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Gastbeitrag: Was ist ein guter Lehrer? Oder: Der Lehrer als Wissensvermittler – und Magier

OLCHING. In den Medien wird regelmäßig eine bessere Lehrerausbildung an den Universitäten angemahnt. Doch wie soll diese aussehen? Was macht einen wirklich guten Lehrer* aus? Hier beginnt die Not, denn man kann zwar vielleicht noch die Vermittlung von Wissen einüben und irgendwie messen und beurteilen, sowie den Erfolg dieses Bemühens in Tests, Schulaufgaben und Prüfungen feststellen. Die Fähigkeit jedoch, „es“ mit Kindern und vor allem mit Jugendlichen in der Pubertät zu können, kann kaum mehr „gemacht“, antrainiert und gelehrt werden. Diese Fähigkeit entzieht sich jeder Operationalisierung. Wenn eine altersgerechte Kommunikation und eine stimmige Beziehungsebene zwischen Lehrer und Schülern aber fehlen, läuft gar nichts mehr. Hier geht es wohl auch um ein Stück „Magie des Lehrerberufes“, um den Lehrer als Magier also, ja um eine wirkliche Berufung zum Pädagogen.

Streit um die Lehrerausbildung
Doch hören wir uns zunächst den Bericht mit dem Titel „Mehr Klasse für die Klasse“ an, der Mitte Februar 2015 in der Süddeutschen Zeitung zu lesen war. Darin wird informiert, dass der Bund eine halbe Milliarde Euro zusätzlich in die Ausbildung von Lehrern stecken will. Zu Recht wird in dem Bericht angemerkt: „Ein Wettkampf der Ideen beginnt.“ Denn schon wieder sind wir dann bei der Frage angelangt: Was ist ein guter Lehrer, der Klasse hat? Hier in Auszügen einige Gedanken aus diesem Bericht:

In dem Artikel wird zudem darüber reflektiert, zukünftige Lehrer in „Castings“ auszuwählen, damit für den Lehrerberuf ungeeignete Kandidaten rechtzeitig die Rückmeldung bekommen können, dass sie womöglich den falschen Berufsweg eingeschlagen haben.
Ins gleiche Horn bläst dann etwas später ein weiterer Artikel in der Süddeutschen Zeitung mit dem Titel „Wunderwesen gesucht. Autorität, Humor, Fachwissen – was macht einen guten Lehrer aus?“ Wiederum geht es um die Qualitätsoffensive, die frischen Wind in die Lehrerausbildung bringen soll. Es werden erneut, wie schon im vorherigen Zeitungsartikel, die Fragen gestellt: „Wie genau werden Pädagogen besser ausgebildet? Und wie soll er denn überhaupt sein, der ideale Lehrer?“

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Nicht alles, was einen guten Lehrer ausmacht ist erlernbar. Foto Alper Çuğun / flickr (CC BY 2.0)

Auch in diesem Zeitungsartikel wird nicht ausgeführt, was denn einen „guten“ Lehrer konkret ausmachen könnte und welche Qualitäten er im einzelnen neben hohen wissenschaftlichen Kenntnissen in seinen gewählten Fächern haben soll. Wie sollen beim Lehrer das Fachliche und das Menschliche zugleich erfüllt werden können? Hier beginnt die Magie der Pädagogik, die man nicht mehr erklären, sondern höchstens noch an konkreten Unterrichtssituationen feststellen kann. Diese Magie ist aber unbedingt nötig, um auf Dauer Klassen begeistern und für den Unterricht gewinnen zu können.

