KIEL. Der Philologenverband Schleswig-Holstein schlägt Alarm. Er sieht deutliche Defizite in den Oberstufen der Gemeinschaftsschulen im Lande. Diese Einschätzung ist das Ergebnis eines Treffens von Mitgliedern des Philologenverbands an Gemeinschaftsschulen. Diese äußerten zum Teil heftige Kritik an den Arbeitsbedingungen, aber auch an der Arbeitssituation in den dortigen Oberstufen, wie es in einer Erklärung heißt. „Unterrichtsqualität und Leistungsansprüche an Gemeinschaftsschulen mit Oberstufen müssen denen an Gymnasien entsprechen“, so fordert der Verband.
Konkret wurde die hohe Zahl außerunterrichtlicher Aktionen wie Projekte, Vorhabentage oder Praktika bemängelt. Auch wenn diese fächerunabhängigen Veranstaltungen im Einzelfall pädagogisch sinnvoll sein könnten, führe die Häufigkeit der Vorhaben zu Unregelmäßigkeiten im alltäglichen Unterrichtsablauf, hieß es. Die Folge: Selten könne eine reguläre Unterrichtswoche ohne die Abwesenheit einzelner Schülerinnen und Schüler gestaltet werden.
Für schwächere Schüler gibt’s Fördergruppen mit doppelter Lehrerbesetzung
Die Förderung begabter und leistungsstarker Schüler, so monieren die Philologen, werde zum Teil vernachlässigt. An Gemeinschaftsschulen erhielten schwächere Schüler zum Teil eine besondere Betreuung in Kleingruppen – nicht selten mit doppelter Lehrerbesetzung. Dagegen blieben leistungsstärkere Schüler in sogenannten „Förderzeiten“ sich selbst überlassen.
Kritisiert wurde auch die Tatsache, dass in Gemeinschaftsschulen zu selten ein sprachliches, in einigen wenigen Fällen nicht einmal ein naturwissenschaftliches Profil eingerichtet werden könne. Diese Entwicklung entspreche nicht den verbindlichen ministeriellen Vorgaben für die Einrichtung einer Oberstufe. Darüber hinaus bemängelten die Philologen eine häufig zu großzügige Versetzungspraxis nach Klasse 10. „Diese erfolgt, damit die Mindestschülerzahl in der Oberstufe von 50 Schülern erreicht wird. Erkauft wird diese Großzügigkeit dann aber mit geringeren Leistungsansprüchen“, so heißt es.
Beunruhigt zeigten sich sowohl die vortragenden Gemeinschaftsschullehrkräfte wie auch der Landesvorstand des Philologenverbandes über das schlechte Abschneiden schleswig-holsteinischer Gemeinschaftschüler in den naturwissenschaftlichen Fächern, was die jüngste IQB-Studie dokumentiere. Anerkennung zollten die anwesenden Lehrkräfte der sachlichen Ausstattung der Gemeinschaftsschulen im Lande. Räume, Sachmittel und Mobiliar seien modern und zeitgemäß.
“Gemeinschaftsschulen haben eine spezifische pädagogische Aufgabe”
„Wir wollen nicht missverstanden werden“, erklärte der Vorsitzende des Philologenverbandes, Jens Finger, im Anschluss an die Veranstaltung, „wie die Gymnasien so haben auch die Gemeinschaftsschulen eine spezifische pädagogische Aufgabe. Diese kann aber nur angemessen erfüllt werden, wenn die Unterrichtsbedingungen dort verbessert werden.“ Im Einzelnen forderte der Verband die Abkehr vom fachfremden Unterricht („Nawi“, Weltkunde), mehr Lehrerstellen, kontinuierlichen Fachunterricht und eine höhere Repräsentanz von gymnasialen Lehrkräften in den Schulleitungen der Gemeinschaftsschulen.
Für Lehrkräfte des Lehramts an Gymnasien, die an Gemeinschaftsschulen unterrichten, müsse es darüber hinaus nach einigen Jahren eine Rückkehroption geben, wenn ein solcher Versetzungswunsch geäußert werde, so fordert der Verband. Soll wohl heißen: Etliche Philologen haben die Nase voll. Agentur für Bildungsjournalismus
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