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Digitalpakt: Vorzeigeschule macht vor, wie Unterricht künftig aussehen kann – mit den Smartphones der Schüler

WIESBADEN. Der Digitalpakt ist in trockenen Tüchern. Bundesweit brüten die Kultusministerium über Pläne, wie er konkret umgesetzt werden soll. Schulen haben hohe Erwartungen – und spüren andererseits Druck, jetzt schnell Medienkonzepte entwickeln zu müssen. Die Fuldaer Marienschule ist angesichts der Mammutaufgabe ganz entspannt. In der katholischen Mädchenschule, einem Gymnasium mit Realschulzweig, ist digitaler Unterricht schon Alltag.

Das Konzept “bring your own device” bedeutet, dass mit Schülergeräten – meist Smartphones – gearbeitet wird (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Highspeed-Internet in jedem Klassenraum – die Schüler der Fuldaer Marienschule dürften von vielen Gleichaltrigen in Hessen beneidet werden. Zudem Lehrer die, den Umgang mit modernen Medien und Geräten wie Handys nicht nur fördern, sondern auch fordern – ein Traum. Die Marienschule gilt als Vorzeigeschule in Sachen Digitalisierung. Sie wurde für ihr Medienkonzept als eine von zwölf Schulen in Deutschland ausgezeichnet und darf sich «MINT-freundliche Schule digital Plus» nennen.

Wo die Mädchenschule, ein staatlich anerkanntes Gymnasium und eine Fachschule für Sozialpädagogik in freier Trägerschaft, angekommen ist, wollen viele Schulen noch hin. Die Aufgabe lautet: Wie macht man sie fit für modernen Multimedia-Unterricht? Dafür braucht es eine Menge: Internet- und WLAN-Netze, Hardware (Geräte), Software, aus- und fortgebildete Lehrer – kurzum: ein umfassendes Konzept, wie Wissensvermittlung in der Zukunft funktionieren soll.

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Schulen brauchen dauerhaft Geld

Mit der Frage befasst sich in dieser Plenarwoche im Wiesbadener Landtag einmal mehr die Politik. Am Donnerstag will Hessens Kultusmister Alexander Lorz (CDU) Stellung beziehen. Denn vor kurzem haben sich Bund und Ländern auf einen Digitalpakt geeinigt. Zur Unterstützung der Schulen werden fünf Milliarden Euro bereitgestellt. Das Kultusministerium rechnet damit, dass rund 70 bis 75 Millionen Euro pro Jahr über einen Zeitraum von fünf Jahren nach Hessen fließen. Und an dem Punkt geht’s schon los mit der Debatte.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie Schulen und Lehrer fordern langfristige Planungs- und Finanzierungszusagen. «Alles andere ist Symbol-Politik. Da wird der nächste Stier durch die Arena gejagt», sagt Oswald Post. Der Oberstudiendirektor ist Leiter der Marienschule und kennt diverse Ideen von Schulen und Versuche zur Digitalisierung.

Die Marienschule in Fulda arbeitet schon länger mit Smartphones im Unterricht. Foto: Marienschule / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

«Zunächst braucht man ein medien-pädagogisches Konzept, langfristige Budgets und vor allem Lehrer-Fortbildungen in allen Fächern», erklärt Post. Und damit nicht genug. Peter Bach, Medienbeauftragter an der Fuldaer Marienschule, ergänzt: «Parallel zur Entwicklung der Inhalte sollte ein starkes WLAN-Netz und Server-Technik aufgebaut werden.» Zudem werde Präsentationstechnik gebraucht: Anzeigegeräte, Monitore und Dokumenten-Kameras, die Nachfolger der Overhead-Projektoren.

Das alles kostet Geld. Die Fuldaer Marienschule hat einen Medien-Etat von rund 30.000 Euro pro Schuljahr. Gedeckt wird er unter anderem mit Haushaltsmitteln, Schulgeld, Eltern- und Sachspenden. Bei der Vergabe der Bundesmittel pocht die GEW auch auf eine gerechte Verteilung. Und sie fordert die Einstellung von Technik-Personal für die Schulen, keine etwaige Vergabe von Aufträgen an externe Dienstleister.

Mit komplizierten Fragen zur Bildungs-Infrastruktur müssen sich die Schüler der Marienschule nicht befassen. Sie bringen ihre Handys mit in die Schule und fertig. Telefonieren dürfen sie aber nur in einer mit einem Schild ausgewiesenen Handyzone. Damit nicht heimlich im Unterricht gesurft oder gechattet wird, müssen die Mobiltelefone in Handy-Garagen geparkt werden – das sind Kästen mit Ablagefächern. Nur auf Aufforderung dürfen sich die Schüler ihre Geräte schnappen und festgelegte Apps für den Unterricht öffnen. Oder sie präsentieren wie die 15-jährige Jolin etwas auf dem Handy oder einem Blatt Papier, indem sie es unter die Dokumenten-Kamera legen. So ist es für die Klasse auf einem Bildschirm sichtbar.

