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Private Krankenversicherung: Kosten für Beamten-Beihilfe explodieren – Lehrkräfte werden zunehmend in die Gesetzlichen gelockt

BERLIN. Die Gesundheitskosten für Beamte steigen rasant. Und mit ihnen die Belastung der öffentlichen Haushalte. Besonders betroffen sind die Länder: Sie tragen den Großteil der Beihilfeausgaben, weil dort die meisten Beamten beschäftigt sind – darunter Hunderttausende Lehrkräfte. In Nordrhein-Westfalen etwa kletterten die Kosten allein binnen zwei Jahren um mehr als 21 Prozent. Ein neues Bundestagsgutachten liefert Zündstoff für eine hitzige politische Debatte.

Kinder sind frei. (Symbolbild.) Illustration: Shutterstock

Ein neues Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags zeigt die Dimension: Der Bund gab 2024 rund 6,6 Milliarden Euro für Beihilfen zu Gesundheitskosten aus – ein Plus von 14,8 Prozent gegenüber 2022. In den Ländern, in denen mit Lehrkräften (der größten Berufsgruppe), Polizisten und Justizangestellten die meisten Beamten beschäftigt sind, kletterten die Beihilfeausgaben von 11,3 Milliarden Euro (2022) auf 13,8 Milliarden Euro im Jahr 2024.

Finanziert werden diese Leistungen aus den Haushalten, also aus Steuereinnahmen; Rücklagen werden in der Regel nicht gebildet. Zu den Treibern zählen die allgemeine Kostenentwicklung im Gesundheitswesen, der medizinische Fortschritt – und die demografische Entwicklung. Beamte haben im Durchschnitt eine höhere Lebenserwartung als die Gesamtbevölkerung; die teuersten Krankheitsphasen fallen regelmäßig ins Pensionsalter. Langfristige Projektionen beziffern allein die Beihilfe für Versorgungsempfänger (Pensionäre, Witwen) von 3,8 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf bis zu 28,3 Milliarden Euro im Jahr 2050.

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Für die Länder ist der Trend schon jetzt spürbar – mit unmittelbaren Folgen für Schuletats und Personalpolitik. Beispiel Nordrhein-Westfalen: Das Land musste 2024 laut „Rheinische Post“ 4,1 Milliarden Euro für Beihilfe aufwenden, ein Plus von 21,1 Prozent gegenüber 2022. Der größte Anteil entfiel auf Pensionäre (zuletzt 2,2 Milliarden Euro). Das Finanzministerium in Düsseldorf bestätigt gegenüber dem Blatt die steigende Tendenz; die genauen Landeszahlen können abweichen, doch die Richtung ist eindeutig. Je weiter die Beihilfe wächst, desto weniger Spielraum bleibt im Etat – ein Umstand, den Schulleitungen etwa dann zu spüren bekommen, wenn zusätzliche Mittel für Vertretungen, multiprofessionelle Teams oder Schulbaukonjunktur gesucht werden.

Steigen medizinische Kosten und Lebenserwartung, steigen auch die Beihilfezahlungen

Wie funktioniert die Beamten-Gesundheitsversorgung? Angestellte – auch im öffentlichen Dienst – sind in der Regel gesetzlich krankenversichert; Arbeitgeber und Beschäftigte teilen sich die Beiträge etwa hälftig, Familienangehörige sind in der GKV beitragsfrei mitversichert. Für Beamte gilt ein eigenes System: Der Dienstherr erstattet als Beihilfe einen Teil der Aufwendungen – bei aktiven Beamten meist 50 Prozent, bei zwei oder mehr Kindern 70 Prozent; Kinder erhalten 80 Prozent, Pensionäre 70 Prozent. Den verbleibenden Anteil sichern Beamte gewöhnlich über eine private Krankenversicherung ab. Das Modell ist Teil der beamtenrechtlichen Alimentation – und damit unmittelbar an die Haushalte von Bund und Ländern gekoppelt.

Die Folge: Steigen medizinische Kosten und Lebenserwartung, steigen auch die Beihilfezahlungen. Genau hier setzt die Reformidee der Grünen-Bundestagsabgeordneten Linda Heitmann an, in deren Auftrag das Gutachten entstand. Heitmann will laut „Spiegel“-Bericht die sogenannte pauschale Beihilfe als echte Wahloption verbreiten: Bleiben Beamte in der gesetzlichen Krankenversicherung, übernimmt der Dienstherr pauschal 50 Prozent des GKV-Beitrags – ähnlich wie beim Arbeitgeberanteil von Angestellten.

Für viele junge Lehrkräfte ist diese Option attraktiv, weil Kinder und Partner in der GKV ohne eigene Prämien mitversichert sind. Mehrere Länder bieten die pauschale Beihilfe bereits an: Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen. Nordrhein-Westfalen plant laut Koalitionsvertrag eine einmalige Wahlmöglichkeit zu Beginn des Beamtenverhältnisses, zunächst befristet und mit späterer Evaluation. Die Gespräche dazu laufen.

Für Kollegien und Personalräte hätte eine echte Wahlfreiheit praktische Konsequenzen: Wer neu in den Schuldienst kommt, könnte – je nach Familien- und Einkommenssituation – zwischen klassischer Beihilfe mit PKV-Anteil und GKV mit pauschaler Beihilfe abwägen. Damit würden nicht nur individuelle Risiken anders verteilt; auch die öffentlichen Haushalte bekämen mittelfristig ein anderes Kostenprofil. Befürworter argumentieren, die pauschale Beihilfe führe zu mehr Planbarkeit und sorge für Anschlussfähigkeit an das solidarische System der GKV.

„Eine pauschale Beihilfe, also ein pauschaler Zuschuss für Beamte zur GKV, löst dieses Problem nicht“

Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) widerspricht vehement. PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther warnt in der „Rheinischen Post“ mit Blick auf die Finanznot von Bund und Ländern: „Eine pauschale Beihilfe, also ein pauschaler Zuschuss für Beamte zur GKV, löst dieses Problem nicht. Im Gegenteil: Sie würde die öffentlichen Haushalte sofort zusätzlich belasten.“ Gerade bei jungen Beamten, so Reuther, sei die pauschale Beihilfe teurer als die bisherige Lösung. Wer die sozialen Sicherungssysteme wirklich zukunftsfest machen wolle, müsse die kapitalgedeckte Vorsorge stärken: „Beamte in der Privaten Krankenversicherung tragen dazu entscheidend bei: Sie entlasten die öffentlichen Kassen und bilden Rücklagen.“

Heitmann hält dagegen: „Mit der Beihilfe wird das Geschäftsmodell der privaten Versicherungen gesichert – das Geld fehlt in unserem ansonsten solidarisch konzipierten Gesundheitssystem.“ News4teachers 

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