In den Schreiben der Berliner Schulleitung sei um eine zusätzliche Sozialarbeiterstelle gegangen, um die Reparatur der Schließanlage sowie um den – nun ja bewilligten – Sicherheitsdienst, weil die Gewalt immer mehr eskaliert und die Schülerschaft nicht mehr zu bändigen sei, so berichtet der „Tagesspiegel“. Die Rede sei darin auch von Gewalt gegen Schulpersonal und sogar von Morddrohungen unter den Schülern gewesen. „Zudem wurden die Vorgesetzten darüber informiert, dass sich neue Lehrkräfte angesichts der Zustände in den Klassen entweder sofort in die Krankheit flüchteten oder überwiegend damit beschäftigt seien, Schüler am Verlassen des Klassenraums zu hindern“, heißt es in dem Bericht.
Und die Gewalt nehme kein Ende: Erst vor wenigen Tagen habe ein Schüler einer Mitschülerin eine volle Wasserflasche mit Wucht gegen den Kopf geworfen, sodass ein Sanitäter habe anrücken müssen. Die in die Schule zitierte Mutter des Täters habe ihren Sohn dann damit entschuldigt, dass das Mädchen ihn ja auch beleidigt habe.
Die „Schlagzeilen, in denen von Resignation und Ohnmacht der Schulen die Rede ist, weil immer mehr Schüler durch ihr Verhalten schon im Grundschulbereich massiv andere Kinder vom Lernen abhalten“, nehmen zu, stellt nun der VBE Baden-Württemberg fest – offenbar auch mit Blick auf den Fall einer Dorfschule in Sachsen-Anhalt, die sich in einem Brandbrief an die Eltern ihrer Schüler gewandt hat. „Die Problematik äußert sich im Unterrichts- und Pausengeschehen in extremer körperlicher Gewalt, Körperverletzungen anderer Schüler, dem Nichteinhalten bekannter Verhaltensregeln oder durch Nichtkenntnis von Regeln des zwischenmenschlichen Umgangs, Sabotage des Unterrichts durch permanente Störungen und Schlägereien, unerlaubtes Verlassen des Unterrichts, Sabotage des Unterrichts durch Nichterscheinen zum Unterricht oder durch Verstecken auf dem Schulgelände“, so schreiben die Lehrer. Die Rede ist auch von einer „entwickelten Gefühlskälte“ von Kindern gegenüber Mitschülern. Verletzungen würden billigend in Kauf genommen.
Weil viele Kinder von zu Hause nicht mehr die Erziehung erfahren dürfen, die für eine gesunde Entwicklung nötig ist, so meint nun VBE-Sprecher Michael Gomolzig, werde den Kindertagesstätten und Schulen eine Sisyphusarbeit aufgebürdet, an der diese Einrichtungen scheitern müssen – trotz aller bildungspolitischen Offensiven und pädagogischen Bemühungen der Erzieherinnen und der Lehrkräfte. „Kindergärten und Schulen sind angewiesen auf starke, interessierte und engagierte Eltern als Partner für die Erziehung der Kinder und Jugendlichen zu mündigen, verantwortungsvollen Bürgern“, so schreibt er in einer Pressemitteilung.
“Eltern gefordert”
„Zuallererst sind bei der Bildung und Erziehung der Kinder die Eltern gefordert, dann unterstützen Kindergärten und Schulen diese bei ihrem heute sicher nicht einfachen Erziehungsauftrag. Was in frühester Kindheit aus Unwissenheit, Nachlässigkeit oder auch Bequemlichkeit versäumt worden ist, lässt sich später – wenn überhaupt – nur mit großer Kraftanstrengung und hohem finanziellen Aufwand wieder ausbügeln.“ Deshalb müsse nach Auffassung des VBE sinnvollerweise dort angesetzt werden, wo sich am meisten bewirken lasse: schon beim Kleinkind. „Alles andere später artet meist nur in mehr oder minder hilflose Reparaturversuche aus“, so meint Gomolzig.
Weiter betont er: „Exzessiver Medienkonsum – vom ständig eingeschalteten Handy über den Computer, DVD-Player und TV-Apparat bis hin zur Spielekonsole – und in Erziehungsfragen grenzenlos nachgiebige, bisweilen sogar vernachlässigende oder gleichgültige Eltern erschweren Kindern und Jugendlichen, in der Schule konzentriert und selbständig zu arbeiten.“ Lehrer müssten daher oft, bevor sie ihren eigentlichen Bildungsauftrag wahrnehmen können, erst einmal Basis-Erziehungsarbeit leisten, damit Unterricht in vollen Klassen überhaupt stattfinden und gelingen kann.
„Dieser tägliche Spagat zwischen dem eigenen hohen Anspruch an sich selbst, an einen effektiven Unterricht, und der vorgefundenen Realität ist Stress pur und macht den Pädagogen das Leben unnötig schwer und sie letztendlich krank“, so meint der VBE-Sprecher. Erziehung sei heute nötiger denn je, könne jedoch nicht einziger Stundeninhalt sein. Unterricht müsse schwerpunktmäßig Unterricht bleiben und dürfe nicht zur Therapiestunde umfunktioniert werden. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus