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Unkollegial? Gymnasiallehrer fordern Bildungsministerin auf, den Grundschullehrern „Schreiben nach Hören“ zu verbieten

MAINZ. Ist das unkollegial – oder sachlich geboten? Der Philologenverband Rheinland-Pfalz (der Gymnasiallehrer vertritt) will den Grundschulen im Land die Methode “Schreiben nach Hören” verbieten lassen. Von einem „Scherbenhaufen unzulänglicher Rechtschreibleistungen am Ende der vierten Klasse“ spricht der Verband – und heizt damit einen Streit wieder an, in dem zuletzt differenziertere Töne zu hören waren. Lassen sich nachlassende Rechtschreibkenntnisse tatsächlich auf falschen Unterricht in der Primarstufe zurückführen? Oder versuchen hier weiterführende Schulen, von der eigenen Verantwortung abzulenken? Das Überstülpen einer bestimmten Methode von oben sei jedenfalls nicht zielführend, befand etwa der VBE (dessen Mitgliederschaft sich vor allem aus Grundschullehrern zusammensetzt).

Wie viele Fehler sollen Lehrer bei Schreibanfängern tolerieren? Foto:
Jennifer Scarlett / flickr (CC BY-SA 2.0)

Laut Philologenverband fordert der Teilrahmenplan Deutsch der Grundschule in Rheinland-Pfalz, dass zunächst lautgetreu geschrieben wird – erst später werden dann sogenannte „rechtschreibwichtige Wörter“ durch die Lehrkraft verbessert. „Es kann aber nicht sein, dass sich so zwangsläufig fehlerhafte Schreibweisen einschleifen, die hinterher mühevolles Umgewöhnen erfordern. Es ist falsch verstandene Fehlertoleranz, wenn inkorrekte Schreibweisen jahrelang nicht verbessert werden“, sagte die Landesvorsitzende Cornelia Schwartz und betonte: „Auf diese Weise generiert man massenhaft Nachhilfebedarf; auch an vielen Gymnasien gehören entsprechende Nachhilfeangebote in Klasse 5 und 6 zum Alltag. Die dafür eingesetzte Zeit könnte sinnvoller genutzt werden; der Philologenverband fordert das rheinland-pfälzische Bildungsministerium daher zu einer Kehrtwende auf.“

“Schreiben nach Gehör” verboten! Grundschulen sehen sich im Streit um Rechtschreibung am Pranger

Für eine differenziertere Sicht der Dinge plädiert hingegen VBE-Chef Udo Beckmann. „Kinder lernen Sprache durch Hören und Nachahmen. Welche Buchstaben hinter den gebildeten Lauten stehen, wissen sie zunächst nicht“, meint er. „Entscheidend ist, Kinder so an die Schriftsprache heranzuführen, dass der Bruch zwischen dem Gehörten und Geschriebenen nicht zu groß ist. Dass dies gelingt, dafür sind Grundschullehrkräfte ausgebildet. Bei allen Kindern gehören Fehler zum Lernen dazu“. Beckmann: „Das Wesentliche ist, Fehler nicht als Schwäche anzusehen, sondern als Lernchance zu nutzen.“ Der Vorwurf, die „Reichen-Methode“ sei für den Unterricht nicht geeignet, ist dem VBE-Bundesvorsitzenden zufolge nicht haltbar. Es gebe viele Schulen, die erfolgreich basierend auf dem Spracherfahrungsansatz in Kombination mit einem systematisch aufgebauten Rechtschreibunterricht arbeiten.

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Von Verbot abgerückt

Zuletzt hatte Baden-Württembergs Kultusministerin und KMK-Präsidentin Susanne Eisenmann (CDU) ein Verbot von „Schreiben nach Hören“ in Aussicht gestellt – ist davon aber offenbar wieder abgerückt. In einem Brief an die Grundschulen ihres Landes hatte Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann noch im vergangenen Dezember das Aus für die umstrittene Schreiblernmethode verkündet – und war dafür massiv unter anderem vom Grundschulverband kritisiert worden. In einem Interview ruderte die Christdemokratin dann zurück: Diese Lehrmethode werde nicht verboten, erklärte die Christdemokratin in einem Interview im Februar. Dabei pochte sie nur noch darauf, dass „das reine lautorientierte Schreiben nicht ausreicht, um das Ziel der Grundschule im Bereich Rechtschreibung zu erreichen“.

Verbot von „Schreiben nach Gehör“ – Grundschulverband fordert Kretschmann auf: Schreiten Sie ein! Stoppen Sie die Kultusministerin!

Auch die neue Schulministerin von Nordrhein-Westfalen, Yvonne Gebauer (FDP), scheint im Amt eine neue Beurteilung der Arbeit in den Grundschulen entwickelt zu haben. 2014 noch forderten die Liberalen (Gebauer war damals schulpolitische Sprecherin der Fraktion) in einer eigens von ihnen anberaumten Landtagsanhörung das Verbot von „Schreiben nach Hören“. Tatsächlich ergab die Anhörung, dass die „Methode Reichen“ (ursprünglich entwickelt vom Schweizer Reformpädagogen Jürgen Reichen) in Grundschulen praktisch nicht mehr in Reinform genutzt wird. Es herrsche Konsens darüber, dass alle Kinder von Anfang an die Einsicht in rechtschreibliche Prinzipien bräuchten, berichtete die Grundschuldidaktikerin Prof. Agi Schründer von der Universität Potsdam.

In der vergangenen Woche nun erklärte Gebauer, in einem Interview auf das Thema angesprochen, zwar immer noch: „Ich bin keine Freundin dieser Methode.“ Gleichzeitig aber räumte sie ein: „Schreiben nach Hören“ könne für Erstklässler sinnvoll sein. Die Ministerin werde zunächst Gespräche führen und Erfahrungen anderer Bundesländer auswerten, erklärte danach ein Ministeriumssprecher. Derzeit sei nicht geplant, die Methode kurzfristig per Erlass zu untersagen. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

Streit um “Schreiben wie Hören”- FDP sieht Rechtschreibung bedroht

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