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Wie die “Bild”-Zeitung in der Coronakrise Stimmung gegen Lehrer macht – “Der neue Vorwurf ist ein alter: Freizeit geht vor!”

BERLIN. „Schüler und Eltern klagen: Corona-Chaos an unseren Schulen“, so titelt die “Bild”-Zeitung in ihrem Online-Auftritt (rund 25 Millionen Leser im Monat) aktuell. Eine “Schock-Umfrage” habe ergeben, dass digitaler Unterricht in Deutschland praktisch gar nicht existiere. Tatsächlich unterschlägt der Bericht Teile der Umfrage, die das Ergebnis in ganz anderem Licht erscheinen lässt. Darüber hinaus behauptet das Blatt: „Eltern klagen über nicht erreichbare Pädagogen!“ – ohne dafür im Bericht einen Beleg anzuführen. 

So titelt “Bild”-online aktuell. Screenshot

Die “Bild” macht Stimmung gegen die Lehrerschaft in Deutschland. „Aktueller Anlass: Massenhaft Klagen von Eltern.“ Wo die Eltern sich angeblich beklagen und wie groß die angebliche “Masse” ist, bleibt unklar – der Bericht liefert keine Quelle für die Behauptung. In einem zweiten Beitrag bringt „Bild“ allerdings einige willkürlich ausgewählte Väter und Mütter in Stellung, die sich über Zettel-Flut, kaum Digital-Unterricht, Berge an Aufgaben, aber Lehrer nicht erreichbar“ beschweren. Die Perspektive der Schulen wird ausgeblendet.

Klage einer Grundschullehrerin wird ausgeschlachtet

Dafür mokieren sich die vier Autoren über die Klage einer Grundschullehrerin vor dem Verwaltungsgericht in Frankfurt am Main, die moniert hatte, dass an ihrer Schule ein hinreichender Hygieneplan und ein Arbeitsschutzkonzept fehle – und die deshalb erreichen wollte, dass dem Land Hessen gerichtlich untersagt wird, sie für den Präsenzunterricht heranzuziehen. Die Sorge der Lehrerin sei verständlich, so stellte die GEW fest: „Uns haben in der letzten Zeit eine Vielzahl von Berichten von Kolleginnen und Kollegen aus den Schulen erreicht, die gravierende Mängel in der Umsetzung von Hygienemaßnahmen bestätigen.“ Die Klage wurde trotzdem abgewiesen (News4teachers berichtete ausführlich über den Prozess – und zwar hier). „Bild“ bringt das Verfahren in einen inhaltlichen Zusammenhang mit dem von ihr selbst erfundenen Slogan: „Freizeit geht vor!“

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Dagegen rückt das Blatt Unionspolitiker in Position, die sich – offenbar auf Aufforderung der Redaktion hin – dann auch prompt über die Lehrerschaft empören. So meint der Innenpolitiker Michael Kuffer von der CSU: „Einzelne Lehrer dürfen sich vor ihrer Verantwortung für die Schüler in der Corona-Krise nicht drücken. Ich erwarte, dass sie wie Polizisten, Kindergärtnerinnen und Krankenhauspersonal ein gewisses Restrisiko in Kauf nehmen und in die Klassenräume unserer Schulen zurückkehren.“ CDU-Innenexperte Philipp Amthor wird so zitiert: „Ich kann verstehen, wenn sich Eltern von Schule und Lehrern alleingelassen fühlen. Das muss sich dringend ändern, da sind Lehrer und auch die Politik gefordert.“

Eltern sind mit den Schulen zufrieden – alles in allem

Als einzigen Beleg neben diesen Statements führt „Bild“ eine Umfrage unter Eltern an. „Und Pauken übers Internet? Von wegen! Laut einer Schock-Umfrage von Infratest Dimap existiert digitaler Unterricht in Deutschland quasi gar nicht: Nur sieben Prozent der Kinder nehmen täglich an digitalem Unterricht teil“, so heißt es.

Auch News4teachers hat über die Studie berichtet – seriös (hier nachzulesen). Mit „digitalem Unterricht“ war darin nämlich nur Unterricht über Videokonferenzen gemeint, für den die allermeisten Schulen gar nicht ausgestattet sind. Das eigentliche Ergebnis lautete: „Die meisten Lehrkräfte versorgen ihre Schülerinnen und Schüler per Mail, Homepage oder Lernplattform mit Unterrichtsmaterialien.“ Dabei gab es auch Kritik auf Elternseite, dass bei der Bearbeitung der Materialien die Familien weitgehend auf sich allein gestellt seien. Längerfristig fühlen sich die Väter und Mütter mit dem Homeschooling überfordert.

Alles in allem aber hieß es: „Trotzdem sehen Eltern mehrheitlich die Angebote der Schulen alles in allem positiv. Mehr als die Hälfte der Eltern (57 Prozent) sind mit der Art und Weise, wie die Schule ihrer Kinder das schulische Arbeiten zu Hause organisiert, grundsätzlich zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Fast zwei Drittel (62 Prozent) sind mit der Kommunikation der Schule in der aktuellen Situation zufrieden.“ „Bild“ unterschlägt diese Ergebnisse. News4teachers

Hier geht es zu dem Bericht auf “Bild”-Online.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Mobbing unter Schülern: Die „Bild“-Zeitung empfiehlt Eltern, Lehrer zu verklagen – sogar Schmerzensgeld sei drin

 

 

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