KIEL. Sollen Schüler bis zum Sommer auch samstags zur Schule gehen? Die Kieler Bildungsministerin Prien befürwortet das – und handelt sich heftige Kritik ein. Dabei ist die Sorge, dass sonst womöglich manche Schüler in diesem Schuljahr ihre Schule nicht mehr von innen sehen werden, berechtigt. Die GEW hält von der Idee trotzdem gar nichts.
Es ist alles vorbereitet: 50 kleine Tische stehen im Zwei-Meter-Abstand voneinander in der hellen, modernen Turnhalle der Goethe Gemeinschaftsschule in Kiel. An einem Tisch sitzt Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU), gibt am Montagnachmittag ein Statement ab zum Stand der Vorbereitungen auf die Abschlussprüfungen und beantwortet Journalistenfragen – begleitet von handfestem Zoff um möglichen Unterricht am Sonnabend.
Die Schulen seien unter den gegebenen Corona-Umständen gut vorbereitet auf die Prüfungszeit, sagt die CDU-Politikerin. Darauf könnten Schüler und Lehrer vertrauen. Im Norden starten am Dienstag die Abiturprüfungen, die Prüfungen zum ersten und mittleren Schulabschluss folgen im Mai.
Corona-Bonus für Schüler bei der Notenvergabe
Auf die Frage nach einem «Corona»-Bonus bei der Notenvergabe sagt Prien: «Natürlich sind die Gesamtumstände zu berücksichtigen.» Ein guter Pädagoge werde das auch tun. Zu Forderungen, jetzt ganz auf Nichtversetzungen zu verzichten, meint die Ministerin, anders als in anderen Ländern sei Sitzenbleiben in Schleswig-Holstein jetzt schon die absoluten Ausnahme. Vielleicht sollten eher weitere Möglichkeiten geschaffen werden, freiwillig ein Jahr zu wiederholen.
Prien überzeugte sich an der Kieler Schule vom Vorbereitungsstand, samt Hygiene- und Abstandsvorgaben. Hier beginnen die Prüfungen für den 9. und 10. Jahrgang im Mai. Prien bekräftigt in der Turnhalle ihre Überlegung, auch samstags unterrichten zu lassen – um zu vermeiden, dass einzelne Jahrgänge in diesem Schuljahr gar nicht mehr in die Schule kommen. Nach ihrem Eindruck auch aus Gesprächen mit Schülern sei es wichtig, zumindest eine Präsenzphase in der Schule zu haben. Dies sei nur bei Entzerrungen leistbar. Sie wolle Unterricht zumindest an einem Tag in der Woche ermöglichen und dafür könne sie sich eine Schulöffnung samstags bis zum Sommer vorstellen.
Unterricht wird in kleineren Gruppen vonstatten gehen
Ihren Vorstoß hatte sie zunächst über den Deutschlandfunk unternommen. Dort sagte sie im Interview, es werde “darauf hinauslaufen, dass wir den Unterricht nicht so werden stattfinden lassen können, wie wir das gewohnt sind und wie wir es auch gerne tun würden. Natürlich wird es darum gehen, in kleineren Gruppen zu unterrichten, je nach der Größe des Klassenraums, bis allenfalls 15 Schülerinnen und Schüler. Es wird darum gehen, zeitversetzt mit dem Unterricht zu beginnen. Wir müssen ja auch die Schülerbeförderung organisieren. Es macht ja keinen Sinn, in kleinen Klassen zu unterrichten, wenn man vorher die Kinder in einem Schulbus transportiert, wo sie dann wieder keinen Abstand halten könnten, auch das will mitbedacht sein. Und wir werden uns auch aus meiner Sicht konzentrieren müssen auf bestimmte wichtige Fächer. Es wird kein Unterricht so sein wie in einem normalen Schuljahr, es wird eben Schule in den Zeiten von Corona sein.”
