KIEL. Eltern sorgen sich offenbar stark darüber, dass Schüler durch den Fernunterricht während der Schulschließungen benachteiligt und „massiv ungleich behandelt“ würden. Während an manchen Schulen auf digitalem Weg nahezu „echter“ Unterricht stattfinde, würden an anderen lediglich Arbeitsblätter per Post versandt oder Buchempfehlungen ausgesprochen – wenn überhaupt Unterricht stattfindet. Das ist das Ergebnis einer – nicht-repräsentativen – Umfrage des Landeselternbeirats der Gemeinschaftsschulen Schleswig-Holstein, an der sich allerdings mehr als 2.000 Eltern beteiligt haben. Tatsächlich ist die Sorge begründet, wie eine Studie der Pädagogischen Hochschule Zug nahelegt.
Der Widerstand gegen die geplanten Abiturprüfungen wachse unter den Eltern, so berichten die „Lübecker Nachrichten“. Eine Elternbefragung an Gemeinschaftsschulen ergab, dass viele eine „massive Ungleichbehandlung“ der Schülerinnen und Schülern kritisieren. 63 Prozent halten die Prüfungen unter den aktuellen Bedingungen für „nicht machbar“. Rund 80 Prozent hätten den, nach einer KMK-Sitzung zurückgezogenen Vorstoß von Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) begrüßt, alle Abschlussprüfungen abzusagen und die Noten auf der Grundlage bisheriger Leistungen zu vergeben.
Ein großes Problem: Fehlender Kontakt zu den Lehrern
„Das Ergebnis zeigt auf dramatische Weise, wie groß die Verunsicherung und Ängste der Eltern sind, dass den Schülerinnen und Schülern erhebliche Nachteile durch die Corona-Pandemie entstehen“, so zitiert die Zeitung den Elternbeirats-Vorsitzenden Thorsten Muschinski. 75 Prozent der Eltern sehen ein „großes“ oder sogar „sehr großes“ Problem durch den fehlenden Kontakt zu den Lehrern, 85 Prozent befürchten „große“ oder „sehr große“ Nachteile bei den Prüfungen für ihre Kinder.
Tatsächlich gibt es eine empirische Studie – das aktuelle „Schulbarometer“ des Instituts für Bildungsmanagement und Bildungsökonomie an der Pädagogischen Hochschule Zug in der Schweiz –, in deren Rahmen rund 2.500 Lehrer, Schüler und Eltern in Deutschland, der Schweiz und Österreich befragt wurden – und die bestätigt, dass extrem große Unterschiede in den Angeboten der Schulen während der Schließungen liegen. „Es bestätigt sich, dass Schulen wie Elternhäuser sehr ungleiche Bedingungen vorweisen. Und es scheint, dass die Krise bereits vorhandene Unterschiede noch vergrößert. Selbst innerhalb von Schulen berichten Schüler von großen Unterschieden. Sie sagen, dass sie mit einigen Lehrern fast täglich in Kontakt stehen und von anderen so gut wie gar nichts gehört haben“, so berichtet Studienleiter Prof. Stephan Huber in einem Interview mit der „Zeit“.
Auf 35 Wochenstunden kommen Schüler auf keinen Fall
Der „Tagesspiegel“ hat die Ergebnisse aufgelistet:
- 73 Prozent der Eltern geben an, ihr Haushalt habe die nötige Ausstattung, damit ihre Kinder digitale Unterrichtsangebote wahrnehmen können. 15 Prozent haben keine ausreichenden Arbeitsgeräte und fünf Prozent gar keine Möglichkeiten.
- 73 Prozent der Kinder und Jugendlichen verfügen über ein eigenes Gerät, 22 Prozent nutzen den Computer, Laptop oder das Tablet ihrer Eltern. 13 Prozent sagen aber auch, dass die Geräte nicht auf dem neuesten technischen Stand sind.
- Die Aussage, das Kollegium der eigenen Schule sei „kompetent für den Einsatz digitaler Lehr-Lernformen“, schätzen Lehrpersonen, Schulleitungen und Eltern zu rund 40 bis 50 Prozent mit „teils, teils“ ein. Ähnlich (38 bzw. 40 Prozent) beurteilen Lehrkräfte und Schulleitungen die Aussage „Uns fällt es leicht, mit digitalen Medien in der aktuellen Situation Lernprozesse zu gestalten“.
- Das hauptsächliche Kommunikationsmittel mit den Schülern ist die E-Mail. Es folgen etwa zu gleichen Teilen Handy, Onlineplattformen, Papierausdrucke und Arbeitshefte. Live-Kommunikation werde kaum genutzt, heißt es im Zwischenbericht.
- Auf die volle Unterrichtszeit von bis zu 35 Wochenstunden in der Mittelstufe kommen die Schülerinnen und Schüler damit auf keinen Fall. Während etwa 90 Prozent der Lehrkräfte von nur zehn bis 13 Stunden Bearbeitungszeit für die von ihnen gestellten Aufgaben ausgehen, sehen sich Schülerinnen und Schüler bei 15 bis 17 Stunden. 57 Prozent glauben denn auch (eher) nicht, dass sie im Homeschooling mehr als im normalen Unterricht lernen.
- 54 Prozent der Schüler geben an, dass die meisten oder alle ihrer Lehrkräfte seit der Schulschließung digitalen Unterricht organisieren. Bei 39 Prozent aber leistet das keine Lehrkraft oder nur ein kleiner Teil.
„Sorgen muss uns die Gruppe bereiten, die unter neun Stunden pro Woche für die Schule etwas tut, also nicht einmal zwei Stunden pro Tag. Und sieben Prozent berichten sogar, dass sie nur vier Stunden in der Woche etwas Schulisches erledigen. Und hier gehen wir von einer größeren Dunkelziffer aus“, so berichtet Huber in der “Zeit”. Sein Fazit: „Wir gehen davon aus, dass bei einem Drittel der Schüler trotz der Schulschließung ein Lernfortschritt zu erwarten ist. Bei einem Drittel haben wir erheblich Zweifel, sie werden eher zurückfallen.“ News4teachers
WIESBADEN. Die SPD-Landtagsfraktion fordert verbindliche Vorgaben in Hessen für das Lernen daheim – sollte es auch nach den Osterferien wegen der Corona-Krise keinen regulären Schulunterricht geben. «Ohne Standards für den Fall der Fälle sehen wir die Chancengleichheit innerhalb der Schülerschaft massiv gefährdet», warnte der schulpolitische Sprecher Christoph Degen am Mittwoch in Wiesbaden. «Wir erwarten ein Konzept, an dem sich Schulen und Eltern orientieren können.»
Dadurch sollen gerade solche Schüler erreicht werden, die zu Hause kein optimales Lernumfeld hätten. «Da, wo es möglich ist, kann es digital weitergehen», schlug Degen vor. «Aber diejenigen Schülerinnen und Schüler, die keinen Zugang und nicht die notwendige Ausstattung zu Hause haben, müssen beispielsweise die Lernmaterialien als komplette Pakete auch in Papierform erhalten.» dpa
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Schüler kritisieren: Prüfungszwang nicht mit Grundgesetz vereinbar – und fordern Wahlfreiheit
