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Fürchten Sie, über die AfD-„Meldeportale“ denunziert worden zu sein? Was die GEW betroffenen Lehrern rät

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BERLIN. Angesichts des von der AfD auch in Berlin geplanten „Meldeportals“, über das Eltern und Schüler anonym parteikritische Lehrer melden sollen, hat die GEW der Bundeshauptstadt alle Kolleginnen und Kollegen aufgerufen, Haltung zu zeigen und sich nicht einschüchtern zu lassen. „Lehrkräfte haben den Auftrag, Persönlichkeiten heranzubilden, die fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus entgegenzutreten und ihr Leben auf der Grundlage von Demokratie und Menschenrechten zu führen. So steht es im Berliner Schulgesetz. Die AfD verfolgt eine Politik, die fremdenfeindliche, rassistische und sexistische Einstellungen und Handlungen befördert und in der gesellschaftlichen Mitte zu verankern sucht. Eine kritische Auseinandersetzung mit der AfD im Unterricht ist aus unserer Sicht daher dringend nötig“, erklärt der GEW-Landeschef Tom Erdmann.

Lehrer können sich gegen die AfD-Aktion zur Wehr setzen. Illustration: Shutterstock

Die AfD plant offenbar in neun weiteren Bundesländern den Start von „Meldeportalen“ gegen parteikritische Lehrer. Als erstes war eine solche Seite, über die Schüler und Eltern anonyme Beschwerden über Lehrer an die AfD schicken können, in Hamburg gestartet worden (News4teachers berichtete) – dort sollen nach Angaben der Partei bereits Meldungen über angebliche Verfehlungen von Lehrkräften eingegangen sein. In Berlin wird eine solche Seite nach AfD-Angaben am 22. Oktober gestartet.

Die AfD pocht bei ihrer Aktion darauf, dass Lehrer zur Neutralität verpflichtet seien. „Neutralität heißt nicht, demokratiefeindliche Positionen unwidersprochen hinzunehmen. Im Gegenteil, Lehrkräfte sind verpflichtet, die Verletzung von Demokratie und Menschenrechten klar zu benennen und dagegen Stellung zu beziehen. Vor dem Hintergrund der derzeitigen politischen Entwicklungen ermutigen wir alle Pädagoginnen und Pädagogen, sich auch in der Schule gegen Ausgrenzung und für Vielfalt einzusetzen“, betont nun Erdmann.

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Die Bestrebungen der AfD gingen in die Richtung, eine kritische Auseinandersetzung im Unterricht zu unterdrücken, Schüler zu instrumentalisieren und Kritiker zu denunzieren. Dies bestätigt nach Auffassung der GEW die undemokratische und autoritäre Grundhaltung dieser Partei. „Die AfD hat Angst vor politisch gebildeten, frei denkenden Schülerinnen und Schüler. Sie schaden dem Geschäftsmodell der Rechtspopulisten“, meint Erdmann. Auch die Kultusministerkonferenz habe in der vergangenen Woche den Lehrkräften den Rücken gestärkt. Die GEW fordert die Berliner Senatsverwaltung jedoch auf, deutlich zu machen, wie sie die Lehrkräfte schützen will, die von der AfD an den digitalen Pranger gestellt werden.

Die GEW hat ein Merkblatt für Lehrkräfte herausgegeben, die in Sorge sind, sie könnten von der AfD erfasst worden sein. In dem Papier heißt es:

„Die Anhänger*innen der AfD bemängeln, dass Pädagog*innen in der Schule sich nicht neutral verhalten würden. Sie verkennen dabei, dass Neutralität nicht heißt, demokratiefeindliche Positionen zuzulassen. Lehrkräfte haben den Auftrag, Schüler*innen die freiheitlichen und demokratischen Grund- und Menschenrechte zu vermitteln. Das Berliner Schulgesetz enthält einen klaren Bildungsauftrag und bezieht sich auf die Grundsätze des Grundgesetzes. Die AfD verfolgt politische Ziele, die sowohl dem Grundgesetz als auch den allgemeinen Menschenrechten widersprechen. Die AfD vertritt unter anderem rassistische, frauenfeindliche und xenophobe Positionen und versucht, diese in der gesellschaftlichen Mitte zu verankern. Das bedeutet für Lehrkräfte, dass es ihre Aufgabe ist, den kritischen Umgang mit den Positionen der AfD zu fördern und die Positionen der AfD als demokratiefeindlich und diskriminierend darzustellen.“