Weiter betonte sie: “Und ich finde, man muss auch in diesen Zeiten einmal querdenken, denn am Ende wird es auch darum gehen, dass die Bildungsgerechtigkeit in diesem Schuljahr nicht unter die Räder kommt. Deshalb müssen alle Schülerinnen und Schüler ein angemessenes Lernangebot erhalten.” Denkbar wäre auch, “dass man sagt, unter diesen Umständen kann auch ein Unterricht mal an einem Samstag stattfinden. Das sind so Dinge, die wir jetzt einfach miteinander besprechen müssen.” Prien: “Wir müssen aufpassen, dass uns nicht einzelne Jahrgänge, insbesondere auch Schülerinnen und Schüler aus Stadtteilen, in denen es ein bisschen schwieriger ist als in anderen, die müssen wir erreichen, auch das ist noch mal eine Überlegung. Ich bin noch nicht so weit, dass ich sagen würde, das ist klar, dass bestimmte Schülerinnen und Schüler die Schule dieses Schuljahr nicht mehr von innen sehen werden, das gilt es zu verhindern.”
“Samstagsunterricht geht zu Lasten der Lehrkräfte”
Mit ihrem Vorstoß löste Prien heftigen Widerspruch aus. Die Ministerin mache Politik von oben herab, sagte die Landesvorsitzende der Gewerkschaft GEW, Astrid Henke. «Die Einführung von Sonnabendunterricht geht klar zu Lasten der Lehrkräfte.» Statt mit der GEW Lösungen für die Wiederaufnahme des Unterrichts suchen, scheine die Ministerin lieber Schlagzeilen zu produzieren. «Sonnabendunterricht jedenfalls lehnen wir entschieden ab.»
In der Krise rächten sich Versäumnisse der Politik, sagte Henke. Die Sparpolitik vergangener Jahrzehnte falle nun Lehrern Schülern auf die Füße. Henke listete auf: «Warmwasser in Schultoiletten zum Händewaschen Fehlanzeige, Papierhandtücher Luxus, Wlan nicht flächendeckend, dienstliche E-Mail-Adressen für Lehrkräfte noch nicht eingerichtet, Dienst-Laptops für Lehrkräfte auch nicht da.»
Die SPD schloss sich der Kritik an. «Wenn nun die Antwort der obersten Dienstherrin auf das Engagement der Lehrkräfte in der Corona-Krise die Wiedereinführung der Sechstage-Woche ist, muss man sich über Lehrermangel nicht mehr wundern», sagte der Schulpolitiker Kai Vogel. Prien sollte ihre «Geistesblitze» erst mit den Betroffenen erörtern und nur nach einer Verständigung «ins Mikrofon beißen».
Als extrem ungewöhnlich für die Schulen bezeichnete der Prüfungskoordinator der Goethe Gemeinschaftsschule, Markus Michalski, die Situation. «Doppelt aufregend ist es für die Schüler.» Die Ministerin versuchte, den Schülern die Aufregung zu nehmen: «Sie sind gut vorbereitet», sagt Prien in der Turnhalle. Auch seien die Umstände so geregelt worden, dass die Prüfungen gut geschrieben werden können.
Prien kündigt für die nächsten Monate einen Sprung in Sachen Digitalisierung an. Mit Hochdruck werde daran gearbeitet, jene Schüler mit digitalen Endgeräten auszustatten, die zu Hause keine solchen haben. dpa
An 160 Schulen in Schleswig-Holstein stehen die Abi-Prüfungen für 14.000 Schülerinnen und Schülern an.
Die Regeln sind überall gleich: Die Tische müssen zwei Meter voneinander entfernt stehen, Wege sind zu kennzeichnen, Desinfektionsmittel steht bereit. Schüler mit Vorerkrankungen schreiben in separaten Räumen. Von Mittwoch an beginnen die Vorbereitungen auf Abschlussprüfungen zum Ersten Allgemeinbildenden Schulabschluss (ESA – 10.500 Schüler) und Mittleren Schulabschluss (MSA – 12.000). Am 4. Mai soll in den vierten Grundschulklassen und den Abschluss-Jahrgängen des kommenden Schuljahres der Unterricht wieder beginnen.
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