Sternstunden der Pädagogik
Das Anliegen dieses Artikels ist es, genau diesen Aspekt des Lehrerberufes aufzuzeigen, der gar nicht mehr im Letzten rational erklärt oder eingefangen werden kann, der nicht mehr operationalisierbar ist und sich daher jeder Statistik entzieht. Vielleicht braucht es einen „alten Fuchs“ des Lehrerberufes, um dazu überhaupt etwas Substantielles und Konkretes sagen zu können. Ich möchte dies zumindest versuchen. Worin besteht nun diese Magie des Lehrers, ohne die ein guter Unterricht auf Dauer nicht auskommt? Worin kann das „Mysterium des Unterrichtens“ liegen? Wo also zeigt sich der „Archetyp“ des Magiers im Unterricht?

Im Folgenden möchte ich von einer Stunde aus meiner eigenen Unterrichtspraxis als Physik- und Religionslehrer erzählen, die mir persönlich im Nachhinein als „Sternstunde der Pädagogik“ erschienen ist. Ich glaube, jeder Lehrer, der seinen Beruf wirklich liebt, wird ab und zu derartige besondere Unterrichtssituationen erleben können. Mir ist bewusst, dass solch eine Unterrichtsstunde, wenn sie denn überhaupt entsteht, ein absolutes Geschenk für den Lehrer und für die Klasse ist und nur in den seltensten Fällen wiederholt werden kann. Man kann als Lehrer höchstens den Rahmen dafür setzen und dann wahrnehmen, dass jetzt gerade während der Unterrichtsstunde etwas Besonderes, Magisches, ja Heiliges in den Köpfen und Herzen der Schüler geschieht. So etwas kann niemals „gemacht“ werden. Womöglich geht einem dies selbst als Lehrer erst nach solch einer Stunde auf. Wichtig ist aber, dass man sich dies bewusst macht. Und man kann in einem solchen Fall nur voll Dankbarkeit konstatieren, dass sich soeben etwas Zauberhaftes, Magisches, also eine Sternstunde der Pädagogik, ereignet hat.

Aus der Unterrichtspraxis: Naturwissenschaft oder Religion – wer hat recht?
Der erste Themenkreis im Gymnasial-Lehrplan für Katholische Religionslehre der 8. Klasse in Bayern lautet: „Gottes Schöpfung – Gabe und Aufgabe für den Menschen“. Zunächst werden in den ersten Stunden einige Schöpfungsmythen und Kosmologien früherer Völker dargelegt und deren Auffassungen von Göttern, Welt und Kosmos erläutert – etwa die der Babylonier, der Azteken oder von Indianervölkern. Dem werden dann heutige wissenschaftliche Theorien der Astrophysik (Urknall, Galaxien, Schwarze Löcher) und der Evolutionstheorie etwa von Charles Darwin gegenübergestellt. Schließlich werden die beiden Schöpfungsberichte der Bibel, Buch Genesis Kapitel 1 bis 3, ausführlich behandelt und die darin enthaltene Position Gottes, sowie die Aufgaben des Menschen herausgearbeitet. In einer der letzten Stunden dieser Unterrichtsreihe bitte ich dann die Schüler regelmäßig, sich folgende drei Fragen zu notieren:

In der darauffolgenden Stunde lasse ich alle Schüler einzeln zu Wort kommen und sammle ihre Antworten und ihre neu aufgebrochenen Fragen, die sie zu Hause notiert haben. Danach versuche ich darauf einzugehen. Fragen zur Religion, sowie Sinn- und Existenzfragen beantworte ich als Religionslehrer. Bei Fragen bezüglich der Weltentstehung und der heutigen Astrophysik verweise ich die Jugendlichen auf ihren Physiklehrer, der ich aber in Personalunion wieder selber bin. In vielen 8. Klassen geht es an dieser Stelle richtig zur Sache. Denn die Schüler haben Fragen über Fragen und ich kann förmlich beobachten, wie die Köpfe der Schüler zu „rauchen“ beginnen, bisherige (Kinder)Vorstellungen zerbrechen und einstürzen und wie fast bei jeder Frage, die in der Klasse gestellt und dann beantwortet wird, sich das Bewusstsein der Schüler ausbeult, dreht, wandelt, neu bildet oder sich ein Stück erweitert.
Manche Fragen kann ich naturwissenschaftlich schnell beantworten oder etwa auf Einträge bei Wikipedia verweisen. Bei einigen Fragen muss ich passen oder mich selbst erst genauer informieren. Wieder andere Fragen kann ich nur als religiös und spirituell ausgerichteter Mensch aufgrund meiner eigenen Erfahrungen und Einstellungen ganz persönlich beantworten. Wichtig ist jedoch, dass ich hier ganz ehrlich bin, auch zugeben kann, wenn ich keine Antworten auf die eine oder andere Frage weiß und den Schülern klar sage, dass dies jetzt meine ganz persönliche Meinung und Überzeugung dazu ist.

