BERLIN. Bei den Traumjobs der Teenager hat sich nicht viel verändert: Jungs streben eher in technische, Mädchen vor allem in soziale Berufe. Warum eigentlich? Stefanie Hubig, Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz und seit Januar Präsidentin der Kultusministerkonferenz, hat eine Debatte um getrennten Unterricht von Mädchen und Jungen losgetreten. „In Klassen ohne Jungen lassen sich Mädchen häufig leichter für Physik begeistern“, meint sie. Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, widerspricht.
Getrennte Stunden für Jungen und Mädchen in Mathematik, Informatik, Biologie, Chemie und Physik: Stefanie Hubig, Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), kann sich eine Geschlechtertrennung in der Schule vorstellen, zumindest zeitweilig. “Seien wir offen dafür, Mädchen und Jungen in Fächern wie Mathe und Physik phasenweise getrennt zu unterrichten”, sagte die SPD-Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
“Unterricht zielgruppenorientiert angehen”
„Lassen wir uns auf dieses Experiment ein und schauen wir, welches Ergebnis wir bekommen“, schlug Hubig vor. In jedem Fall sei es richtig, „Unterricht zielgruppenorientiert anzugehen“. In Klassen ohne Jungen ließen sich Mädchen häufig leichter für Physik begeistern. Die Bildungspolitikerin sagte, sie sei selbst „als Schülerin eine Zeit lang auf einem reinen Mädchengymnasium und eine Zeit lang auf einer gemischten Schule“ gewesen.
Im gemischten Unterricht gebe es ihrer Beobachtung nach oft eine klare Rollenverteilung: Jungen stürmten in diesen Fächern nach vorn und sagten: „Ich mache das Experiment.“ Mädchen seien oft zurückhaltender und sagten: „Dann schaue ich erst mal zu.“ Solche Muster könnten in getrennten Klassen durchbrochen werden.
Der Deutsche Lehrerverband lehnt hingegen getrennten Unterricht für Mädchen und Jungen in Fächern wie Mathe oder Physik ab. Das würde tendenziell wieder zu einem verkrampfteren Verhältnis der Geschlechter führen, dem man durch gemeinsamen Unterricht eigentlich begegnen wolle, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger. Getrennte Klassen seien zudem auch jetzt theoretisch schon möglich, würden aber vor allem an staatlichen Schulen von Schülern und Eltern abgelehnt.
Meidinger: Lieber Vorbilder in die Schulen einladen
Meidinger sagte dazu: «Entscheidend ist, dass wir innerhalb der Gesellschaft die beruflichen, geschlechterbestimmten Rollenmuster aufbrechen.» Studien zeigten zwar, dass Mädchen an reinen Mädchenschulen mehr Selbstbewusstsein in den Naturwissenschaften entwickelten und eher bereit seien, beispielsweise in der Oberstufe Mathe- oder Physikkurse zu wählen. «Es gibt allerdings keinerlei Anzeichen dafür, dass dadurch sich das Berufswahlverhalten ändert.»
Der Lehrerpräsident plädierte stattdessen dafür, Vorbilder in die Schulen einzuladen, «also taffe junge Informatikerinnen oder Maschinenbauingenieurinnen, die Kids über ihren Berufsweg und ihre Karriere informieren». Gleichzeitig sollten Jungen in Verbindung gebracht werden mit Vertretern sozialer, sprachlicher und pädagogischer Berufe. «Das Zauberwort heißt geschlechtersensibler Unterricht, also Jungs in den “weichen Fächern”, in Literatur und Sprachen fördern und stärken und Mädchen in den MINT-Fächern ermuntern, fördern und unterstützen.» MINT ist der Sammelbegriff für die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.
PISA-Sonderauswertung bestätigte Geschlechterklischees
Hintergrund der Diskussion ist eine Sonderauswertung der PISA-Studie. Diese hatte im Januar gezeigt, dass 15-jährige Mädchen am liebsten Lehrerin, Ärztin oder Erzieherin werden wollen, während gleichaltrige Jungen vor allem in technische Berufe streben. Ganz vorn steht bei ihnen der IT-Spezialist vor dem Industrie- und dem Automechaniker (News4teachers berichtete). News4teachers / mit Material der dpa
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