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Hintergrund: Wer die PISA-Studie entwickelt – und wie Lehrer den Test erleben

BERLIN. Ihren Namen verbinden viele immer noch mit dem  Wort “Schock”, seit sie vor 18 Jahren den Nimbus vom international führenden deutschen Bildungssystem zerstörte: PISA ist jetzt in siebter Neuauflage erschienen (News4teachers berichtete). Wer und was steckt dahinter?

“Mr. PISA”: OECD-Direktor Andreas Schleicher. Foto: SPÖ / Mag. Gisela Ortner / flickr (CC BY-SA 2.0)

PISA – das Kürzel steht für «Programme for International Student Assessment» (Programm für internationale Schülerbewertung) – ist die weltweit größte empirische Bildungsstudie. Die Federführung hat die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. In ihr haben sich 36 Industrieländer und höher entwickelte Länder zusammengeschlossen. Die Organisation erstellt regelmäßig Studien und gibt Politikempfehlungen ab. „Das Ziel der OECD ist es, eine Politik zu befördern, die das Leben der Menschen weltweit in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht verbessert“, so heißt es. OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher ist seit der ersten Erhebung 2000 der Koordinator der PISA-Studie. Weltweit sind Hunderte von Bildungsforschern einbezogen.

In Deutschland wird der eigentliche PISA-Test vom Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) durchgeführt, einem Verbund der Technischen Universität München (TUM), des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) und des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik an der Universität Kiel (IPN).

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PISA-Tests finden alle drei Jahre statt, immer in den Bereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften. Jeweils ein Bereich ist Schwerpunktthema. Getestet werden Hunderttausende per Stichprobe ausgewählte 15-Jährige Schülerinnen und Schüler in mittlerweile 79 Ländern.

Eine Schulleiterin berichtet: “Wir bekamen detaillierte Anweisungen”

Die Leiterin einer Hamburger Stadtteil-Schule berichtet gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ davon, wie die Tests an ihrer Schule abliefen. Das Verfahren sei „aufwendig“ gewesen. „Wir bekamen eine Liste der ausgewählten Schülerinnen und Schüler und detaillierte Anweisungen. Vor dem Test kamen PISA-Mitarbeiter und haben alle Computer geprüft. Die Schülerinnen und Schüler wurden gruppenweise an zwei Tagen geprüft, insgesamt haben bei uns 60 Jugendliche am PISA-Test teilgenommen. Sie mussten für vier Stunden aus dem Unterricht, um am Computer die Aufgaben zu lösen. Das Testprogramm ist über einen Stick abgespielt worden und hat automatisch die Nutzung aller anderen Funktionen blockiert. Da konnte niemand im Internet surfen“, erzählt sie.

Die Tester kommen mit USB-Sticks an die Schulen. Die Schüler klicken sich dann am Computer rund zwei Stunden lang durch Aufgaben, meist «multiple choice», also Häkchen-Setzen bei der richtigen Antwort. Beim Lesetest werden inzwischen nicht mehr nur einfache Texte vorgelegt, zu denen dann anschließend inhaltliches abgefragt wird. Die Schüler müssen sich jetzt zum Beispiel auch in einem fiktiven Internetforum bewegen und bewerten, ob der Post eines Mitglieds hilfreich für ein bestimmtes Thema ist oder ob da jemand eine Falschbehauptung aufstellt. Dinge, mit denen im Netz heute jeder konfrontiert ist.

Das Testsystem passt sich zudem den Schülern an: Wer gut durch einen bestimmten Aufgabenblock kommt, bekommt im zweiten Block schwierigere Aufgaben. Damit können die sogenannten Kompetenzstufen bestimmt werden – also das Leistungsniveau der Schüler.

“Uns ist heute wichtiger, dass Schüler den Stoff wirklich verstanden haben”

Getestet wird in der Regel im Frühjahr, die Ergebnisse werden dann im Dezember des Folgejahres veröffentlicht. Neben dem reinen PISA-Test werden über Fragebögen auch Daten von Schülern, Schulen und Eltern erhoben, wie Alter, Geschlecht oder Migrationshintergrund oder Fragen zur Lebenszufriedenheit. Diese werden für Sonderauswertungen genutzt. So gibt es auch zwischen den eigentlichen PISA-Ergebnissen, die nur alle drei Jahre vorgelegt werden, immer wieder mal PISA-Schlagzeilen.

Kritik an PISA kommt insbesondere von konservativer Seite – etwa dem Ehrenvorsitzenden des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus. “PISA hat mit Bildung sehr wenig zu tun. Wir brauchen eine Bildungsdebatte und keine PISA-Debatte. Da wird nur ein minimaler Ausschnitt aus dem Unterrichtsgeschehen abgebildet – weite Bereiche werden außen vor gelassen”, meint er und hat sogar ein Buch mit dem provokanten Titel “Der PISA-Schwindel” veröffentlicht.

“Kompetenzen, die für den Lernprozess und den Wissenserwerb wichtig sind”

Tatsächlich erhebt PISA aber gar nicht den Anspruch, Unterrichtsinhalte zu prüfen. “Die Testaufgaben orientieren sich nicht an spezifischen Lehrplänen, sondern an Kompetenzen, die für den Lernprozess und den Wissenserwerb wichtig sind”, so heißt es etwa beim Bundesbildungsministerium. Und weiter: “Den PISA-Studien liegt ein differenziertes Konzept von Kompetenzen zu Grunde. Lesekompetenz heißt, mehr als Informationen aus Texten entnehmen zu können. PISA untersucht vor allem die Fähigkeit, geschriebene Texte unterschiedlicher Art in ihren Aussagen, ihren Absichten und ihrer Form zu verstehen und in einen größeren Zusammenhang einordnen zu können. Mathematische Kompetenz meint, ein Grundverständnis von Mathematik und ihrer Bedeutung in unserer kulturellen und technischen Welt zu haben. Naturwissenschaftliche Kompetenz beinhaltet, grundlegende naturwissenschaftliche Konzepte zu verstehen und mit naturwissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen vertraut zu sein.” Das Bundesbildungsministerium ist gemeinsam mit der KMK Auftraggeber von PISA hierzulande. Die beiden Organisationen tragen auch die Kosten für den deutschen Teil der Studie von rund 1,5 Millionen Euro pro Jahr.

Für die Hamburger Schulleiterin war die aktuelle Erhebung nicht die erste, die sie direkt miterlebte. Bereits bei der ersten PISA-Studie vor 19 Jahren waren Schüler von ihr getestet worden. Der damalige Schock nach Veröffentlichung der Ergebnisse sei „heilsam“ gewesen, sagt sie. Was sich geändert hat? „Wir befassen uns heute zum Beispiel intensiver damit, wie Kinder den Unterricht wahrnehmen, die Deutsch nicht als Muttersprache gelernt haben. Und uns ist heute wichtiger, dass Schüler den Stoff wirklich verstanden haben. Ich wäre bei meiner Abiturprüfung oft noch gut mit Auswendiglernen durchgekommen“, antwortet sie. News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zu einer Beispiel-Testaufgabe.

Interview mit Schleicher: “Wir sollten die guten Ideen aus den Klassenzimmern ins System holen – das ist das Entscheidende“

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