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Wie Unterricht ohne Abstandsregel laufen soll – Hubig legt Hygienekonzept vor

MAINZ. Mit Corona-Warn-App, Seifenspender und Hygiene-Beauftragten soll die Wiederaufnahme des Regelbetriebs an den Schulen gelingen: Rheinland-Pfalz hat als erstes Bundesland nun ein umfassendes Hygienekonzept für das kommende Schuljahr vorgelegt. Bildungsministerin und KMK-Präsidentin Stefanie Hubig sowie Mediziner beantworteten Fragen dazu.

Sichert das Hygienekonzept das kommende Schuljahr? Foto: Shutterstock

Das neue Schuljahr bringt Kindern und Jugendlichen in Corona-Zeiten ein Stück Normalität zurück – das ist jedenfalls die Hoffnung. Am 17. August soll der Regelbetrieb wiederaufgenommen werden. Das wirft bei Schülerinnen und Schülern, ihren Eltern und den Lehrkräften viele Fragen auf. Antworten gaben am Mittwoch das Bildungsministerium und zwei Professoren der Universitätsmedizin Mainz.

Ist das nicht viel zu riskant, wenn 30 junge Menschen in einer Klasse zusammensitzen?

In Abstimmung mit Medizinern und Hygiene-Experten hat sich nach Angaben von Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) gezeigt, dass angesichts der seit Wochen niedrigen Infektionszahlen die Klassengemeinschaft wieder in ihren gewohnten Räumen zusammenkommen kann. Dafür gilt eine Ausnahme vom Abstandsgebot. «Aber dafür brauchen wir auch Disziplin», sagte Hubig. Auf Körperkontakte, Umarmungen und Händeschütteln muss weiter verzichtet werden. Das Abstandsgebot gilt auch weiterhin außerhalb der Klassenräume.

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Wird die Ausnahme von der Abstandsregel nicht dazu führen, dass sich die Schülerinnen und Schüler auch außerhalb des Klassenraums nicht mehr daran halten?

«Das wird eine Aufgabe für uns alle sein», antwortet die Ministerin. In den Schulen sollen die im neuen Hygieneplan vorgeschriebenen Hygiene-Beauftragten darauf achten, dass sich die Kinder und Jugendlichen an die außerhalb der Klasse geltenden Bestimmungen halten. So schwer es auch fällt: «Auf Körperkontakte, Umarmungen und Händeschütteln ist zu verzichten.»

Wie will der neue Hygieneplan das Infektionsrisiko gering halten?

An erster Stelle steht die persönliche Hygiene mit gründlichem Händewaschen, Husten- und Niesetikette, Mund-Nasenschutz in Fluren, Gängen und Treppenhäusern oder beim Einkauf im Schulkiosk. Ebenso wichtig ist die Raumhygiene mit Stoßlüftungen über mehrere Minuten hinweg. Sie habe in einer Schaltkonferenz mit den Schulträgern deutlich gemacht, sagte Hubig, «dass es wichtig ist, dass die Schulen funktionierende Fenster haben, nicht nur gekippt, sondern weit aufgemacht werden können». Dritter Punkt ist die Hygiene im Sanitärbereich – mit ausreichend Seife, Einmalhandtüchern und täglicher Reinigung. In jeder Schule soll es Hygiene-Beauftragte geben, die dies sicherstellen.

Wie wird der Schulbetrieb aussehen, wenn mit der ersten Erkältungswelle die Angst vor Corona-Infektionen wächst?

Niemand mit Schnupfen, Husten, Fieber oder Halsschmerzen darf die Schule betreten, heißt es im Hygieneplan. «Bei Auftreten von Symptomen während der Unterrichtszeit sind die betreffenden Schülerinnen und Schüler zu isolieren und die Eltern zu informieren.» Wolfgang Kohnen von der Abteilung für Hygiene und Infektionsprävention der Universitätsmedizin Mainz hofft, dass die zunehmende Beachtung der Hygiene-Regeln dazu führen wird, «dass wir diese großen Norovirus-Ausbrüche oder Influenza weniger sehen werden».

Tragen Kinder und Jugendliche nicht in besonderem Maße zur Verbreitung der Pandemie bei?

Das ist wissenschaftlich umstritten. «Nach heutigem Wissensstand sind Kinder keine Superspreader», sagt der Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin an der Universitätsmedizin Mainz, Fred Zepp, beim Termin mit der Ministerin. «Sie bekommen das Virus eher von den Älteren.» Kinder seien eher weniger infektiös als Erwachsene und litten seltener unter einem schweren Krankheitsverlauf von Covid-19 mit einer schweren Lungenentzündung. «Je älter die Jugendlichen werden, desto ähnlicher wird die Viruslast der von Erwachsenen», schränkt der Mainzer Virologe Bodo Plachter ein.

Plachter hatte am 18. Juni im SWR-Fernsehen noch gewarnt: «Wir haben im Augenblick noch wirklich keinen Überblick, wie gefährlich die Schule ist. Das Problem ist, dass natürlich nach Auftreten dieser Pandemie fast in allen Ländern weltweit die Schulen eben geschlossen wurden, so dass wir nicht wirklich gute Daten haben, was in den Schulen wirklich passieren kann.»

So warnte auch der Chef-Virologe der Berliner Charité, Prof. Christian Drosten, noch vor wenigen Tagen (in seinem NDR-Podcast, Folge 50): «Wir müssen unbedingt damit aufhören, zu sagen, die Kinder sind ja gar nicht betroffen – das ist eine Fehlinformation. Die kann uns auf die Füße fallen.»

Was geschieht, wenn krankheitsbedingt nicht genügend Lehrkräfte für den Regelbetrieb zur Verfügung stehen?

Zurzeit stehen nach Angaben von Bildungsministerin Hubig 13 Prozent der Lehrkräfte nicht zur Verfügung. Sie gehe davon aus, dass dieser Anteil zu Beginn des Schuljahres geringer sei. «Und wir kümmern uns mit Hochdruck darum, dass wir den Vertretungsbedarf abdecken.»

Kann die Corona-Warn-App einen Beitrag zum Gesundheitsschutz an den Schulen leisten?

«Die Nutzung der App soll allen am Schulleben Beteiligten ausdrücklich empfohlen werden», heißt es im Hygieneplan. Einen Konflikt zur Einschränkung der Handy-Nutzung durch Schüler sollte es nicht geben. «Man kann ein Handy auch in der Tasche haben», sagt die Bildungsministerin. «Es muss nicht eingeschaltet auf dem Tisch liegen zum Daddeln.»

Die Abstandsregel ist doch in der Landesverordnung vorgeschrieben, wieso können Schulen jetzt eine Ausnahme machen?

Zur juristischen Absicherung der Ausnahme wird die Corona-Bekämpfungsverordnung entsprechend geändert.

Hier geht es zum vollständigen Hygieneplan für die Schulen in Rheinland-Pfalz, der ab dem 1. August gilt.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Philologen verlangen von Hubig eine ehrliche Debatte um Corona-Risiken für Schüler und Lehrer – und: einen Milliarden-Pakt für die Schulen!

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