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Neuer KMK-Präsident Lorz: Mit der Lehrer-Schüler-Relation von vor 20 Jahren lässt sich heute keine Schule mehr machen

Appelliert an Eltern: Hessens Kultusminister Alexander Lorz. Foto: HKM/ Patrick Liste

WIESBADEN. Mehr Studienplätze, schnelle Verbeamtung oder eine sogenannte “Buschzulage” für Pädagogen, die sich aufs platte Land begeben: Die Länder kämpfen mit verschiedenen Mitteln gegen den Lehrermangel an. Der neue KMK-Präsident, Hessens Kultusminister Alexander Lorz, warnt allerdings die Amtskollegen: Es reiche nicht, freiwerdende Stellen neu zu besetzen – der Bedarf an Lehrkräften werde steigen, sagt er voraus.

Der neu gewählte Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK), Hessens Bildungsminister Alexander Lorz, plädiert im Kampf gegen den Lehrermangel auf einen langfristig angelegten Ausbau von Studienplätzen. So sei beispielsweise Hessen zwar auf einem guten Weg, mit den bereits aufgestockten Ausbildungskapazitäten den Bedarf für die Neubesetzung von Stellen ab dem Jahr 2023 decken zu können. «Aber da ist noch nicht viel Puffer drin», mahnte der CDU-Politiker.

Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeige, dass es nicht damit getan ist, Lehrer zu ersetzen. «Wir sollten darüber hinaus ausbilden, weil wir davon ausgehen, dass wir mehr Lehrerstellen in Zukunft brauchen werden», erläuterte der Minister. Dies liege vor allem an gestiegenen Anforderungen an den Schulen, etwa bei der Ganztagsbetreuung.

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«Wir haben die Studienplatzkapazitäten gerade im Grund- und Förderschullehramt massiv um mehr als 50 Prozent ausgeweitet», erklärte Lorz für Hessen. «Und wir werden mit den Hochschulen reden, wie man noch weiter ausweiten kann.» Aber auch die Hochschulen stießen inzwischen an ihre Grenzen. «Professoren für Grundschulpädagogik wachsen auch nicht auf den Bäumen», sagte Lorz.

Herausforderung angehen

Hessen wolle diese Herausforderung mit seinem nächsten Hochschulpakt angehen. In Hessen werden – wie in anderen Bundesländern auch – vor allem an Grund- und Förderschulen Lehrkräfte gesucht. An Gymnasien sieht es bis auf bestimmte Mängelfächer dagegen noch recht gut aus.

«Mit der gleichen Lehrer-Schüler-Relation, mit der Lehrer vor 15 oder 20 Jahren gearbeitet haben, würde heute keine Schule mehr arbeiten können», betonte Lorz. In Hessen beispielsweise habe es vor 20 Jahren rund 80.000 Schülerinnen und Schüler mehr gegeben, jedoch 10.000 Lehrerinnen und Lehrer weniger. Aktuell gibt es in dem Bundesland rund 53.000 Lehrerstellen. Und die Schulen sagten: «Wir brauchen noch viel mehr.»

Ist turnusmäßig für 2019 als Präsident der Kultusministerkonferenz benannt: Hessens Kultusminister Alexander Lorz. Foto: HKM / Manjit Jari

Bei Prognosen für künftige Bedarfe müssen man sich stets darüber im Klaren sein, dass die Zahlen unter Umständen nicht besonders zuverlässig sind, sagte der Minister. «Natürlich ärgert uns das.» Aber die Berechnungen seien ein hochkomplexes System. Es gehe ja nicht nur um die globale Zahl. «Wir müssen die Prognosen vor allem regional und auf die verschiedenen Schulformen herunterbrechen», erläuterte Lorz.

Das seien sehr viele Faktoren, unter denen die allgemeinen Wanderungsbewegungen eine Hauptrolle spielen. «Da zerbrechen sich in allen Ministerien Heerscharen von hoch qualifizierten Mathematikern und Statistikern den Kopf, wie die Prognosen noch zuverlässiger werden können.»

