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Jeder siebte Grundschüler hat eine Lernstörung – Wanka will den Schulen bald Hilfen anbieten

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BERLIN. Fast jedes vierte Grundschulkind in Deutschland hat Probleme, das Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen zu erlernen. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen sind die Lernschwierigkeiten so  gravierend, dass bei ihnen eine schulische Entwicklungsstörung, also eine Lese-, Rechtschreib- oder Rechenstörung, diagnostiziert wird. Bundesbildungsministerin Wanka reagiert jetzt auf den Befund – und lässt für die Schulen in Deutschland Diagnose-Instrumente und Fördermaterialien entwickeln.

Jedes vierte Grundschulkind hat Probleme, Lesen, Schreiben oder Rechnen zu lernen. Foto: Greg Westfall / flickr (CC BY 2.0)

Nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation liegt eine Lernstörung vor, wenn ein Kind eine schlechtere Leistungen als die Norm in mindestens einer der schulischen Grundkompetenzen Lesen, Rechtschreiben und Rechnen zeigt, obwohl seine Intelligenz weit bessere Leistungen erwarten lassen würde. Das betrifft in Deutschland 13,3 Prozent der Grundschüler, wie ein Forschungsverbund mehrerer Universitäten mit bundesweit über 2000 teilnehmenden Grundschülern im Auftrag des Bundesbildungsministeriums bereits 2012 herausgefunden hat. Dazu kommen der Untersuchung zufolge noch einmal die Fälle von Kindern, die bedeutend schlechtere Leistungen als der Durchschnitt erbringen, ohne dass allerdings eine deutliche Diskrepanz zwischen Intelligenz und Leistung bestünde, sodass bei insgesamt 23,3 Prozent der Kinder eine Lernschwäche in einer oder mehrerer der Grundkompetenzen besteht.

Studie: Jeder siebte Schüler hat eine Lernstörung

„Es ist unbedingt notwendig, dass Schwierigkeiten beim Lesen-, Schreiben- oder Rechnenlernen möglichst frühzeitig erkannt werden und den Kindern schon zu Beginn ihrer Schulzeit mit individueller Förderung geholfen wird“, sagt jetzt Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU). „Nur wenn sie diese wichtigen Kulturtechniken beherrschen, können sie an allen Aspekten des gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens teilhaben und alle Bildungschancen wahrnehmen. Hier liegt eine große Verantwortung der Länder und ihrer Schulen. Mit unserem neuen Forschungsvorhaben wollen wir sie dabei wirksam unterstützen.” Rund fünf Millionen Euro stellt Berlin dafür bereit.

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In dem Projekt werden wissenschaftlich fundierte Diagnose- und Förderinstrumente entwickelt und im Anschluss erstmals auf einer Online-Plattform zur Verfügung gestellt. So können sich künftig Schulen, Schulpsychologen, Lerntherapeuten, kommunale Jugendämter und Eltern über die Instrumente informieren und diese nutzen. Ziel ist es, dass evidenzbasierte Informationen sowie Instrumente und Konzepte der Diagnostik möglichst vielen Kindern und Jugendlichen mit schulischen Entwicklungsstörungen helfen.

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Prof. Gerd Schulte-Körne, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität München, und Prof. Marcus Hasselhorn, Direktor des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main, leiten das Projekt mit dem etwas sperrigen Titel: „Entwicklung und Implementation einer Online-Plattform zur Diagnostik und Förderung von Kindern mit einer umschriebenen Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten (OnDiFoe)“. Auch für die besonderen Bedürfnisse von Kindern, die Deutsch als Zweitsprache erlernen und Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben zeigen, sollen Möglichkeiten der schulischen Förderung erarbeitet werden. Besonders wichtig sind dem Forscherteam die schulischen Hilfen und die bisher vernachlässigten psychischen Belastungen, insbesondere von Ängsten der Schulkinder mit Lernstörungen. „Denn wer Angst vor Mathe und dem Vorlesen hat“, so heißt es in einer Pressemitteilung des Ministeriums, „traut sich weniger zu und verliert immer mehr die Motivation am Lernen.“

Praxistaugliches Material

In allen Bereichen arbeitet das Wissenschaftlerteam eng mit Praktikern zusammen, sodass alle Diagnose- und Förderinstrumente gut anzuwenden sein werden – verspricht das Ministerium. Die Forscher stellen beispielsweise Tests zur Verfügung, mit denen bereits in der Grundschule Risiken für Lernstörungen und psychische Belastungen festgestellt werden können. Hierzu entwickeln sie Fragebögen für Lehrkräfte, mit denen sie schnell und zuverlässig die Risiken für Lernschwierigkeiten eines Kindes feststellen können.

Immer größere Bedeutung in der Lernförderung bekommen laut Ministerium Computerspiele (sogenannte “Serious Games”), die basierend auf evaluierten Fördermethoden den Kindern spielerisch helfen, sich im Lesen, Rechtschreiben und Rechnen zu verbessern. „Dabei passen sich die Spiele dem individuellen Lernstand an und motivieren die Kinder durch eine schnelle Rückmeldung über Lernerfolge“, heißt es. Auch solche digitalen Materialien gehören zum künftigen Angebot der Plattform. Ein Termin, wann die Seite online geht, wurde nicht genannt. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

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