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Die KMK legt eine Strategie zur digitalen Bildung vor – und vergisst dabei die Ausstattung

BERLIN. Die Kultusministerkonferenz hat den Entwurf einer Strategie vorgelegt, mit der sie die Schulen in Deutschland digitalisieren möchte. Titel des 40-seitigen Papiers, das der „Rheinischen Post“ bereits vorliegt: „Bildung in der digitalen Welt“. Wie das Blatt berichtet, formulieren darin die  Bildungsminister und -senatoren der 16 Bundesländer, wie sie etwa den Unterricht, die Lehrerausbildung und die Nutzung von Bildungsmedien den „Herausforderungen der Digitalisierung“ anpassen wollen. Allerdings: Wie die technische Ausstattung finanziert werden soll, dazu findet sich so gut wie nichts in dem Entwurf.

Digitale Bildung? Die KMK meint: Ja, bitte – sagt aber nichts zu den Kosten. Foto: Thiago Marquez (CC BY-NC-SA 2.0)

Man stelle sich einen Architekten vor, der ein zu bauendes Haus entwirft, dabei seine Pläne in den schönsten Farben malt und in Gedanken die edelsten Materialien verwendet – aber die Kostenfrage komplett außen vor lässt und dem Bauherrn auf Nachfrage lapidar mitteilt: Ums Geld kümmern wir uns später, irgendwann mal. Unverantwortlich? Zumindest wenig vertrauenserweckend. Das muss wohl auch für die digitale Agenda der Kultusministerkonferenz (KMK) gelten, die nun in einer Entwurfsfassung vorliegt, in den kommenden Monaten mit den „Stakeholdern“ (also betroffenen Interessengruppen und dem Bundesbildungsministerium) diskutiert werden und dann bis Ende des Jahres verabschiedet werden soll.

In dem Papier heißt es laut „Rheinischer Post“, „neben die traditionellen Kulturtechniken Rechnen, Lesen und Schreiben” trete nun „der kompetente Umgang mit digitalen Medien“. Der Einsatz digitaler Werkzeuge im Unterricht sei kein Selbstläufer, schreibt die KMK, „ebenso wenig wie der Besitz eines Smartphones schon zu mehr Bildung führt“. Das ist zweifellos richtig, andersherum gilt aber auch:  Ohne technische Ausstattung gibt es keine digitale Bildung.  Wie die KMK die technische Ausstattung der Schulen vorantreiben will, soll bis Herbst 2016 auch mit der Wirtschaft besprochen werden, so ist laut Zeitungsbericht in dem Entwurf zu lesen. Ansonsten gebe es dazu keine weiteren Angaben.

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Schwerpunkte der Strategie seien die Unterrichtsgestaltung und Weiterentwicklung der Lehrerausbildung. Die KMK sei der Auffassung, „dass zumindest in den weiterführenden Schulen mittelfristig jede Schülerin, jeder Schüler jederzeit, wenn es aus pädagogischer Sicht im Unterrichtsverlauf sinnvoll ist, über digitale Hilfsmittel sowie über den Zugang zum Internet verfügen sollte.“ Alle Unterrichtsfächer seien davon betroffen, Schülern die „notwendigen Kompetenzen für ein Leben in einer digitalen Welt zu vermitteln”. Damit, so schreibt die „Rheinische Post“, spreche sich die KMK indirekt gegen das Konzept aus, die Vermittlung digitaler Medienkompetenz in einem einzelnen Schulfach zu bündeln. Die Idee, Programmieren als Schulfach verpflichtend einzuführen – wie von der SPD gefordert –, tauche in dem Papier nicht auf.

