STUTTGART. Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann sieht die Anspruchshaltung von Eltern zunehmend als Problem für die Schulen an. Einerseits sei bei immer mehr Vätern und Müttern die Neigung festzustellen, sich vor ihrer Erziehungsverantwortung drücken zu wollen. Andererseits gebe es immer mehr extrem besorgte Eltern, die schon in der Grundschule Nachhilfe buchten, um Kindern den Weg ans Gymnasium zu sichern. „Das überfordert Schule irgendwann!“, warnte Eisenmann in einem Interview mit der „Südwest Presse“. Beifall kommt vom VBE.
„Wir haben eine wachsende Zahl von Eltern, die sich von ihrem Erziehungsauftrag und vom gemeinsamen Wirken mit Lehrern verabschiedet haben“, sagte die CDU-Politikerin, der Ambitionen nachgesagt werden, für das Amt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten kandidieren zu wollen. Zwar gebe es sehr engagierte Eltern, die sich aktiv ins Schulleben ihrer Kinder einbrächten, sagte die Ministerin. Sie unterstrich jedoch: „Aber manche Eltern ziehen sich da auch sauber raus.“
Sie sehe sich als Schulministerin zunehmend mit Ansprüchen konfrontiert, Themen und Aufgaben in den Unterricht aufzunehmen, die eigentlich ins Elternhaus gehörten – beispielsweise Forderungen, Kinder in der Schule Schwimmen oder Fahrradfahren zu lehren. Auch Schüler forderten vermehrt von ihren Lehrern, ihnen lebensweltlich-praktisches Grundwissen über Verträge, Versicherungen oder Steuererklärungen zu vermitteln. Dabei sei es „Aufgabe des Elternhauses, junge Menschen in solchen Dingen zu begleiten“.
Gerhard Brand, Landesvorsitzender des VBE Baden-Württemberg, stimmte Eisenmanns Aussage zu, dass Eltern ihren Erziehungsauftrag zunehmend an die Schulen abgeben. „Es ist lobenswert, dass die Ministerin hier Klartext spricht“, sagte er. „Die Schulleitungen und Lehrkräfte nehmen viele Eltern vermehrt als Problem wahr. Wir beobachten eine wachsende Distanz- und Respektlosigkeit vieler Eltern. Die Bereitschaft, auf Ratschläge der Lehrkräfte einzugehen und mit der Schule zu kooperieren, hat spürbar abgenommen.“
Eltern als eine der größten Herausforderungen für Schule
Bei einer repräsentativen Umfrage der Robert-Bosch-Stiftung unter Lehrern in Deutschland war die Elternarbeit unlängst als eine der größten beruflichen Herausforderungen genannt worden (News4teachers berichtete). Jede fünfte Lehrkraft sieht die Kommunikation mit den Eltern als ein Problem an. Am schwierigsten ist die Kooperation mit Eltern offenbar an Grundschulen: Jede dritte Lehrkraft sieht darin eine der größten Herausforderungen, an den weiterführenden Schulen der Sekundarstufe I ist es nur jede fünfte. Seltener, mit nur 15 Prozent, empfinden Lehrkräfte am Gymnasium den Austausch mit Eltern als herausfordernd.
Heinz-Peter Meidinger, Präsident des deutschen Lehrerverbandes, erklärte zu der Umfrage, er sei wenig überrascht, dass die Eltern weit oben stehen in der Liste der größten Herausforderungen für Lehrkräfte: „Wenn es da zu größeren Konflikten kommt, hat das massive direkte Auswirkungen auf Schule und Unterricht und beeinträchtigt auch das Lehrerhandeln“, so Meidinger. Angesichts einer zunehmend gemischten Schüler- und damit auch heterogenen Elternschaft sei es schwierig, wenn nicht unmöglich geworden, sich ohne Weiteres mit den Eltern einer Klasse noch auf gemeinsame Erziehungsziele zu einigen, zum Beispiel im Umgang mit Computern.
Eisenmann hat sich bei ihrem Vorstoß offenbar von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) anregen lassen. Der hatte im vergangenen Jahr auf dem Gewerkschaftstag der GEW Eltern an Deutschlands Schulen zu einem Miteinander mit den Lehrern aufgerufen. «Dieses ständige Gemotze muss aufhören», sagte er seinerzeit vor dem Kongress. Nötig sei eine Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Lehrern, nur so erhielten Schüler eine gute Bildung.
Kretschmann war früher selbst Lehrer. “Lehrerin oder Lehrer zu sein – das ist ein schwerer Job. Und es ist ein äußerst wichtiger Job”, sagte Kretschmann vor den Lehrergewerkschaftern: “Trotzdem kriegen Lehrer von vielen Seiten Prügel, nicht zuletzt von den Eltern.” Schüler könnten jedoch profitieren, wenn Eltern gemeinsam mit Lehrern agieren würden. Nötig sei ein Umdenken vieler Eltern. Lehrer benötigten mehr Respekt und Unterstützung von ihnen. News4teachers
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