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Lassen sich mehr Lehrer per Volksbegehren in die Schulen bringen?

SCHERIN. Ein Bündnis will dem Unterrichtsausfall an Sachsen-Anhalts Schulen einen Riegel vorschieben und per Volksbegehren einen festen Personalschlüssel an Schulen festschreiben lassen. Die Regierung lässt das Anliegen zu, obwohl die Entscheidung juristisch strittig ist. Zudem stellt sich die Sinnfrage: Woher sollen zusätzliche Lehrer kommen, wenn der Lehrerarbeitsmarkt leergefegt ist?

Ohne Lehrer bleibt der Klassenraum leer. Foto: Shutterstock

Eine Initiative darf Unterschriften sammeln, um ihre Vorschläge gegen Unterrichtsausfall und Lehrermangel in Sachsen-Anhalt durchzusetzen. Das Kabinett von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) ließ den Antrag auf ein Volksbegehren am Dienstag nach längerer Diskussion passieren, wie Regierungssprecher Matthias Schuppe sagte. Er begründete die Entscheidung damit, dass die Rechtslage nicht eindeutig sei.

Damit setzte sich das Kabinett über die Auffassung der eigenen Fachexperten hinweg, die empfohlen hatten, das Volksbegehren abzulehnen. Das geht aus einer internen Beschlussvorlage hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

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Es soll ein fester Schlüssel für die Beschäftigten an Schulen gelten

Mit der jetzigen Entscheidung kann das Bündnis, das von Schülern, Eltern, der Linken sowie Gewerkschaftern getragen wird, das Volksbegehren starten. Nach bisheriger Planung sollen ab Januar 2020 Unterschriften gesammelt werden. Rund 170.000 müssen zusammenkommen, damit der Gesetzentwurf des Bündnisses in den Landtag kommt.

Die Organisatoren wollen mit ihrem Volksbegehren erreichen, dass künftig anhand der Schülerzahl mit einem festen Schlüssel berechnet wird, wie viele Lehrkräfte, pädagogische Mitarbeiter und Schulsozialarbeiter zur Verfügung stehen müssen. Sollte das Volksbegehren erfolgreich sein, dann könnte das nach Berechnungen des Bildungsministeriums ein Plus von 3000 bis 3600 Vollzeitstellen zum Schuljahr 2021/2022 bedeuten. Unterrichtsausfall und Lehrkräftemangel sind Dauerbrennerthemen in Sachsen-Anhalt sowie ganz Deutschland.

Bildungsminister Marco Tullner befürchtet deshalb eine Reihe negativer Folgen. Er wolle zeitnah mit den Organisatoren ins Gespräch kommen, um offene Fragen zu klären, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch in Magdeburg. «Wenn wir den Gesetzentwurf lesen, wie wir ihn derzeit lesen, dann habe ich große Bedenken, dass wir Scheinverbesserungen bekommen oder neue Probleme schaffen.» Wenn das Anliegen alle Hürden nimmt, muss es umgesetzt werden. Da der Gesetzentwurf keine Übergangsregelung vorsehe, müsste das binnen weniger Wochen passieren, so Tullner. «Das heißt, ich müsste eigentlich jeden einstellen, der in die Schule kommt.»

Mehrausgaben für die zusätzlichen Lehrerstellen: rund 200 Millionen Euro – pro Jahr

Das Bündnis hatte Mitte Oktober seinen Antrag mit mehr als 6000 Unterstützerunterschriften eingereicht. Mehrere Ministerien mussten danach unter Federführung des Innenministeriums prüfen, ob das Anliegen zulässig ist. So sind Anliegen unzulässig, wenn sie in ein Abgaben-, Besoldungs oder Haushaltsgesetz eingreifen.

Genau zur letzteren Frage gibt es nach der Prüfung des Antrags Bedenken auf der Fachebene der Ministerien. Das Landesverfassungsgericht hat noch nie entschieden, wie ein Haushaltsgesetz genau definiert ist. In der Beschlussvorlage heißt es, die Landesverfassungsgerichte anderer Länder sowie das Bundesverfassungsgericht seien überwiegend der Auffassung, dass finanzwirksame Sachgesetze nicht per Volksabstimmung entschieden werden dürfen, wenn sie «gewichtige Ausgaben» auslösen.

Mehrere Ministerien sehen diese Voraussetzung erfüllt, wie aus der internen Vorlage hervorgeht. Das Bildungsministerium geht davon aus, dass der vorgeschlagene Personalschlüssel Mehrausgaben von 166 bis 207 Millionen Euro pro Jahr verursachen könnte. Das Justizministerium nimmt an, dass sich die Vorschläge erheblich auf den Landeshaushalt auswirken. Auch das Innenministerium teilt die Bedenken. Einzig das Finanzministerium argumentiert, dass die Einschränkung nur das Gesetz betrifft, mit dem wortwörtlich der Haushalt beschlossen wird.

Klarheit für dieses sowie alle späteren Volksbegehren hätte nur ein Urteil des Landesverfassungsgerichts bringen können. Doch das ist mit der jetzigen Kabinettsentscheidung vom Tisch. dpa

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