Die KMK-Präsidentin und Bremer Schulsenatorin Claudia Bogedan (SPD) sagt dazu: „Die Nutzung digitaler Medien kann zu einer Verbesserung der Unterrichtsqualität beitragen. Entscheidend ist dabei nicht, wie häufig oder wie lange die digitalen Technologie genutzt werden, sondern dass sie mit der bestehenden Didaktik klug verknüpft werden.“

Sechs Handlungsfelder

Microsoft-Managerin Renate Radon (der das unveröffentlichte Papier offenbar ebenfalls bereits vorliegt) würdigt die vorliegende Strategie: „Dem Entwurf der Kultusminister liegt (..) ein umfassendes und modernes Verständnis von Kompetenzen in einer digitalen Welt zugrunde. So soll die digitale Bildung generell in pädagogische Konzepte eingebunden werden, in denen das Lernen im Vordergrund steht”, schreibt sie in ihrem Blog. “Das Konzept zielt außerdem auf sechs Handlungsfelder ab; erstens die Bildungspläne und Unterrichtsentwicklung sowie curriculare Entwicklungen; Aus-, Fort- und Weiterbildung von Erziehenden und Lehrenden; Infrastruktur und Ausstattung; Bildungsmedien und Content; E-Government, Schulverwaltungs-Programme, Bildungs- und Campus-Managementsysteme; sowie sechstens die rechtlichen und funktionalen Rahmenbedingungen.“

Sie weist allerdings auf ein weiteres ungeklärtes Problemfeld hin: den Datenschutz. Der stelle häufig noch eine „scheinbar unüberwindliche Hürde“ dar. „Das lässt sich beispielsweise an den Diskussionen erkennen, die Pilotprojekte wie das digitale Klassenbuch (Berlin) auslösen.“

Was die fehlenden finanziellen Grundlagen des Konzepts angeht, zeigt sich Radon hingegen verständnisvoll: „Der Strategie-Entwurf geht bereits sehr konkret auf die Anforderungen an Lehrpläne oder die Aus- und Weiterbildung von Pädagogen und Lehrkräften ein, klammert aber wichtige Fragen wie Infrastruktur, Finanzierung und Verwaltung noch aus. Verständlich, dass man diese Fragen in einem gesonderten Prozess mit kommunalen Spitzenvertretern klären möchte, schließlich spielen die Kommunen bei der praktischen Umsetzung aller Vorhaben eine entscheidende Rolle.“

Wie bitte? Auf die Kommunen soll es bei der Digitalisierung der Schulen ankommen? Zur Erinnerung: Die Kommunen sind in Deutschland auch für die Schulgebäude zuständig – und haben einen Sanierungsstau von zusammen mittlerweile 32 Milliarden Euro zu verantworten. Für die Schulen in vielen Städten und Gemeinden bedeutet das: gravierende Baumängel von bröckelndem Putz über Fenster, die sich nicht öffnen lassen bis hin zu völlig unbrauchbaren Toiletten oder ganzen Räumen oder Gebäudeteilen, die nicht mehr betreten werden können.

Ein Sparmodell?

Soll die digitale Bildung – wie zuvor schon G8 und die Inklusion – etwa als Sparmodell für notleidende Kommunen und sparwillige Bundesländer eingeführt werden? Ganz abwegig scheint der Gedanke nicht zu sein. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) schlägt bereits den Bogen zu den Problemen, vor denen die Schulen derzeit stehen: „Mit digitaler Bildung können wir aktuelle bildungspolitische Herausforderungen wie die Integration von Flüchtlingen und die Inklusion besser bewältigen“, erklärt sie in einer aktuellen Pressemitteilung.

Was sie dabei nicht sagt: Ihr Ministerium ist bereits dabei, einen besonderen Aspekt der digitalen Bildung voranzutreiben: die offenen Lernmittel OER (Open Educational Ressources) – eine Art Schulbuch-Wikipedia, das perspektivisch von Lehrern gespeist und von Schulen genutzt werden soll. Unentgeltlich natürlich. Für die Kommunen, die für Schulbücher jährlich eine halbe Milliarde Euro aufwenden müssen, tatsächlich eine nette Sparperspektive. Andrej Priboschek, Agentur für Bildungsjournalismus

Zum Bericht: Neue KMK-Chefin will digitale Bildung voranbringen – mit den Smartphones der Schüler

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