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Rat für kulturelle Bildung mahnt: Digitalisierung wird Schulen tiefgreifend verändern

ESSEN. Für viele Betrachter ist der Streit um den Digitalpakt Schule ein politisches Desaster. Doch der Rat für kulturelle Bildung sieht in den ”Umsetzungsproblemen“ auch Chancen zu neuen Beratungen. Die sind nach Ansicht des Expertengremiums auch nötig, denn noch immer habe die Politik nicht begriffen, wie tief die Digitalisierung in das Selbstverständnis der Schulen eingreife.

Die Digitalisierung lässt sich weder hinreichend verstehen noch gestalten, wenn man ihre kulturelle Dimension nicht berücksichtigt und sie lediglich als technologischen Vorgang betrachtet. So lautet ein Kernsatz der aktuellen Denkschrift des Rats für kulturelle Bildung. Unter dem Titel „Alles immer smart. Kulturelle Bildung, Digitalisierung, Schule“ will das auf eine Initiative verschiedener Stiftungen, darunter die Bertelsmann Stiftung, die Deutsche Bank Stiftung und die Stiftung Mercator mit zurückgehende Beratergremium einen Beitrag zur aktuellen Debatte um die digitale Bildung an Schulen leisten. Digitale Bildung sei ein kultureller Prozess. Kulturelle Bildung habe somit eine Schlüsselfunktion für das Verständnis der Digitalisierung und für den Umgang damit.

Es müssen nicht immer Smartphones oder Tablets sein. Doch der Primat der Pädagogik solle selbstverständlich gelten. Foto: AiClassEland / Wikimedia Commons (CC BY-SA 1.0)

Bisher werde zu wenig erkannt, wie tief die Digitalisierung in das Selbstverständnis der Schulen sowie die dort praktizierten Lernformen eingreife. Deshalb erfordere der digitale Wandel nicht nur die Definition neuer Kompetenzfelder, sondern auch die Ermöglichung einer gezielten Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrer. „Die Politik berücksichtigt derzeit weder das originär Innovative der digitalen Medien noch trifft sie mit dem ‚DigitalPakt‘ ausreichend den Kern einer weitreichenden Schulentwicklung. Wie Schule und Schulkultur unter den Bedingungen der Digitalisierung zu gestalten sind, muss in Politik und Praxis umfassend neu gedacht werden“, so Eckart Liebau, Vorsitzender des elfköpfigen Gremiums. Der Rat für Kulturelle Bildung wolle Schulen und Politik dabei unterstützen, die Digitalisierung pädagogisch sinnvoll zu gestalten

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Grundsätzlich sei es eine pädagogische Entscheidung, was gebraucht werde und was nicht, und wie darauf aufbauend das Angebot und die technische Ausstattung gestaltet werden sollten. Die Digitalisierung müsse nicht ausschließlich über Smartphones oder Tablets Eingang in den Unterricht finden. Die Frage nach dem pädagogisch sinnvollen Angebot müsse immer Vorrang haben vor der Frage nach der dafür benötigten Ausstattung. Keinesfalls sollten digitale Medien als Selbstzweck in die Schule gedrückt werden. Andererseits lasse sich die ‚alte‘ Welt in der Schule nicht dadurch bewahren, dass vorrangig analogen Vermittlungsformen Kultureller Bildung der Vorzug gegeben wird.

„Die Digitalisierung bringt neue Ästhetiken sowie Materialitäten hervor und ermöglicht neue Raumerfahrungen. Wie kein anderer Bildungsbereich ist die Kulturelle Bildung prädestiniert, diese pädagogisch zugänglich zu machen“, so Ratsmitglied Benjamin Jörissen, Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Dass es eben nicht nur ums Programmieren und das Fach Informatik geht, werde daran deutlich, dass Kinder und Jugendliche vor allem bei den kreativen Kulturangeboten mit Musik, Fotografie, Tanz und Videos Freude und Interesse an der Digitalisierung entwickelten. Die Digitalisierung sei als menschengemachte kulturelle Technik von ästhetischen Komponenten tief durchdrungen.

Gerade in der digitalen Arbeitswelt seine ästhetisch­kreativen Fähigkeiten von zentraler Bedeutung. Digitales Gestalten, ob in der Schule, im Privatleben oder im Beruf, sei stark dominiert von Design, von audiovisuellen Aspekten, von bildhaften und darstellerischen Inszenierungen oder non-verbaler Kommunikation – all das seien Kernbereiche der Kulturellen Bildung.

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Nach Ansicht des Rats bedürfe es sowohl kurzfristiger wie auch langfristiger Strategien für den Wandel an Schulen: Schulen können kurzfristig innovative Wege der Kulturvermittlung beschreiten und Akteure der Kulturellen Bildung einbeziehe, seien es Produzierende, Künstler, Kulturpädagogen und Kulturvermittler. Zudem sei eine Zusammenarbeit mit außerschulischen Kooperationspartnern notwendig, etwa Bibliotheken oder anderen digitalen Vorreitern im Kulturbereich. So könnten beispielsweise zeitgemäß ausgestattete Räumlichkeiten genutzt werden, neue Materialien wie beim 3D-Druck ausprobiert oder audiovisuelle Techniken für Film, Video und digitales Gestalten erlernt werden.

Wolle man der Digitalisierung in der Schule einen pädagogischen Sinn verleihen, dann benötige man dafür an erster Stelle qualifiziertes Personal im unterrichtlichen Bereich, ebenso wie beispielsweise in der Ganztagsbetreuung. Daher müsse die Lehreraus- und -weiterbildung angepasst werden und dabei sollten die Bereiche Digitalisierung und Kulturelle Bildung stärker miteinander verknüpft werden. (zab, pm)

• Die Denkschrift mit Autorentexten der Ratsmitglieder steht auf den Webseiten des Rats für Kulturelle Bildung zur Verfügung.

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