Weiter heißt es: „Lehrkräfte dürfen Schüler*innen natürlich ihre eigene (politische) Meinung nicht aufdrücken (Überwältigungsverbot) und sie müssen das, was in der Gesellschaft kontrovers diskutiert wird, auch kontrovers darstellen (Kontroversitätsgebot). So sieht es der Beutelsbacher Konsens vor. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich nicht politisch äußern dürfen. Lehrkräfte können im Rahmen ihrer Tätigkeit auch ihre eigene Meinung äußern, müssen dies nur deutlich machen.“

Und was ist, wenn eine Lehrkraft trotzdem von der AfD unter Druck gesetzt wird? „Werden Pädagog*innen im Internet an den Pranger gestellt oder beleidigt, können sie zivilrechtlich dagegen vorgehen. Zudem sind personenbezogene Daten nach der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) grundsätzlich schützenswert. Betroffene Lehrkräfte haben die Möglichkeit, auf die Einhaltung des Datenschutzes nach EU-DSGVO zu bestehen und bei der jeweiligen AfD-Fraktion eine Auskunft über gespeicherte personenbezogene Daten zu Verlangen. Ebenfalls nach EU-DSGVO kann veranlasst werden, ggf. gespeicherte Daten löschen zu lassen. Zudem können sie sich beim Berliner Datenschutzbeauftragten darüber beschweren, wenn der Datenschutz nicht eingehalten wird.“ Die Berliner GEW stehe ihren Mitgliedern mit Beratung und Rechtschutz zur Seite. News4teachers

Philologenverband: 'Dreister Versuch einer Einschüchterung'

STUTTGART. Der Philologenverband hat die in Baden-Württemberg bereits vom AfD-Landtagsabgeordneten Stefan Räpple gestartete “Lehrer-Meldeplattform” scharf kritisiert.  „Durch den Aufruf zur Denunziation und den damit verbundenen dreisten Versuch einer Einschüchterung der Lehrkräfte erinnert dieses Portal stark an dunkle Kapitel der deutschen Geschichte“, so erklärt Philologen-Landeschef Ralf Scholl. Er begrüße es sehr, dass diese Plattform quer durch das politische Spektrum und bei allen Lehrerverbänden auf großen Widerstand gestoßen sei und aufgrund einer Gegen-Plattform der Piratenpartei mittlerweile außer Betrieb sei (News4teachers berichtete).

So konnten Schüler ihre Lehrer denunzieren – bis zum Zusammenbruch der Seite. Screenshot von der Seite des baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Stefan Räpple.

„Die AfD hat mit diesem Thema eine reine Phantomdebatte angezettelt. Sie unterstellt, dass Lehrer das Neutralitätsgebot missachten. Diesem Vorwurf treten wir mit aller Entschiedenheit entgegen“, betont Scholl. Es gebe hierfür keinerlei Belege, etwa in Form von begründeten Dienstaufsichtsbeschwerden. „Wir betrachten daher die ganze von der AfD angezettelte Debatte als bloße Publicity-Maßnahme beziehungsweise als Einschüchterungs-Versuch gegen die Lehrkräfte“, sagt der Philologen-Vorsitzende und unterstreicht: “Wir bestärken die Lehrerinnen und Lehrer darin, auch weiterhin ihrem gesetzlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag nachzukommen“, erklärt Ralf Scholl. Lehrkräfte seien nicht nur zur politischen Neutralität, sondern auch zur Vermittlung staatsbürgerlichen Denkens auf der Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet. In diesem Zusammenhang verweist Scholl auf den Beutelsbacher Konsens, wonach die Schülerinnen und Schüler durch den Unterricht in die Lage versetzt werden sollen, sich eine eigene Meinung zu bilden und zu mündigen Bürgern zu entwickeln.

„Eine informierte und freie politische Meinungsbildung der Schülerinnen und Schüler halte ich in einer Zeit der Verrohung des politischen Umgangs miteinander für wichtiger denn je“, meint der Philologen-Chef. Der Verband prüfe derzeit rechtliche Schritte gegen den „Online-Pranger“ der AfD.

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