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Studie legt nahe: Muslimische Schüler eher seltener radikal als nicht-muslimische

HANNOVER. Eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen sorgt für Aufregung. „Von rund 300 befragten muslimischen Schülern der neunten Klasse in Niedersachsen kann sich jeder Dritte von ihnen gut vorstellen, selbst für den Islam zu kämpfen und sein Leben zu riskieren“, heißt es beispielsweise in einem Bericht der „Welt“. Die Zeitung schlussfolgert daraus: „In deutschen Klassenzimmern gibt es islamistische Tendenzen.“ Auch im Forum von News4teachers wurde gar eine Verschwörungstheorie gesponnen. Wurde die Umfrage, die bereits 2015 erstellt wurde, zurückgehalten, „um die Öffentlichkeit nicht zu verunsichern“, wie ein Leser mutmaßt? Die Wahrheit ist viel banaler – die Studie ist nämlich viel zu klein, um repräsentative Aussagen zu treffen. Und: Die Ergebnisse sind alles andere als ein Beleg für einen wachsenden Extremismus unter jungen Muslimen. Sie zeigen sich darin, im Gegenteil, sogar seltener politisch radikal als nicht-muslimische Altersgenossen.

Für die Studie waren 10.000 Neuntklässler befragt worden, davon 500 muslimische. Foto: Shutterstock

Die angeblich „brisante Erkenntnis“ verstecke sich in Kapitel 4, Unterpunkt 1, der Studie, die den generellen Zusammenhang von Gewalttaten und Zuwanderung untersucht, so heißt es in der „Welt“. Unter der Überschrift „Extremismus und fundamentalistischer Islamismus“ wiesen die Wissenschaftler „auf einen beachtlichen Anteil muslimischer Schülern hin, die islamisch motivierte Gewalt und Terror begrüßen“. Überschrift des Beitrags: „Islamistische Tendenzen im Klassenzimmer“. Er wäre allerdings besser „Rechtsradikale und linksradikale Tendenzen im Klassenzimmer“ betitelt worden. Denn das Fazit der Forscher, das die „Welt“ in ihrem Beitrag unterschlägt, lautet: Unabhängig von den Antworten auf einzelne Fragen lässt lediglich jeder neunte muslimische Neuntklässler, der in der Umfrage dazu Angaben gemacht hat (und das war nur gut die Hälfte), insgesamt eine islamisch extremistische Einstellung erkennen. „Werden die hier ebenfalls berichteten Raten zu rechtsextrem und linksextrem eingestellten Jugendlichen zum Vergleich herangezogen, so ist dieser Anteil nicht übermäßig hoch.“

Ergebnisse im Einzelnen:

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Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass insgesamt 500 muslimische Schüler im Rahmen einer großen Schülerbefragung (10.000 Teilnehmer) befragt worden waren – dass auf die Fragen zu extremistischen Einstellungen aber nur rund 280 der muslimischen Teilnehmer geantwortet hatten. Die angeführten Zustimmungsquoten können also gegenüber der Grundgesamtheit der befragten Moslems nochmal halbiert werden. Trotzdem empfehlen die Forscher, den „insgesamt nicht übermäßig hohen Anteil islamisch fundamentalistischer Jugendlicher in jedem Fall ernst zu nehmen“.

Links- und rechtsradikale Tendenzen

Genauso ernst übrigens wie rechts- und linksradikale Tendenzen unter Jugendlichen in Deutschland: „Auch wenn die Schülerbefragungen keine Bestätigung für den Anstieg des Rechtsextremismus liefern, so verdeutlichen sie doch, dass rechtsextreme Einstellungen recht weit verbreitet sind und allein deshalb als ein Bereich gelten sollten, dem erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken ist. Etwa ein Fünftel der Jugendlichen sind eher ausländer- oder muslimfeindlich; jeder Neunte identifiziert sich mit nationalistischen Gedanken.“ Ähnliches gilt für linksextreme Einstellungen – hier war sogar ein Anstieg zu erkennen: „‘Heutzutage werden die Menschen von den Reichen und Mächtigen ausgebeutet.‘ oder ‚Wirklich frei können wir nur dann sein, wenn der ganze Staat abgeschafft wird.‘ Im Jahr 2013 stimmten diesen Aussagen 5,9 % der Befragten zu, 2015 bereit s 7,1 %.“ bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

Hier lässt sich die Studie herunterladen.

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