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Trotz Studenten-Schwemme: OECD kritisiert Deutschland für zu wenige Akademiker

BERLIN. Bundesbildungsministerin Wanka ärgert sich. So viele junge Leute wie nie zuvor streben derzeit in Deutschland einen Hochschulabschluss an – trotzdem mäkeln die Experten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem Bericht „Bildung auf einen Blick 2014“: Der Anteil der Hochgebildeten mit akademischen Abschluss steige so langsam wie in kaum einem anderen Industriestaat. Während in Deutschland inzwischen 28 Prozent der 25- bis 64-Jährigen über einen Studienabschluss verfügen, sind dies im OECD-Schnitt 33 Prozent.

Ist sauer: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Foto: wissenschaftsjahr / flickr (CC BY 2.0)

Johanna Wanka (CDU) hält dagegen, dass in Deutschland den jungen Menschen mit dem Studium wie der beruflichen Bildung «zwei gleichwertige Alternativen zu Verfügung stehen». Beide böten optimale Möglichkeiten für die berufliche Zukunft. Die OECD verweist allerdings wiederum darauf, dass die Einkommenskluft zwischen Akademikern und ausschließlich beruflich ausgebildeten Fachkräften in den vergangenen Jahren weltweit gewachsen sei – besonders drastisch aber in Deutschland.

Akademiker in Deutschland verdienen laut Bericht im Schnitt 74 Prozent mehr als Erwerbstätige, die weder zur Universität noch zur Fachhochschule gegangen sind oder einen Meisterkurs besucht haben. Im Jahr 2000 lag der Akademiker-Vorsprung beim Einkommen in Deutschland erst bei 45 Prozent. Im Schnitt der anderen Industrienationen beträgt der Lohnvorteil von Studierten 59 Prozent.

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Die OECD verweist zudem darauf, dass in Deutschland der Bildungserfolg eines jungen Menschen nach wie vor eng an seine soziale Herkunft gekoppelt ist, so stark wie in kaum einem anderen Industriestaat. Die OECD-Autoren beklagen «eine geringe Bildungsmobilität» zwischen den sozialen Schichten in der deutschen Gesellschaft. 58 Prozent der Erwachsenen erreichen den gleichen formalen Bildungsstand wie ihre Eltern. 24 Prozent sind besser ausgebildet. 18 Prozent fallen hingegen hinter die Qualifikationen ihrer Eltern zurück. Gerade für Schüler aus ärmeren Familien bleibe das Versprechen «Aufstieg durch Bildung» häufig in weiter Ferne, kritisiert der Leiter des Berliner OECD-Center, Heino von Meyer. Das Bundesbildungsministerium bezeichnet diese Zahlen als «nur sehr eingeschränkt» verwertbar. Wenn ein Akademikerkind eine praktische Berufsausbildung vorziehe, könne dies nicht als Abstieg bezeichnet werden.

Die GEW nimmt den Bildungsbericht gleichwohl zum Anlass, die nach wie vor unterdurchschnittlichen Bildungsausgaben Deutschlands zu kritisieren. „Es bleibt dabei: Bund und Länder haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Die Achillesferse des deutschen Bildungswesens: Es ist schlecht finanziert und sozial selektiv“, so sagt der der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller. „Die Bundesrepublik muss endlich mehr Geld ins Bildungswesen investieren.“ Seit Jahren mahnten die OECD, aber auch viele Bildungsstudien und -Experten einen deutlichen Zuwachs der Ausgaben an. „Die nach langem Gezerre endlich für die gesamte Legislaturperiode beschlossenen sechs Milliarden Euro sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Noch immer investiert Deutschland ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts weniger in Bildung als im OECD-Durchschnitt“, sagte Keller. Er machte deutlich, dass eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen notwendig sei, um die Herausforderungen für den Bildungsbereich zu stemmen. „Dafür muss das Kooperationsverbot fallen – und zwar komplett und sofort“, betont der GEW-Funktionär. Eine nachhaltige Bildungsfinanzierung müsse bei der anstehenden Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen oberste Priorität haben.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) schlägt in die gleiche Kerbe – und mahnt mehr Mittel insbesondere für die Kitas und Grundschulen an.  „Immer noch hängen die Bildungsinvestitionen von der Schuhgröße der Kinder ab“, kritisiert VBE-Vorsitzender Udo Beckmann. „Auch wenn der Kita-Besuch der unter Sechsjährigen in Deutschland auf sehr hohem Niveau liegt, muss für den Anfang der Bildungskarriere deutlich mehr getan werden“, so Beckmann. Es sei nicht hinnehmbar, dass der Grundschulbereich in Deutschland nach wie vor unterdurchschnittlich finanziert werde. „Bund und Länder müssen ihr Bildungsengagement endlich zusammendenken und auf ein Kooperationsgebot setzen.“

Beckmann weiter: „Erfolge, die durch den Ausbau der frühkindlichen Bildung erzielt werden, dürfen nicht durch die Unterbewertung der anschließenden Schulzeit gefährdet werden. Die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft kann man nur verringern, wenn die Grundschulen mehr Ressourcen für individuelle Förderung jedes Schülers bekommen.“ Der gute Anfang durch frühkindliche Bildung müsse fortgeführt werden können. „Das Problem ist seit PISA 2000 erkannt. Es ist höchste Zeit für eine grundsätzliche Aufwertung auch des schulischen Einstiegs“, bekräftigt der VBE-Chef.  News4teachers / mit Material der dpa

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