Zur Technik: In den Klassenzimmern gibt es kabellosen Internet-Zugang (WLAN). Zudem sind Monitore installiert, die als Anzeigemedium für alle im Raum befindlichen End-Geräte (Laptops, Tablets, Smartphones) dienen. So sind nicht nur die Lehrer, sondern auch alle Schüler in der Lage, sehr einfach Inhalte zu präsentieren und für die gesamte Lerngruppe darzustellen.

Das Medienbildungskonzept der Marienschule

Mit ihrem Medienbildungskonzept verfolgt die Marienschule in Fulda verschiedene Ziele. Die wichtigsten Inhalte in der Übersicht:

  • Medienangebote in reflektierter Weise auswählen und nutzen können
  • Rechtliche, ökonomische und gesellschaftliche Bedingungen des Medienangebotes beziehungsweise der Medienverbreitung kennen und beurteilen
  • Gestaltungen von Medien verstehen und deren Einflüsse auf Individuum und Gesellschaft bewerten
  • Medien als konstitutives Element der modernen Gesellschaft erfahren
  • Eigene Mediengestaltungen verantwortungsbewusst entwickeln und verbreiten

Die Einsatzmöglichkeiten von Handys sind im Unterricht vielfältig. «Es sind nicht nur Kommunikationsgeräte, sondern Mini-Computer. Damit können die Schüler mehr machen, als sich auf Instagram oder Facebook in sozialen Netzwerken zu bewegen», erklärt der Marienschule-Medienbeauftragte Bach. «Viele nutzen ja nur einen Bruchteil der Möglichkeiten aus.»

Bachs Schüler nutzen im Unterricht zum Beispiel eine Physik-App (phyphox). Die darin enthaltene akustische Stoppuhr verwenden sie etwa zur Messung der Schallgeschwindigkeit. Und wenn Bach mal bei einer Kurvendiskussion im Mathematik-Unterricht ein paar Parameter ändert, ist das mit wenigen Handgriffen getan und sehr anschaulich.

Im Unterricht würden etwa zwei Dutzend Handy-Apps genutzt, sagt Bach. Dass die Schüler ihre eigenen Geräte einbringen und dem Medienkonzept («bring your own device») folgen, habe vor allem Vorteile. Die Schüler kennen sich damit aus, sie sorgen selbst dafür, dass die Geräte aufgeladen und auf dem neuesten Stand sind.» Koffer voller Tablet-PCs zu kaufen und zum Einsatz zu bringen sei aufwendig und vor allem «Geldverschwendung», wie Schulleiter Post sagt.

Nell Bankowska, die mit ihren Mitschülerinnen Lisa-Marie Reith und Luca Ruhl, mit dem Handy Physik-Aufgaben in der Klasse 10b löst, ist begeistert vom Digital-Konzept der Schule. «Ich finde es gut. Diese Methoden bereiten gut aufs Studium und die moderne Arbeitswelt vor», sagt sie. «Man ist fit für Multimedia-Präsentationen und lernt auch wie man sich sicher und verantwortungsbewusst im Internet bewegt.» Nachteile sehe sie keine. Für Schulleiter Post dient das seit Jahren bestehende Digital-Konzept vor allem einem Ziel: «Wir wollen die Medienkompetenz der Schülerinnen in jeglicher Hinsicht stärken.» Von Jörn Perske, dpa

Prädikat 'Digital Plus'

Schulen, die sich auf den Weg der Digitalisierung gemacht haben, können das Prädikat „MINT-freundliche Schule Digital Plus“ erhalten. Unter der Leitung der Gesellschaft für Informatik und der DLGI und unter Mitwirkung von mehreren Partnern, darunter Wissensfabrik für Deutschland, Fraunhofer IAIS, eco Verband der Internetwirtschaft und VDI ist es „für MINT-freundliche Schulen nun möglich, sich in einer Pilotphase für eine Profil-Ehrung ‚I‘ für interessierte Schulen zu bewerben“. Die Bewerbung „soll es den Schulen ermöglichen, eine Standortbestimmung/Selbsteinschätzung zum Thema ‚Digitalisierung‘ vorzunehmen und Anregungen zu erhalten, wie das digitale Profil so geschärft werden kann, dass eine entsprechende Profilbildung tatsächlich ausgezeichnet werden kann“, so heißt es. Die Bewerbungsphase für 2019 startet in den nächsten Wochen und endet voraussichtlich Ende Mai.

Hier gibt es dazu weitere Informationen: https://mintzukunftschaffen.de/digitale-schule-2/

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Der Digitalpakt kommt – doch die Technik allein wird wenig bringen. Jetzt benötigen Lehrer auch die Freiheit, sie sinnvoll einzusetzen

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