MÜNCHEN. Ein Großteil der Deutschen wünscht sich einer Umfrage zufolge von den Schulen im Land kleinere Klassen, verpflichtende Deutschkurse bei Sprachproblemen und mehr Geld für Brennpunktschulen. Für das wichtigste Lernziel halten 83 Prozent der Befragten die gute Beherrschung von Rechtschreibung und Grammatik. Dies geht aus einer in München veröffentlichten, repräsentativen Studie des Meinungsforschungsinstituts Allensbach im Auftrag der Roland Berger Stiftung hervor. Bemerkenswert: Die Förderung von digitalen Kompetenzen fällt demgebenüber deutlich ab. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) nimmt die Studie zum Anlass, eine breite gesellschaftliche Diskussion über den heutigen Auftrag von Schule einzufordern.
Fast zwei Drittel der Bürger in Deutschland finden laut Umfrage die Idee gut, Schulen finanziell besser auszustatten, wenn sie von besonders vielen Kindern aus sozial schwachen Familien oder Zuwandererfamilien besucht werden. So könnten mehr Lehrer und zusätzliches Betreuungspersonal eingestellt werden. Dazu passt, dass gut die Hälfte der Befragten die Aufstiegschancen von Kindern aus einfachen Verhältnissen als weniger gut bis gar nicht gut einschätzt.
Entsprechend lauten die Antworten auf die Frage: „Was müsste am Bildungssystem in Deutschland in den nächsten Jahren vor allem verbessert werden, was ist da vordringlich?“ Die größte Zustimmung (76 Prozent) erhält die Aussage: „Dass ausländische Kinder mit Sprachproblemen verpflichtet werden, zusätzliche Deutschkurse zu besuchen.“
Auf Platz zwei kommt dann allerdings bereits ein Thema, das in den vergangenen Wochen breit diskutiert wurde (News4teachers berichtete) – die fehlende Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse. „Dass die Lehrpläne der Bundesländer angeglichen werden und es vergleichbare Prüfungen gibt“, fordern 70 Prozent der Bürger. Platz drei (65 Prozent): „Viele Klassen sind zu groß und müssten verkleinert werden.“ Einen ähnlich hohen Zuspruch (60 Prozent) erhält die Forderung: „Schüler mit schlechten Noten müssten besser gefördert werden, z. B. durch Nachhilfeunterricht.“
“Umgang mit Computern” – gerade noch in den Top Ten
Bei den Lernzielen für die weiterführende Schule lässt sich folgende Rangliste ausmachen: 1. „Gute Beherrschung von Rechtschreibung und Grammatik“ (von 80 Prozent als „wichtiges Lernziel“ benannt), 2. Allgemeinbildung (76 Prozent), 3. Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit (66 Prozent), 4. Englischkenntnisse (63 Prozent), 5. Konzentrationsfähigkeit (60 Prozent), 6. Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme auf andere (60 Prozent), 7. Selbstbewusstsein (58 Prozent), 8. Gute Mathematikkenntnisse (56 Prozent), 9. Höflichkeit und gute Manieren (56 Prozent). Gerade noch in die „Top Ten“ geschafft hat es die digitale Bildung: „Umgang mit Computern, Umgang mit dem Internet“ halten 55 Prozent der Deutschen für ein wichtiges schulisches Lernziel.
Die Digitalisierung steht ohnehin in der Wahrnehmung der Bürger bei der Schulbildung nicht obenan. Mehr als die Hälfte (57 Prozent) forderten zwar, die technische Ausstattung mit Computern an den Schulen zu verbessern. Aber nur 42 Prozent halten einen „sinnvollen Umgang mit den Medien wie Internet und Fernsehen“, die sogenannte Medienkompetenz, für ein wichtiges Lernziel. Bemerkenswert: Die Werte für die Grundschule sind nahezu identisch – lediglich Englischkenntnisse werden hier als nicht so wichtig erachtet.
Was soll die Schule – Wissen vermitteln oder erziehen?
Soll die Schule vor allem Wissen vermitteln oder erziehen? An dieser Frage scheiden sich die Geister. „In der Schule sollen die jungen Menschen in erster Linie etwas lernen. Die Schule soll vor allem Wissen und Fertigkeiten beibringen. Erziehung der Schüler ist keine Hauptaufgabe der Schule“ – das meinen 47 Prozent der Bürger. 43 Prozent hingegen befinden: „Erziehung ist eine Hauptaufgabe der Schule. Neben dem Lernen sollen die jungen Menschen durch die Schule auch erzogen werden, z. B. zur Pünktlichkeit, Ordnung, Achtung vor dem, was andere denken, und Verantwortungsbewusstsein.“ News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zu den vollständigen Umfrageergebnissen.
„Wir brauchen Klarheit darüber, was Schulen eigentlich leisten sollen und konkrete Lösungen, wie sie das alles umsetzen können.“ Mit diesen Worten kommentiert die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann die Ergebnisse der Allensbach-Untersuchung, die die Roland Berger Stiftung in Auftrag gegeben hat. Fleischmann fordert eine breite öffentliche Diskussion um den Auftrag von Schule. Dieser Grundkonsens brauche dann aber Rahmenbedingungen, um professionell erfüllt zu werden. „Wie die Studie zeigt, haben Eltern vielfältige Erwartungen an Schule und natürlich wollen sie, dass ihr Kind bestmöglich gefördert wird und erfolgreich ist. Wenn die Gesellschaft eine Schule will, die den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird, brauchen wir einen Aufbruch“, betont die BLLV-Präsidentin.
Die Ergebnisse zeigten auch, dass Wunsch und Wirklichkeit manchmal weit auseinander klaffen. So wünscht sich der überwiegende Teil befragter Eltern kleinere Klassengrößen, gezielte Sprachförderung und eine bessere finanzielle Ausstattung für Schulen. „Wer die Realität an den Schulen kennt, weiß, dass diese Wünsche derzeit nicht überall erfüllt werden. Wir erleben eine immer größere Kluft zwischen den Erwartungen an die Schule und den tatsächlichen Möglichkeiten, die die Schulen haben“, so Fleischmann. Die Forderung des BLLV nach einer passgenauen Zuweisung von Lehrerstunden an die einzelne Schule werde durch die Studie erneut bestätigt. Eltern wollten, dass die unterschiedlichen Voraussetzungen, Anforderungen und Profile einer Schule stärker berücksichtigt werden als bisher.
Grundsätzlich brauche es mehr Personal und mehr Zeit, vor allem aber ein neues Verständnis von Bildung und Erziehung an den Schulen. Schulen sollten ganzheitliche Bildung leben können. Das habe der BLLV im Mai 2019 in seinem Manifest „Herz. Kopf. Hand. Zeit für Menschen“ auf seiner Landesdelegiertenversammlung zum Ausdruck gebracht (News4teachers berichtete).
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