HANNOVER. Eine Weile sah es so aus, als könnte die vor allem von der GEW und vom VBE getragene Kampagne „A13 für alle Lehrkräfte“ bundesweit erfolgreich sein. Fünf Bundesländer haben sich mittlerweile angeschlossen – doch jetzt ruckelt der Zug. Nordrhein-Westfalen zögert (News4teachers berichtete). Und in Niedersachsen bremst plötzlich der Finanzminister, nachdem er die jüngste Steuerschätzung gesehen hat.
“Die wirkungsgleiche Übertragung des Tarifabschlusses für die Beschäftigten der Länder auf die verbeamteten Kolleginnen und Kollegen im Land sichert die Teilhabe an der konjunkturellen Entwicklung und ist auch als Anerkennung für ihre Tätigkeit zu werten”, erklärte der niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) nach einer Sitzung des rot-schwarzen Kabinetts am 15. April.
Die Bezüge der niedersächsischen Beamten sollen danach rückwirkend zum 1. März um 3,16 Prozent und mindestens um 100 Euro angehoben werden. Im kommenden Jahr sei ein Plus um weitere 3,2 Prozent geplant, 2021 eine Erhöhung um 1,4 Prozent. Das Besoldungsplus zum 1. März kostet nach Angaben der Landesregierung rund 282 Millionen Euro. Im Jahr 2020 fallen zusätzlich rund 629 Millionen Euro an, 2021 rund 813 Millionen Euro.
Das war es dann aber wohl erst einmal für die Beamten. Denn: Der finanzielle Handlungsspielraum für Niedersachsens Politik wird enger. Wegen einer konjunkturellen Abschwächung dürften bis 2023 insgesamt rund 844 Millionen Euro weniger Steuereinnahmen in den Landeshaushalt fließen als erwartet. “Wir haben in Niedersachsen Kurskorrekturen vorzunehmen”, sagte Hilbers nun laut einem Bericht der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (HAZ). Konkret erteilt der Finanzminister damit einer Wiedereinführung des Weihnachtsgeldes für Beamte und einer Besoldungserhöhung für Lehrer („A13 für alle“) eine Absage. „Die Steuerschätzung gibt keinen Raum dafür, das tun zu können“, sagte Hilbers. Erforderlich seien jetzt eine „strikte Haushaltsdisziplin“ und eine „sehr zurückhaltende Ausgabenpolitik“.
“Junge Lehrkräfte werden sich abwenden”
Massive Kritik kommt von den Lehrerverbänden. „Mit dieser Entscheidung wird Niedersachsen weiterhin große Schwierigkeiten haben, genügend geeignete Lehrkräfte für die nicht-gymnasialen Schulformen zu gewinnen. Es werden sich nach dem Studium und Referendariat immer mehr junge Lehrkräfte von Niedersachsen abwenden, da sie in anderen Bundesländern eine bessere Bezahlung und teilweise bessere Rahmenbedingungen erhalten können“, erklärt Torsten Neumann, Vorsitzender des Verbands Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL/VDR). In Berlin, Brandenburg, Sachsen, Schleswig-Holstein und Bremen haben die jeweiligen Landesregierungen bereits eine Angleichung der Lehrergehälter beschlossen.
Der VNL/VDR bleibe bei seiner Forderung, dass alle Lehrkräfte auch in Niedersachsen mindestens nach A13 bzw. E13 besoldet werden müssen, damit nicht noch mehr Bewerberinnen und Bewerber eine Anstellung in einem anderen Bundesland bevorzugen. „Das hat sich gerade in den letzten Jahren verheerend auf die Einstellungssituation in Niedersachsen ausgewirkt. Die Leidtragenden sind unsere Schülerinnen und Schüler, die unter dem Lehrermangel insbesondere im nichtgymnasialen Bereich zu leiden haben“, so betont Neumann. Auch böten andere Bundesländer ihren Beamten Sonderzahlungen wie das Weihnachtsgeld. Niedersachsen drohe bei einer weiteren Verweigerungshaltung für Bewerberinnen und Bewerber auf neue Stellen unattraktiv zu werden.
