BERLIN. Plötzlich reden Spitzenpolitiker über die angeblich zu hohen Kosten für Beamtinnen und Beamte – und fordern Einschränkungen des Status. Doch warum flammt diese Diskussion gerade jetzt auf, obwohl echte Reformen gar nicht in Sicht sind? Wer genauer hinschaut, erkennt: Es geht um etwas ganz anderes. Ein Kommentar von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.
Die Politik ist nicht eben dafür bekannt, Probleme mit Weitblick zu lösen. Beispiel Klimakrise: Dass in 25 Jahren dramatische Folgen eintreten werden, ist bekannt – gehandelt wird trotzdem nur im Krisenmodus. Umso erstaunlicher wirkt es, dass sich in den vergangenen Monaten Spitzenpolitikerinnen und -politiker plötzlich einem Thema widmen, das seine Brisanz erst in vielen Jahren entfalten wird: den Kosten für die Pensionierung von Beamtinnen und Beamten.
Von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), die eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung für Beamte ins Spiel brachte, über Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU), die eine längere Lebensarbeitszeit verlangt, bis hin zu CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der eine Einschränkung des Beamtenstatus auf „echte Hoheitsaufgaben“ fordert – Lehrkräfte ausdrücklich ausgenommen –, wurde die Debatte entfacht. Doch wer glaubt, dass nun in naher Zukunft eine strukturelle Neuordnung des Beamtentums bevorsteht, irrt. Weder werden verbeamtete Lehrkräfte in Massen in den Angestelltenstatus überführt, noch ist es realistisch, dass Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung gezwungen werden.
Worum es tatsächlich geht, ist sehr viel konkreter.
Unlängst wurden die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst des Bundes abgeschlossen, im Dezember folgen die Verhandlungen für die Länder. Das Ergebnis für Bund und Kommunen: lineare Gehaltserhöhungen – plus 3 Prozent ab April 2025 und plus 2,8 Prozent ab Mai 2026. Doch während Tarifbeschäftigte die Ergebnisse direkt spüren, müssen Beamte auf eine gesetzliche Umsetzung warten. Ein entsprechender Gesetzentwurf steht aus, im Gespräch sind lediglich Abschlagszahlungen ab Ende des Jahres. Gewerkschaften fordern eine „zeit- und wirkungsgleiche“ Übertragung – bislang ohne Erfolg.
“Seid froh, dass ihr euren Beamtenstatus behalten dürft – dann müsst ihr auch Einbußen hinnehmen”
Vor diesem Hintergrund erscheint die politische Debatte über eine angebliche „Reformbedürftigkeit“ des Beamtenstatus in einem neuen Licht. Offensichtlich geht es weniger um eine ferne Pensionslast als vielmehr um die aktuelle Verhandlungsposition: Wer öffentlich an den Grundpfeilern des Beamtentums rüttelt, kann leichter vermitteln, dass eine 1:1-Übertragung des Tarifergebnisses auf Beamte keineswegs selbstverständlich sei. Im Klartext: Seid froh, dass ihr euren Beamtenstatus behalten dürft – dann müsst ihr auch Einbußen hinnehmen.
Das ist eine gefährliche Schieflage. Denn es geht nicht nur ums Geld. Es geht um Wertschätzung.
Die Länder haben es seit Jahren nicht geschafft, eine höchstrichterlich geforderte Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte einzuführen – auch für verbeamtete. Stattdessen regieren Kultusministerien nach Gutdünken, während von den Lehrerinnen und Lehrern unbedingte Loyalität erwartet wird. Das erzeugt ein widersprüchliches Bild: Auf der einen Seite hält sich die Politik nicht an Regeln, die für sie selbst gelten müssten – auf der anderen Seite hält sie Lehrkräften vermeintliche Privilegien vor, ohne die eigentlichen strukturellen Probleme anzugehen.
Was jetzt nötig wäre: ein offener Diskurs darüber, welche Besonderheiten tatsächlich nicht mehr zeitgemäß sind – und welche Bedingungen dringend verbessert werden müssen. Ein aktueller Fall zeigt, dass es durchaus Reformbedarf gibt: Eine Studienrätin in NRW war über 15 Jahre krankgeschrieben, ohne dass der Dienstherr eine amtsärztliche Untersuchung veranlasste. Wohlgemerkt: bei vollen Bezügen. Erst 2025 wurde sie erstmals vorgeladen – und wehrte sich noch juristisch dagegen (allerdings vergeblich). Für Angestellte gilt etwas völlig anderes: Nach spätestens 78 Wochen Krankengeld werden sie ausgesteuert, der Arbeitgeber kann schon nach wenigen Monaten ein Gutachten verlangen.
Dieser Unterschied ist den Bürgerinnen und Bürgern kaum vermittelbar. Solche Privilegien gehören auf den Prüfstand. Gleichzeitig müssen aber Wertschätzung und die Einhaltung von Regeln durch die Politik zwingend gewährleistet sein – angefangen bei der Arbeitszeiterfassung. Nur wenn beides zusammenkommt, kann eine ernsthafte Diskussion über die Zukunft des Beamtenstatus geführt werden, die nicht bloß als Drohkulisse im Tarifpoker missbraucht wird. News4teachers