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Lehrer sitzen faul in der Sonne? Lehrerverband: Ministerium schürt diesen Eindruck

WIESBADEN. Der Verband der Lehrer (VDL) Hessen wehrt sich gegen das negative Bild, das medial über Lehrkräfte allgemein und Grundschullehrkräfte im Besonderen gezeichnet wird. „Alle Lehrkräfte haben in den vergangenen Wochen und Monaten Großartiges geleistet und – trotz miserabler dienstlicher digitaler Ausstattung – einen bemerkenswerten Dienst an der Gesellschaft geleistet“, sagt Vorsitzender Jörg Leinberger. Anlass für das Lob: Der VDL sieht die Leistungen der Lehrerschaft durch immer neue Ankündigungen seitens der Politik missachtet. Wer den Eindruck erwecke, die Kollegien hätten praktisch nichts zu tun, fördere das „Lehrer-Bashing“.

So sieht der Berufsalltag von Lehrerinnen und Lehrer garantiert nicht aus – auch wenn manche das meinen. Foto: Shutterstock

„Gestern Nachmittag kam die 2. Auflage der Handreichung ‚Rechtliche Klärungen, Empfehlungen und Informationen zu unterrichtsersetzenden und unterrichtsunterstützenden Lernsituationen‘ per Mail aus dem Ministerium. Ich habe keine Ahnung, wann ich diese 48 Seiten noch schnell querlesen soll.“ Bei ihr liefen grade die Telefonleitungen heiß, weil Eltern nach Sommercamps fragten, die in diversen Tageszeitungen für den Zeitraum der Sommerferien angepriesen und von den Grundschulen angeboten werden sollen.

Mehr Wertschätzung für die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer

So zitiert der hessische VDL-Landesvorsitzende Jörg Leinberger die Leitung einer Grundschule – und appelliert an das Kultusministerium des Landes, den Lehrkräften insbesondere an den Grundschulen „mehr Wertschätzung für die geleistete Arbeit in den vergangenen Wochen entgegen zu bringen, anstatt den Eindruck zu vermitteln, dass noch zusätzliche Kapazitäten für weitere Aufgaben frei verfügbar wären“.

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Für die Vorbereitung von Sommercamps bräuchte es nämlich Zeit, „die es momentan nicht gibt“, erklärt Leinberger, der nach eigener Aussage in engem Austausch mit zahlreichen Schulleitungen steht. „Ein weiteres Förderangebot für schwache Schülerinnen und Schüler macht das Ministerium mit ‚Ferdi‘. Eigentlich ein guter Gedanke, aber für die Diagnostik dafür ist aktuell einfach keine Zeit, da die Klassen wieder voll sitzen. Durch das Ministerium werden öffentlichkeitswirksam Begehrlichkeiten bei den Eltern geweckt, dass Grundschulen noch Weiteres leisten können.“ In Hessen wurden kurzfristig die Grundschulen kurz vor den Sommerferien noch für den Unterricht von allen Schülern ohne Abstandsregel geöffnet.

Grundschulen laufen am Limit

Leinberger ist empört. Seit drei Monaten laufen die Grundschulen, die er kennt, am Limit: Notbetreuung am Wochenende und in den Ferien, ständige Umplanungen bei den Einsatzplänen durch neue Vorgaben aus Wiesbaden, Ausfälle wegen der Risikogruppe, allgemeine Erkrankungen und sonstige Ausfälle. Der Wechsel aus Präsenz- und Fernunterricht, also zweifache Vorbereitung und Korrektur. Zwei Wochen vor den Ferien noch der Vollbetrieb. Nebenbei noch die Planungen fürs nächste Schuljahr und Zeugnisse. „Wie soll das funktionieren, wenn die Schulleitungen auch noch mit halber Stelle im Unterricht sind?“, fragt der Landesvorsitzende des VDL Hessen. „Und warum wird seitens des Ministeriums in der Öffentlichkeit ständig der Eindruck erweckt, dass die Lehrkräfte seit Wochen quasi in Kurzarbeit in der Sonne sitzen und doch eigentlich noch mehr leisten könnten?“

Zeigt sich empört: VDL-Landesvorsitzender Jörg Leinberger. Foto: VDL

Die Schulleitungen berichten vielerorts, dass viel bewegt worden ist in den letzten Wochen. Der Unterricht in den Kleinklassen im Wechselmodell hat ein individuelles Arbeiten zugelassen, was es so schon lange nicht mehr gab. „Stimmen werden laut, dass der Einsatz von BFZ-Kräften durch Klassen mit maximal 13 Schülerinnen und Schüler deutlich reduziert werden könnte, weil man wesentlich besser auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen könnte“, merkt Leinberger an. „Die Arbeit in den Kleinklassen war bis zu den Sommerferien geplant und dabei hätte es bleiben sollen. Dann wäre auch die Zeit für Ferdi und Ähnliches. Aber so steht jetzt unterm Strich vielerorts ein Fachlehrermangel, weil Klassenteams gebildet werden mussten. In einer Schulform mit einer niedrigen Vollzeitstellen-Quote eine riesige Aufgabe.“ News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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