministerium und den Lehrerverbänden gelungen ist, mögliche Kürzungen bei den Altersanrechnungsstunden sowie den Anrechnungsstunden für Schwerbehinderung abzuwenden. Durch die erzielte Einigung ist es gelungen, für die betroffenen Lehrkräfte Entlastung zu schaffen und die Erhaltung ihrer Arbeitskraft zu sichern.“
Kleiner Wermutstropfen: Die GEW als größter Lehrerverband im Land fehlt in der ungewöhnlichen Allianz. Warum sie nicht Teil der gemeinsamen Mitteilung ist, blieb zunächst offen. Von ihr verlautete heute nichts. Das lässt ahnen: So geschlossen, wie die Inszenierung auf den ersten Blick wirkt, ist die Front am Ende womöglich doch nicht.
Dass Mecklenburg-Vorpommern Entlastungen nicht zurückfährt, sondern sogar ausweitet, ist umso bemerkenswerter, als der Altersdurchschnitt des Lehrpersonals bundesweit zu den höchsten gehört. Laut Statistischem Bundesamt ist die Hälfte der rund 12.200 Lehrkräfte an öffentlichen Schulen im Nordosten mindestens 50 Jahre alt. Mehr als 600 unterrichten sogar noch über das 67. Lebensjahr hinaus.
Trotz dieses hohen Durchschnittsalters liegt der Teilzeitanteil mit 37,1 Prozent unter dem Bundeswert von 43,1 Prozent. Um die altersbedingt ausscheidenden Pädagogen zu ersetzen, müssten laut Lehrerbedarfsprognose jährlich 600 bis 700 neue Lehrkräfte eingestellt werden. Die Landesregierung setzt daher auf das Modell, erfahrene Kräfte mit gezielten Entlastungen möglichst lange im Schuldienst zu halten. News4teachers / mit Material der dpa
Ministerin hält an Teilzeit für Lehrkräfte fest (trotz Personalnot, betont sie)