Peter Maier ist Gymnasiallehrer in Bayern. (Foto: privat)

Nicht in jeder, aber in vielen 8. Klassen waren diese Unterrichtsstunden eine Nahtstelle im ganzen Schuljahr – Sternstunden der Pädagogik, die mich als Lehrer sehr ergriffen und erfüllt haben und die Schüler, soweit ich dies bei einer abschließenden Gesprächsrunde dann feststellen konnte, äußerst anregen und beflügeln konnten. Als Lehrer kann man förmlich beobachten, wie bei vielen Schülern an Hand dieser Themen und Fragen, die in diesen Unterrichtsstunden aufgeworfen und – hoffentlich – auch beantwortet werden können, ein großes Stück Reife und Persönlichkeitsbildung, wichtige Schritte in der Ausformung des eigenen Weltbildes, sowie eine geistig-seelische Weiterentwicklung geschehen.

Die Jugendlichen holen gerade in solchen Stunden geistig nach, was körperlich mit dem Eintritt in die Pubertät bereits begonnen hat: Sie verlassen die Kindheit und gehen zunehmend in ihr eigenes Leben. Es handelt sich in diesen Stunden also letztlich um einen initiatorischen Prozess, der mittelfristig und schrittweise zum Erwachsenwerden führt.

Schülerfragen, die das Wesen unseres Menschseins berühren
Nachfolgend einige der von den Schülern bei dieser Gelegenheit aufgeworfenen Fragen:

Fazit: Ich glaube, dass sich in jedem Fach und bei jedem Lehrer solche Sternstunden der Pädagogik gelegentlich ereignen können, die den Unterricht würzen, die Schülerherzen höher schlagen lassen und den Schulalltag bereichern können. Ich möchte allen Kollegen Mut machen, offen für solche magischen Stunden zu sein, die mit großer Wahrscheinlichkeit Lehrern wie Schülern dauerhaft in Erinnerung bleiben. Ein guter Unterricht kommt nicht ohne diese Art von Magie aus und ein guter Lehrer sollte diese Magie ermöglichen, zulassen und entstehen lassen…

Peter Maier
(Gymnasiallehrer, Jugend-Initiations-Mentor und Autor)

*Selbstverständlich sind mit Lehrer stets Lehrerinnen und Lehrer, mit Schüler Schülerinnen und Schüler und mit Pädagogen Pädagoginnen und Pädagogen gemeint.

Über den Autor

Peter Maier ist Gymnasiallehrer, Jugend-Initiations-Mentor und Autor. Weitere Infos und Buch-Bezug unter: www.initiation-erwachsenwerden.de

Bereits erschienene Bücher:

• „Initiation – Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft. Band I: Übergangsrituale“. ISBN 978-3-86991-404-6 (18,99 €, Epubli Berlin)

• „Initiation – Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft. Band II: Heldenreisen.“ ISBN 978-3-86991-409-1 (19,99 €, Epubli Berlin)

• „Schule – Quo Vadis? Plädoyer für eine Pädagogik des Herzens“. ISBN: 978-3-95645-659-6 (20,99 €, Epubli Berlin)

Das aktuelle Buch des Autoren ist im Epubli-Verlag erschienen.

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