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OVG: Kein Anspruch für Schüler und Lehrer auf Unterricht ohne jegliche Infektionsgefahr – Abstandsregel zu streichen, ist zulässig

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MAGDEBRUG. Wie viel Nähe im Klassenzimmer ist zulässig angesichts der Corona-Pandemie? Ein Grundschullehrer bestand auf dem Mindestabstand von 1,5 Metern. Vor Gericht ist er nun gescheitert. Das Urteil – es ist bereits das zweite eines Oberverwaltungsgerichts, das die Streichung der Abstandsregel im Unterricht erlaubt – dürfte bundesweit Signalwirkung haben.

Das Gericht hat entschieden – nicht im Sinne der Lehrerverbände in Deutschland. Foto: Shutterstock

Schüler dürfen in Sachsen-Anhalt auch ohne den allgemein geltenden coronabedingten Mindestabstand unterrichtet werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Sachsen-Anhalt am Montag entschieden. Es wies den Antrag eines Grundschullehrers ab, der gegen die Aufweichung des Corona-Abstandsgebots geklagt hatte. Nach Einschätzung des Gerichts verletzen die geltenden Regelungen nicht die staatliche Pflicht zum Schutz der Gesundheit der betroffenen Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler. Die Infektionszahlen im Land seien auf einem vergleichsweise geringen Niveau.

Die Landesregierung sei berechtigt, den Katalog von Maßnahmen zur Eindämmung des Virus stetig anzupassen und nicht mehr für notwendig erachtete Schutzmaßnahmen zurückzunehmen. Zudem sei eine konkrete Gefährdung von Schülern und Lehrern bei Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 Metern bislang wissenschaftlich nicht eindeutig erwiesen. Ein Gesundheitsschutz für Lehrkräfte und Schüler, der die Infektionsgefahr vollständig ausschließe, sei nicht zu verlangen. Die OVG-Entscheidung ist laut einer Sprecherin unanfechtbar.

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“Das Urteil sichert den Weg zurück in die Schulen”

Bildungsminister Marco Tullner (CDU) sagte: «Ich freue mich über das Urteil. Das Ergebnis schafft Rechtssicherheit für alle Schulen und Eltern, aber vor allem sichert es den Weg für Schülerinnen und Schüler zurück in die Schulen.» Bei allen notwendigen Hygienemaßnahmen seien dauerhafte schulische Angebote notwendig, die sowohl die pädagogischen wie auch die sozialen Aspekte beachteten.

Für die meisten Jahrgänge gilt derzeit ein Wechselmodell. Dabei werden die Klassen in kleine Gruppen aufgeteilt und lernen abwechselnd zuhause und in der Schule. So soll der Mindestabstand eingehalten werden, um eine neuerliche Verbreitung des Coronavirus zu verhindern. Die Grundschulen sind aber wieder zum täglichen Unterricht übergegangen. Die Kinder lernen in voller Klassenstärke, aber mit einer festen Lehrkraft. Dafür darf der Mindestabstand von 1,5 Metern unterschritten werden. Als Vorsichtsmaßnahme werden die Klassen strikt voneinander getrennt.

Das OVG führte weiter aus, die Landesregierung habe mit der Entscheidung zur Regelbeschulung mit einem Bündel an Maßnahmen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten. Als Beispiele wurden der Unterricht im festen Klassenverband genannt, der Infektionsketten nachvollziehbar machen soll, Hygienehinweise, Reinigungspläne, ausreichende Lüftung und die Befreiung von Risikogruppen vom Präsenzunterricht.

Die Richter gingen in ihrer Entscheidung auch auf die aktuell vermehrten Neuinfektionen in Magdeburg ein, nach denen diverse Schulen und Horte geschlossen wurden (News4teachers berichtet ausführlich über die Welle von Infektionen in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt – hier). Die Fälle hätten gezeigt, dass die zuständige Infektionsschutzbehörde die für Schüler und Lehrkräfte bestehenden Gefahren zügig durch Maßnahmen vor Ort begegne. Die staatliche Schutzpflicht sei zudem durch das Recht der Kinder auf Bildung und den Schutz von Familien beschränkt. Eine fortdauernde Beschulung und Betreuung zu Hause hindere Eltern zudem daran, ihrer Erwerbstätigkeit nachzugehen, teilte das OVG weiter mit.

GEW hatte den klagenden Grundschullehrer unterstützt

Der klagende Grundschullehrer war von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unterstützt worden. „In den Grundschulen treffen sich die sechs- bis zehnjährigen Kinder auf engstem Raum im Unterricht, auf den Fluren und auf den Außengeländen, ihr Sozialverhalten ist nicht auf Abstand programmiert”, sagte GEW-Landeschefin Eva Gerth. Die Bildung fester Gruppen, die sich nicht begegnen sollten, sei in den Schulen kaum umsetzbar. „Diese Schulen vollständig zu öffnen, setzt die Lehrkräfte und die Kinder einem enormen Risiko aus. Wir möchten mit der Klage überprüfen lassen, ob das Bildungsministerium zu diesem einseitigen Schritt berechtigt war.“

Der Mindestabstand in Schulen beschäftigt nicht nur in Sachsen-Anhalt die Justiz: Erst vergangenen Donnerstag hatte das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen entschieden, dass in den Schulen und Kindergärten in Sachsen von den 1,5 Metern abgewichen werden darf. Eine Grundschullehrerin hatte geklagt – und war ebenfalls  gescheitert (News4teachers berichtete ausführlich über das Urteil – hier geht es zum Bericht).

Und: Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen gab in einem Verfahren, das Eltern angestrengt hatten, den Hinweis, dass Unterricht ohne Abstandsregel auch in weiterführenden Schulen rechtlich möglich sei. Juristisch scheint damit der Weg für die Landesregierungen frei zu sein, den Hygieneschutz in der Corona-Pandemie nach eigenem Ermessen zu regeln. News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

OVG: Präsenzunterricht ohne Abstand auch an weiterführenden Schulen rechtlich möglich

 

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