Unter den Ländern gibt es nach den Worten von Lorz eine Übereinkunft, nicht mit gezielten Kampagnen Lehrer untereinander abzuwerben. «Was wir aber nicht verhindern können ist, dass die einen oder anderen Länder attraktivere Arbeitsbedingungen bieten, Stichwort Besoldung», sagte Lorz. Wenn Lehrer sich daran orientierten, dann sei das etwas, mit dem man im Föderalismus leben müsse. «Interessanterweise ist der Effekt aber nicht groß», sagte der Minister. Nach seiner Erfahrung würden angehende Lehrer nicht für 300 Euro mehr im Monat einmal quer durch Deutschland umziehen. dpa

Lehrermangel: Wie einzelne Länder reagieren

Der scheidende KMK-Chef, Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke), fordert mehr Vergleichbarkeit der Lehrerausbildung in den Bundesländern. Weil die Bildung Ländersache sei, habe sich jedes Bundesland eigene Regeln gegeben. Die Lehramtsabschlüsse seien nicht in jedem Fall vergleichbar. Er wünsche sich eine «Harmonisierung». Holter sieht in der Verbeamtung von Lehrern ein wichtiges Instrument gegen den Mangel. «Alle Länder sind auf dem Weg, Lehrer zu verbeamten. Das hat einen hohen Stellenwert», sagte er. Gegen den Personalmangel gebe es aber kein Patentrezept. Eine große Herausforderung bestehe auch darin, Lehrer für bestimmte Mangelfächer und für Schulen im ländlichen Raum zu gewinnen.

Rheinland-Pfalz ist nach Aussagen des Bildungsministeriums in Mainz seit Jahren bestrebt, «angehenden Lehrkräften gute Beschäftigungsbedingungen zu ermöglichen». Dazu gehöre die Verbeamtung von Lehrkräften. Mit einem Altersdurchschnitt von 44 Jahren gehörten die Kollegien in Rheinland-Pfalz mit zu den jüngsten bundesweit. Daher müssen auch weniger Stellen von Lehrkräften, die in den Ruhestand wechseln, nachbesetzt werden.

Das sieht in Sachsen-Anhalt ganz anders aus. Das Land hat eine überdurchschnittlich alte Belegschaft und braucht einem Expertengutachten zufolge jedes Jahr mindestens 730 neue Lehrer, um Abgänge und steigende Schülerzahlen auszugleichen. Als Erfolg wertete Landesbildungsminister Marco Tullner (CDU) die sogenannte Buschzulage: Für Stellen, die über mehrere Runden nicht besetzt werden konnten, zahlt das Land seit diesem Jahr einen Zuschlag. Etwa die Hälfte dieser 80 Posten sei so in zwei Ausschreibungsrunden besetzt worden, sagte Tullner.

Niedersachsen setzt verstärkt auf Quereinsteiger, um die Lücken in den Kollegien etwa an Grund-, Haupt- und Realschullehrer zu schließen. Viele von ihnen unterrichten an Hauptschulen und auf dem Land – also dort, wo der Arbeitsplatz Schule weniger attraktiv ist. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kündigte an, dass sich das Land «sehr ernsthaft» mit der Frage auseinandersetzen werde, die Besoldung aller Lehrer an die Bezüge der Gymnasiallehrer anzupassen (News4teachers berichtete). In einem ersten Schritt hatte Niedersachsen 2018 die Besoldung für Grundschulleiter verbessert.

Baden-Württemberg lockt mit einem speziellen Angebot Nachwuchskräfte auf’s Land: Wenn sich junge Gymnasiallehrer bereit erklären, für drei Jahre dort an Grundschulen zu unterrichten, erhalten sie im Gegenzug anschließend eine Stelle in ihrer Fächerkombination an einem Gymnasium.

Anders als in fast allen anderen Bundesländern gibt es dagegen in Hamburg erheblich mehr Bewerber als Referendariats-Plätze. Die Stadt sei sehr attraktiv, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD). Zudem verbeamte Hamburg zügig, zahle gut und biete bessere Aufstiegschancen als andere Bundesländer. Doch man wolle nicht warten, bis der Bewerbermangel auch in Hamburg ankomme. Die Hansestadt will deshalb deutlich mehr Referendare ausbilden. Von den dpa-Korrespondenten

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