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„Dann müssen sich alle in den Armen gelegen haben“: Berlins Bildungssenatorin macht Lehrer für Schulschließung verantwortlich

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BERLIN. Musste ein Gymnasium in Berlin seinen Schulbetrieb einstellen, weil sich dessen Lehrkräfte nicht an den Hygieneplan gehalten und geltende Abstandsregeln missachtet haben? Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hat das in einem Fernseh-Interview behauptet – und bekommt dafür viel Gegenwind. Nach einem Bericht des „Tagesspiegels“ haben gleich zwei Personalräte geharnischte Beschwerdebriefe an die Politikerin geschickt. Darin wird sogar mit Klage gedroht.

Der Auftritt von Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres in der Abendschau des rbb sorgt für Ärger. Screenshot

In Berlin ist in der vergangenen Woche das Schuljahr 2020/2021 angelaufen – ohne die bislang geltende Abstandsregel im Unterricht, wie es die Kultusminister im Rahmen der KMK vereinbart hatten. Berlin sei eines der ersten Bundesländer gewesen, das einen Musterhygieneplan für die Schulen aufgestellt habe, sagt Scheeres in der Abendschau des Rundfunks Berlin Brandenburg (hier geht es zu dem vollständigen Interview im rbb). „Das stellt ja einen Rahmen dar, und die Schulen haben die Aufgabe, das dann individuell anzupassen, weil die ja unterschiedliche räumliche Situationen haben. Und der Hygieneplan wird immer wieder auch angepasst werden und abgestimmt werden, weil sich ja gegebenenfalls auch Dinge verändern, vielleicht auch die Infektionszahlen ändern“, betont sie.

Wörtlich führt sie weiter aus: „Wir teilen es mit dem Chef der Ärztekammer und auch dem Bundesverband der Psychologen, dass das unverhältnismäßig ist, sofort ganze Schulen zu schließen, weil wir befinden uns hier in einem Bereich Gesundheitsschutz und Recht auf Bildung. Es reicht vollkommen aus, wenn ein positiver Fall da ist, entweder einzelne Personen in Quarantäne zu schicken oder einzelne Lerngruppen.“

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“Es ist wirklich wichtig, dass in den Schulen die Regeln auch eingehalten werden”

Von der Reporterin angesprochen, Schulschließungen seien angesichts des Infektionsgeschehens doch wohl kaum vermeidbar, antwortet Scheeres: „Das wissen wir nicht, dann müsste wirklich der Worst Case eingetreten sein, wenn man sich da inhaltlich mit auseinandersetzt, dann müssen sich alle in den Armen gelegen haben und 15 Minuten miteinander gesprochen haben. Lerngruppen können einzeln geschlossen werden, einzelne Leute können herausgezogen werden und in dem ein oder anderen Fall – es gab einen Fall, wo heute eine Schule geschlossen worden ist (gemeint ist ein Gymnasium im Stadtteil Friedrichshagen, d. Red.) –, und da bin ich sehr besorgt, weil sich die Lehrkräfte da vor Ort nicht an den Hygieneplan gehalten haben und nicht Abstand gehalten haben und das ist wirklich auch wichtig, dass in den Schulen die Regeln auch eingehalten werden, damit wir den Gesundheitsschutz halten können, aber auch damit unsere Schülerinnen und Schüler beschult werden können und dass unsere Eltern, denen es sehr wichtig war, dass wir wieder Regelbeschulung durchführen, auch wieder arbeiten gehen können, weil das war ja nicht möglich im Bereich Lernen zu Hause.“

In einem Brief, so berichtet nun der „Tagesspiegel“, beklagt der Vorstand des Gesamtpersonalrats, Scheeres stelle die Beschäftigten mit ihren Aussagen „unter Generalverdacht“. Das Interview sei eine „schallende Ohrfeige“ für alle Kollegen, und das Gremium erwarte „eine öffentliche Rücknahme“ der „Behauptung“.

Ein weiteres, noch schärfer formuliertes Schreiben kommt vom Personalrat der zentral verwalteten und beruflichen Schulen – es wird auch vom Gesamtpersonalrat ausdrücklich unterstützt. Darin wird Scheeres aufgefordert, „den Sachverhalt unverzüglich richtigzustellen“. Die Lehrerinnen und Lehrer empfänden deren Äußerungen in dem Interview als „Verrat“.

“Personalräte waren nicht ordentlich beteiligt”

Wörtlich heißt es: „Unsere Telefone stehen heute nicht still, weil eine Vielzahl unserer Kolleg*innen, die gleichzeitig Ihre Beschäftigten sind, ihren Unmut zu Ihrem gestrigen Auftritt in der Abendschau äußern. Sie fordern den Personalrat auf, tätig zu werden. Ihre Aussage mit dem Ausdruck der Besorgnis, dass die Lehrkräfte vor Ort sich nicht an die Hygieneregeln halten würden, kam – um es mal vorsichtig auszudrücken – bei den Beschäftigten nicht gut an. Vorherrschend ist das Gefühl, dass Sie ihnen öffentlich den ‚Schwarzen Peter‘ zugeschoben haben, um selbst in einem besseren Licht zu stehen.“

Zudem droht der Personalrat der Senatorin, „unverzüglich in den Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht zu gehen“, wenn sie nochmals „vorsätzlich“ die Beteiligungsrechte verletze. Anders als behauptet, seien die Personalräte nämlich beim Musterhygieneplan und dem Handlungsrahmen nicht ordentlich beteiligt worden. „Wir lassen uns von ihnen nicht diskreditieren“. News4teachers

Hier lässt sich das vollständige Schreiben des Personalrats der zentral verwalteten und beruflichen Schulen an Bildungssenatorin Scheeres herunterladen.

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