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Bildungsforscher Zierer: Fernunterricht kann gelingen – mit der richtigen Pädagogik

AUGSBURG. Die Corona-Pandemie hat viele Schulen und Elternhäuser ins sprichwörtliche kalte Wasser gestoßen. Mit einer gelingenden Pädagogik allerdings könne Homeschooling durchaus zu respektablen positiven Effekten führen, befindet der bekannte Augsburger Bildungsforscher Prof. Klaus Zierer.

Das Homeschooling war während der Corona-Pandemie eine der größten Herausforderungen für Familien und hat im Alltag vielfach zu Spannungen und Belastungen geführt. Der Augsburger Schulpädagoge Klaus Zierer hat nun eine aktuelle Studie vorgelegt und die pädagogischen Herausforderungen in den Blick genommen.

Bildung ist Beziehung, die sich nicht vollständig ersetzen lasse, findet der Augsburger Erziehungswissenschaftler Klaus Zierer. Foto: Shutterstock

„Dass diese Maßnahme eine Herausforderung darstellt“, erklärt Zierer, „war von Anfang an offensichtlich, weil sie neu war und alle Beteiligten unvorbereitet getroffen hat.“ Schon eine begriffliche Analyse der durchaus problematischen Bezeichnung „Homeschooling“ zeige, wie spannungsvoll und voraussetzungsreich Fernunterricht oder Lernen zuhause sei, sagt Zierer und warnt vor der Gefahr, dass Eltern zu Ersatzlehrern werden. Gefordert seien in der neuen Situation aufseiten der Lernenden vor allem Gewissenhaftigkeit und Selbstständigkeit. Beides habe jedoch im bisherigen Bildungssystem nicht an erster Stelle gestanden. „Homeschooling ist und bleibt eine Aufgabe der Schule“, so Zierers Resümee.

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Bekannte pädagogische Forschungsergebnisse ließen sich heranziehen, um diese erfolgreich zu gestalten. Insbesondere in John Hatties bekannter Studie „Visible Learning“ fänden sich hilfreiche Hinweise. (Hier geht es zu einem Interview mit Hattie, das News4teachers vor einiger Zeit mit ihm geführt hat.) Bereits vor der Corona-Pandemie habe sich ein beachtlicher Teil der Forschungen sich mit Fernunterricht und der Digitalisierung im Bildungsbereich auseinandergesetzt.

„Entscheidend für erfolgreiches Homeschooling“, schreibt Klaus Zierer vor dem breiten theoretischen Hintergrund, „ist die Pädagogik: Gelingt es Lehrpersonen, trotz Distanz eine vertrauensvolle Atmosphäre aufzubauen, Herausforderungen zu setzten, Rückmeldungen einzuholen und auch zu geben, mit Lernenden in einem engen Kontakt zu bleiben, dann kann Homeschooling durchaus zu respektablen positiven Effekten führen.“ Technik könne hier hilfreich sein, sei aber kein Garant und kein Selbstläufer.

Bildung ist Beziehung

In aller Deutlichkeit warnt Klaus Zierer davor, die aktuelle Ausnahmesituation als neues Normal zu betrachten. Vor allem fehlten die sozialen Kontakte: „Bildung ist im Kern Beziehung und es wäre auf längere Sicht fatal, diese Gedanken zu ignorieren oder digital ersetzen zu wollen. Gerade deswegen ist der Weg zurück in den Normalbetrieb so wichtig.“

Man dürfe nicht den Fehler machen, die Rückkehr in die Schulen mit den Sommerferien zu verwechseln oder die Lernenden hauptsächlich mit Hygienemaßnahmen zu begrüßen. Die Schüler kämen schließlich nach einer längeren Phase sozialer Isolation zurück, in der sie sich alle viele Gedanken über die aktuelle Situation gemacht haben. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen müsse nach Zierers Ansicht, bei aller Wahrung von Hygienestandards, vor allem der Wiederaufbau sozialer Kontakte, also Beziehungsarbeit.

Ebenso nötig sei eine „Entrümpelung der Lehrpläne“, um nicht der Gefahr zu erliegen, in weniger Zeit mehr schaffen zu müssen. Mit Blick auf den Unterricht sei die Stunde des Feedbacks gekommen. Ohne permanente Rückmeldeschleifen zwischen Lernenden, Eltern und Lehrern sei Homeschooling auch nach der Rückkehr in die Schulen, eine nicht zu meisternde Herausforderung zu, es gelte daraus wichtige Lehren für die Zukunft zu ziehen.

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