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Gleiche Fehlerzahl – schlechtere Note: Migrationshintergrund macht offenbar den Unterschied

MANNHEIM. Ein Befund, wie geschaffen, die aktuelle Integrationsdebatte zu befeuern: Eine Studie der Uni Mannheim zeigt, dass Grundschulkinder mit ausländischen Wurzeln im Fach Deutsch von angehenden Lehrkräften schlechter benotet werden – bei gleicher Leistung.

Die aktuelle Integrationsdebatte nach dem Rücktritt von Mesut Özil aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft trifft auch die Schulen. Die Verunsicherung ist groß. Der differenzierte Blick auf die Bildungsdaten zeigt verbesserte Werte hinsichtlich der Integration von Migrantenkindern. Doch längst ist noch nicht alles zum Besten bestellt. Das zeigt auch eine neue Studie der Universität Mannheim.

Hatten die Bildungsforscher bereits im letzten Jahr herausgefunden dass Migrantenkinder im Fach Mathematik bei gleicher Sprachfertigkeit und sozialer Herkunft auf dem Gymnasium im Vergleich zu ihren Mitschülern ohne Migrationshintergrund schlechter bewertet wurden. Nahmen sie dieses Mal Grundschulkinder und das Fach Deutsch in den Blick.

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In einer experimentellen Studie legten die Mannheimer Wissenschaftler 204 Studenten einer pädagogischen Hochschule Diktate zur Bewertung vor, die vermeintlich von Schülern der dritten Klasse geschrieben waren. Durch das Design des Experiments wurden die Probanden in dem Glauben gelassen, an einer Studie zum Einfluss verschiedener Merkmale von Lehrern auf die Leistungsbewertung teilzunehmen

Die eine Hälfte der Probanden erhielt Diktate mit jeweils fünf Fehlern, die andere sollte Diktate mit 30 Fehlern beurteilen. Nachdem sie einen Fragebogen zu eigenen demografischen Merkmalen ausgefüllt hatten, wurden sie aufgefordert, die Diktate zu korrigieren, die Fehlerzahl zu notieren und eine Note zu vergeben. In der Einleitung erhielten sie die Information, das Diktat sei von Murat oder von Max geschrieben. Im Anschluss ermittelten die Forscher schließlich die impliziten Einstellungen der angehenden Lehrer zu den Leistungen von Kindern mit Migrationshintergrund anhand eines Tests, bei dem sie Menschen auf Fotos bestimmte Eigenschaften zuordnen mussten.

Im Ergebnis zeigte sich, dass „Murat“ durchweg schlechtere Noten erhielt, als „Max“. Unabhängig von der Zahl der gefundenen Fehler leiteten die Beurteiler aus der gleichen Fehlerzahl unterschiedliche Noten ab – mit Nachteil für die vermeintlich türkischen Schüler. Entsprach das Diktat mit 30 Fehlern einer schlechten Leistung, fiel dabei der Unterschied deutlicher aus, als bei einer vermeintlich durchschnittlichen Leistung mit fünf Fehlern.

Max versus Murat: Grundschulkinder mit türkischem Hintergrund erhielten schlechtere Noten im Diktat. Foto: White77 / pixabay (CC0) (bearbeitet)

Offensichtlich liege das Problem also nicht in der Ermittlung der Fehler, sondern in der Notensetzung, im Übrigen weitgehend unabhängig von der inneren Einstellung der Studenten. Überraschend für die Forscher war allerdings, dass Lehramtsstudenten mit einer eher positiven Einstellung zur Schulleistung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund die schlechten Diktate von „Murat“ noch einmal strenger bewerteten, als diejenigen mit eher negativer Erwartung.

Trotz dieses überraschenden Befunds ist sich Meike Bonefeld, die die Auswertungen geleitet hat sicher: „Unsere Studie liefert neue Ansatzpunkte für die Lehrkraftausbildung“. Nach ihrer Ansicht sollten „Vor allem die Bewertungsstandards vereinheitlicht werden, damit angehende Lehrerinnen und Lehrer in Zukunft Noten nach objektiveren Standards vergeben“.

Im weiteren Verlauf ihrer Studien wollen die Forscher herausfinden, wie die Urteilsprozesse der Lehrer bei Notenvergabe ablaufen und was die Gründe für die festgestellten Unterschiede sind. Diese Mechanismen zu verstehen und zu durchbrechen, sei eine wichtige Herausforderung für zukünftige Forschung, so Bonefeld. (zab)

Studie “(Biased) Grading of Students‘ Performance: Students‘ Names, Performance Level, and Implicit Attitude” als Open Access-Manuskript („Frontiers in Psychology“, Juni 2018)

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