BERLIN. Nach dem vorläufigen Scheitern der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder rollt eine Streikwelle an. In den kommenden Tagen dürften vor allem viele Eltern schulpflichtiger Kinder eine alternative Betreuung organisieren müssen. Am Montag kam es zu ersten Warnstreiks im öffentlichen Dienst. Den Anfang machten rund 300 Beschäftigte an der Uniklinik Essen. Dort war nach Angaben einer Verdi-Sprecherin etwa ein Drittel der Operationssäle nicht in Betrieb, der Krankentransport lief mit Minimalbesetzung.
Von Dienstag an, dem 3. März 2015, wollen in mehreren Bundesländern angestellte Lehrer in den Ausstand treten. Davon gibt es in Deutschland insgesamt gut 200.000. Die knapp 650.000 verbeamteten Lehrer streiken nicht. In Berlin sind am Dienstag die Lehrer an Grundschulen zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen, weitere Schwerpunkte gibt es laut Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) dann unter anderem in Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. „Ein vernünftiger, normaler Unterricht wird in den nächsten Tagen an vielen Schulen nicht möglich sein“, sagte die Sprecherin der GEW in NRW.
Die Kernforderungen der Gewerkschaften lauten 5,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 175 Euro mehr, ein Ende von Befristungen ohne Sachgrund sowie Einstellungszusagen für Azubis. Als Hauptgründe für das vorläufige Scheitern der Tarifverhandlungen erwiesen sich aber starke Differenzen über die betriebliche Altersvorsorge und über die tarifliche Eingruppierung der Lehrer. Beim Verdienst sind die Unterschiede zwischen angestellten und beamteten Lehrern groß, außerdem werden sie in den Bundesländern unterschiedlich bezahlt. Die Gehälter klaffen laut Gewerkschaft unter anderem deshalb auseinander, weil die Länder uneinheitlich entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Lehrer den Beamtenstatus erhalten – mit Privilegien und insgesamt besserer Bezahlung.
Beispiel: Ein Techniklehrer am Berufskolleg würde in NRW nur als Angestellter eingestellt, geht er nach Rheinland-Pfalz, wird er Beamter. Bei angestellten Lehrern gibt es der GEW zufolge deutschlandweit über 1000 verschiedene Kriterien, nach denen in Gehaltsgruppen oder -stufen eingeteilt wird.
Weiterer Grund für die Schere bei der Bezahlung: Angestellte Lehrer zahlen Beiträge in Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung, und diese sind in den vergangenen Jahrzehnten stetig und deutlich gestiegen. Das wurde aber beim Bruttogehalt laut Gewerkschaft nicht ausreichend kompensiert. Die Pädagogen mit Beamtenstatus zahlen nur in eine private Krankenversicherung. Von Gehaltserhöhungen für die Angestellten im öffentlichen Dienst hätten die Beamten zugleich aber immer mitprofitiert, in der Regel mit einer 1:1-Übertragung. Bei der Altersvorsorge sehe es ebenfalls ungleich aus: Ein angestellter Pädagoge erhalte im Durchschnitt 42 Prozent seines Gehalts als Rente, der Beamte bekomme als Pension rund 70 Prozent seiner vorherigen Bezüge.
„Die Streiks werden nächste Woche eskalieren“, sagte der Vizechef des Beamtenbundes (dbb), Willi Russ, der Deutschen Presse-Agentur. Ausstände soll es zunächst bis zur nächsten Verhandlungsrunde am 16. und 17. März in Potsdam geben. Warnstreiks gibt es laut Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auch beim Küstenschutz, in Straßenmeistereien und Landesverwaltungen insgesamt. Der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske verteidigte die Arbeitsniederlegungen. Es könne nicht angehen, dass sich die Länder mit der Schuldenbremse selbst Fesseln anlegten und die Beschäftigten das dann ausbaden sollten, „zumal die Steuereinnahmen sprudeln“, sagte er der „Nordwest-Zeitung“. dpa
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