DÜSSELDORF. Wird das Gymnasium die neue Gesamtschule? Immer mehr Eltern in Deutschland melden ihre Kinder an der vermeintlich besten Schulform an. Jetzt lässt eine Umfrage aufhorchen: Die Stadt Düsseldorf hat die Väter und Mütter aller Zweit- und Drittklässler angeschrieben, um deren Schulwahlpräferenz zu ermitteln. Ergebnis: 71 Prozent wollen ihr Kind auf ein Gymnasium schicken, wie die „Rheinische Post“ berichtet. Schulformen, die kein Abitur anbieten, scheinen keine Chance mehr bei den Eltern zu haben.
Michael Dr Gumtau / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Die Umfrage unter den Eltern von Sieben- und Achtjährigen ist sicher nicht gleichbedeutend mit der dann später tatsächlichen Schulwahl, und die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf ist auch nicht repräsentativ für ganz Deutschland. Aber der Trend ist in der Umfrage erkennbar: Jede andere Schulform neben dem Gymnasium gilt für die meisten Eltern allenfalls noch als Notlösung. Mehr als 10.000 Eltern waren von der Stadt Düsseldorf über die Schulen angeschrieben worden, gut 6.000 (57 Prozent) hatten die Fragebögen schriftlich oder online beantwortet.
Ergebnis: Ginge es – ungeachtet der Empfehlungen der Grundschullehrer – nur um die Präferenz der Väter und Mütter, würden sich 71 Prozent für ein Gymnasium entscheiden. Weit abgeschlagen folgen hinter dem Gymnasium die Gesamtschulen (die ja ebenfalls das Abitur anbieten) mit 14 sowie die Realschulen mit 13 Prozent. Lediglich ein Prozent der Grundschul-Eltern gibt an, ihr Kind an einer Hauptschule anmelden zu wollen. In Nordrhein-Westfalen ist der Elternwille bei der Schulwahl entscheidend; die Grundschulempfehlung hat nur beratenden Charakter.
Gravierende soziale Unterschiede
Bei der Umfrage fällt auf, dass es durchaus soziale Unterschiede bei der Präferenz fürs Gymnasium gibt – in wohlhabenden, bürgerlichen Stadtteilen klettert sie auf 85 Prozent, wogegen in sozial schwächeren Gegenden die Quote auf bis zu 52 Prozent sinkt. Und: Diejenigen, die ihr Kind aufs Gymnasium schicken möchten, sind offenbar auch die am besten Informierten. 83 Prozent dieser Befragten gaben an, sich bereits über die möglichen Gymnasien in der Nachbarschaft kundig gemacht zu haben – wohlgemerkt: ein bis zwei Jahre, bevor die Grundschule überhaupt ihre Empfehlung abgeben wird.
Zuletzt, so berichtet die „Rheinische Post“, wechselten in Düsseldorf 49 Prozent des Jahrgangs auf ein Gymnasium. Damit liegt Düsseldorf, trotz freier Schulwahl in NRW, durchaus im Durchschnitt vergleichbarer Städte. In Leipzig beispielsweise schlagen 50,4 Prozent der Schüler den Weg zum Gymnasium ein – obwohl im Freistaat der Notenschnitt am Ende der 4. Klasse entscheidend ist., „Fakt ist, dass an Schulen, wo der Migrantenanteil hoch ist – also erst Deutsch erlernt werden muss – und dort, wo sozial schwache Familien sich eine Wohnung noch leisten können, weniger Kinder den Weg auf das Gymnasium schaffen. In Vierteln dagegen, wo die Mieten sehr hoch sind, kehrt sich das Bild um“, so berichtet die „Leipziger Volkszeitung“ aktuell. Bei Grundschulen mit einer wohlhabenden Elternklientel bedeutet das: Bis zu 93,2 Prozent der Kinder bekommen eine Bildungsempfehlung fürs Gymnasium. Agentur für Bildungsjournalismus
Zum Bericht: Umgedrehtes Problem: Dieses Jahr wollen zu wenig Viertklässler aufs Gymnasium wechseln
Außer in Sachsen gibt es nur noch in Bayern, Brandenburg, Bremen und Thüringen bindende Empfehlungen. In etlichen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg wurde der Elternwille freigegeben. Der Anteil der Schüler in Gymnasien (gesamte Sekundarstufe I) ist zwischen 2003 und 2013 laut Statistischem Bundesamt allerdings in allen Bundesländern gestiegen – in Sachsen beispielsweise von 33,7 auf 39,2 Prozent. Bundesweit stieg der Anteil von 30,7 auf 34,3 Prozent.