Die GEW schlägt in die gleiche Kerbe. „Diese Basta-Politik ist falsch“, sagt die Landeschefin der Lehrergewerkschaft GEW, Laura Pooth, laut HAZ-Bericht. Damit forciere Hilbers die Abwanderung von Lehrern in andere Bundesländer und verschärfe die Probleme bei der Unterrichtsversorgung. Die GEW fordert wie der VNL/VDR, auch die Lehrer an Grund-, Haupt- und Realschulen in die Besoldungsgruppe A13/E13 hochzustufen. Das wären im Durchschnitt monatlich 500 Euro mehr pro betroffenem Lehrer, rechnet Pooth vor.
Für den Koalitionspartner SPD, der ja immerhin mit Stephan Weil den Ministerpräsidenten stellt, ist trotz der Absage von Hilbers das letzte Wort offenbar noch nicht gesprochen. „Die Ergebnisse der Steuerschätzung machen deutlich, dass die Handlungsspielräume in den nächsten Haushaltsjahren enger werden“, bestätigt zwar die Finanzexpertin der SPD-Landtagsfraktion, die ehemalige Kultusministerin Frauke Heiligenstadt, gegenüber der Zeitung. „Nichtsdestotrotz ist das Thema der rechtmäßigen Beamtenbesoldung für die SPD-Fraktion nicht vom Tisch.“ Die aktuelle Steuerschätzung sei kein Anlass, sich nicht mehr mit dem Thema zu befassen. Tatsächlich hatte die SPD-Fraktion erst im März beschlossen, Grund-, Haupt- und Realschullehrer besser stellen und eine jährliche Sonderzahlung wieder einführen zu wollen (News4teachers berichtete).
VNL/VDR-Chef Neumann: „Wir appellieren an die Landesregierung und insbesondere an Finanzminister Hilbers, diesen Beschluss noch einmal zu überdenken. Wir sehen durchaus ein, dass bei nicht mehr so sprudelnden Steuereinnahmen nicht alle Wünsche erfüllt werden können. Jetzt ist statt kategorischer Ablehnung Kreativität gefragt, um doch noch bessere finanzielle Bedingungen zu ermöglichen, um insbesondere die Attraktivität des Lehrerberufes in Niedersachsen zu steigern. Bei der Bildung zu sparen, ist der falsche Ansatz. Bildung ist ein kostbares Gut, eine gesicherte Lehrer- und damit auch Unterrichtsversorgung ist eine Investition in die Zukunft unserer Schülerinnen und Schüler.“ Er kündigt an: „Wir werden am Ball bleiben.“ News4teachers / mit Material der dpa
DÜSSELDORF. In Nordrhein-Westfalen hat der VBE den Bescheid von Landesfinanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) begrüßt, er habe – wie bereits angekündigt – das Landesamt für Besoldung und Versorgung in Düsseldorf angewiesen, den Landesbeamten mit der kommenden Bezügeabrechnung mehr Geld zu überweisen. Damit werde ein wesentlicher Teil des Ergebnisses der diesjährigen Tarifverhandlungen umgesetzt und dieses Ergebnis eins zu eins auf Beamtinnen und Beamte übertragen. Mit der ersten Abschlagszahlung zum 31. Mai 2019 würden auch die Erhöhungsbeträge für die zurückliegenden Monate ausgezahlt, hieß es.
So erfreulich die Übertragung des Tarifergebnisses auch sei – eine Angleichung der Bezüge der Grund-, Haupt- und Realschullehrer auf das Niveau der Kollegen am Gymnasium ersetze dies nicht. “Es geht um die Wertschätzung der Lehrkräfte, die schon seit vielen Jahren den Kopf hinhalten für alle Baustellen im Schulbereich. Deshalb muss Herr Lienenkämper im Haushalt 2020 gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit aller Lehrkräfte aller Schulformen verankern“, erklärt Jutta Endrusch, stellvertretende Landesvorsitzende des VBE NRW.
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