BERLIN. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann rüttelt erneut am Beamtenstatus von Lehrkräften – und bekommt nun Schützenhilfe von einem Wirtschaftsweisen. Prof. Martin Werding, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, spricht sich ebenfalls dafür aus, die Verbeamtung auf klassische hoheitliche Aufgaben zu beschränken. Zumindest für angehende Lehrerinnen und Lehrer hätte das weitreichende Folgen.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat die nächste Stufe in der Debatte um Renten und Beamtenversorgung gezündet – und nimmt dabei erneut die Lehrkräfte ins Visier. In einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe stellte er klar, dass er das Beamtentum künftig auf wenige Bereiche mit „echten hoheitlichen Aufgaben“ beschränken will. Lehrerinnen und Lehrer? Fehlanzeige.
„Wir sollten nur noch dort verbeamten, wo es ein besonderes Treueverhältnis zum Staat gibt, zum Beispiel bei der Polizei, der Feuerwehr oder in anderen Sicherheitsbereichen, bei Finanzbeamten oder beim Zoll“, erklärte Linnemann. So ließe sich der Beamtenapparat deutlich verkleinern. Aktuell gibt es in Deutschland laut Statistischem Bundesamt rund 1,7 Millionen Beamtinnen und Beamte – die größte Gruppe darunter sind Lehrerinnen und Lehrer, gefolgt von Verwaltung und Polizei.
Der CDU-Generalsekretär verwies zugleich auf Sparpläne der Bundesregierung: Bis 2029 sollen acht Prozent des Personals in den Ministerien abgebaut werden. Zudem zweifelte er an, ob dort tatsächlich noch so viele Mitarbeitende verbeamtet werden müssten. Sein Credo: „Nicht überall notwendig.“
Wirtschaftsweiser Werding: Keine Verbeamtung mehr für Lehrer
Rückenwind erhält Linnemann von einem Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – den sogenannten „Wirtschaftsweisen“. Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum, legte im Handelsblatt noch einmal nach.
Seine Diagnose: Das Beamtensystem lockt vor allem „risikoscheue Menschen“ an, die „weniger anpassungsfähig und mobil sind als andere“. Für hoch qualifizierte Leistungsträger – etwa in der IT – sei der öffentliche Dienst so unattraktiv. „Es wäre klüger, man würde kurzfristig mehr Geld ausgeben und die besten Leute zu konkurrenzfähigen Gehältern einstellen“, so Werding. Stattdessen verlagere der Staat die Kosten in die Zukunft – in Form von üppigen Pensionen.
Vor allem bei den Lehrkräften sieht der Wirtschaftsweise keinen Grund mehr für eine Verbeamtung: „Wo staatliche Zwangsgewalt ausgeübt wird, sollten Beamte sitzen – also bei der Polizei, in der Justiz, in der Finanzverwaltung. Menschen Steuern aufzuerlegen, Straftäter festzunehmen – das sind Kernaufgaben des Staates.“ Bei Lehrerinnen und Lehrern oder Hochschulprofessoren sei dies nicht der Fall: „Hier sehe ich eigentlich keine hoheitliche Aufgabe.“
Darüber hinaus plädiert Werding für weitere tiefgreifende Reformen: Beamte sollten künftig wie Angestellte in ein transparentes Rentensystem eingebunden werden. Auch die Sonderstellung bei Krankheitsausfällen hält er für nicht mehr zeitgemäß. Die ist gerade durch einen Fall aus Nordrhein-Westfalen öffentlich in Verruf geraten: Eine Studienräten wurde erst nach 15 Jahren Krankschreibung bei vollen Bezügen aufgefordert, einen Amtsarzt zu konsultieren (News4teachers berichtete).
Sturm der Entrüstung bei Lehrergewerkschaften und Beamtenbund
Massive Reaktionen aus der Bildungswelt entzündeten sich bereits an Linnemanns Vorstoß von Anfang August, die Verbeamtung künftig auf klassische hoheitliche Aufgaben zu beschränken – und damit die Lehrkräfte auszuschließen. Für den Vorsitzenden des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, ist das „eine Frechheit“: „Nach Jahren der dauerhaften Überlastung und angesichts des eklatanten Personalmangels an Schulen ist der Vorstoß nicht nur unsinnig, sondern ein Bärendienst für die Attraktivität des gesamten Berufsfeldes.“
Brand erinnerte daran, was der Beamtenstatus im Schuldienst bedeutet: „Wo stünden unsere Schulen heute, wenn die Lehrkräfte nicht trotz teils desolater Voraussetzungen stets ihren Teil der Verpflichtung erfüllt hätten, die sie mit der Verbeamtung eingegangen sind?“ Sollte die Politik ernsthaft beabsichtigen, dieses Fürsorgeverhältnis aufzukündigen, „werden die Konsequenzen für die Bildungslandschaft unabsehbar sein.“
Auch der Deutsche Beamtenbund (dbb) reagierte empört auf die CDU-Pläne. Bundesvorsitzender Volker Geyer lehnt den Ausschluss der Lehrkräfte vom Beamtenstatus strikt ab und nennt mehrere Gründe: „Erstens ist Bildung unserer Auffassung nach eine zutiefst hoheitliche Aufgabe.“ Zweitens spare der Staat durch die Entbeamtung gar kein Geld, im Gegenteil – kurzfristig würden sogar höhere Kosten entstehen. Und drittens: „Will Herr Linnemann wirklich Streiks an deutschen Schulen? Wir wollen das jedenfalls nicht.“ Für Geyer ist das Beamtentum mehr denn je notwendig: Es garantiere Neutralität und Kontinuität und sei ein „Bollwerk gegen Extremismus“.
Hintergrund: Haushalte unter Druck
Die Angriffe auf den Beamtenstatus haben eine Ursache: der Druck auf die öffentlichen Haushalte durch die Pensionierungswelle unter Angehörigen der Boomer-Generation. Allein 2024 flossen 91 Milliarden Euro in Pensionszahlungen – doppelt so viel wie noch 2007. Die langfristigen Verpflichtungen summieren sich laut Finanzschätzungen inzwischen auf über 900 Milliarden Euro.
Bereits im Mai hatte Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) gefordert, dass künftig auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen sollen. Auch dieser Vorstoß war von Beamtenverbänden scharf zurückgewiesen worden. Die politische Richtung ist aber klar: Der Druck wächst. News4teachers
Kommentar: Beamtenstatus unter Beschuss – was wirklich hinter der Debatte steckt