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Schulleiter: Hygienevorgaben der Bildungsverwaltung sind überhaupt nicht einzuhalten

BERLIN. Dieses Schuljahr wird kein gewohntes sein. Wegen des Coronavirus wird Schülern wie Lehrern viel abverlangt. Und ob in der Pandemie alles so läuft wie geplant, ist offen. In Berlin kocht die Kritik an der Vorbereitung des Schuljahres durch die Bildungsverwaltung hoch: Die GEW nennt die Pläne fahrlässig. Die Vereinigung der Schulleiter von integrierten Sekundarschulen stellt fest: Die Vorgaben sind gar nicht einzuhalten. 

Das Coronavirus soll in Schulen ausgebremst werden – klappt das? Illustration: Shutterstock

Nach den Sommerferien beginnt in Berlins Schulen am Montag wieder der Unterricht. Das neue Schuljahr 2020/2021 steht ganz im Zeichen der Corona-Pandemie, wegen der die Schulen in der zweiten Hälfte des vergangenen Schuljahres wochenlang geschlossen waren. Nachdem es anschließend bis zu den Ferien eine Mischung aus Präsenzunterricht in kleinen Gruppen und Lernen zu Hause gab, sollen die Schulen nun wieder im Regelbetrieb öffnen.

Ob allerdings in Corona-Zeiten ein weitgehend normaler Unterricht mit rund 370.000 Schülern funktioniert, ist offen. Die Lehrergewerkschaft GEW hält das für illusorisch und nennt die Pläne mit Blick auf Infektionsgefahren fahrlässig. Skeptisch zeigte sich auch die Vorsitzende der Vereinigung der Schulleiter von integrierten Sekundarschulen (ISS), Miriam Pech. «Ich halte diesen Einstieg für falsch», sagte sie. Aus ihrer Sicht wäre eine Mischung aus Präsenz- und digitalem Unterricht die bessere Variante gewesen. Die eine Hälfte der Klasse könne zu Hause lernen, die andere in der Schule – bei regelmäßigem Wechsel.

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Bei vollen Schulen ist der Mindestabstand nicht einzuhalten

Die Opposition im Abgeordnetenhaus hält die Vorbereitungen ebenfalls für unzureichend. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ließ dagegen am Wochenende erklären: «Berlin geht verantwortungsbewusst ins neue Schuljahr.»

Bei vollen Schulen sind 1,5 Meter Mindestabstand nicht einzuhalten. Daher gilt dies nicht mehr. Stattdessen beschloss der Senat eine Maskenpflicht für Schulgebäude, die Lehrer und Schüler einzuhalten haben. Sie kommt auf Fluren, in Aufenthalts- und Begegnungsräumen zum Tragen, nicht jedoch im Unterricht oder auf dem Schulhof – und auch nicht bei der Hortbetreuung.

Weitere Maßnahmen zum Schutz vor Sars-CoV-2 sind in einem landesweiten Musterhygieneplan und individuellen Schulplänen verankert. Demnach müssen Regeln wie regelmäßiges Händewaschen, regelmäßige Reinigung oder regelmäßiges Lüften der Räume eingehalten werden. Feste Lerngruppen, die möglichst in einem Raum verbleiben, sollen dafür sorgen, dass es wenig Begegnung und Austausch zum Beispiel mit Schülern außerhalb der eigenen Klasse gibt.

Elternschaft: Maskenpflicht im Unterricht zumindest in der ersten Woche

Über Maskenpflicht und Hygienekonzepte wurde bis zuletzt gestritten. Am Wochenende forderten der Landeselternausschuss und die zwölf Bezirksausschüsse, Schüler und Lehrer sollten zumindest in der ersten Schulwoche auch im Unterricht Mund-Nasen-Schutz tragen. Begründet wurde dies mit Reiserückkehrern als quasi unbekannte Größe und einer damit womöglich verbundenen höheren Infektionsgefahr. Dies zeigten jüngste Schulschließungen wegen Corona in Mecklenburg-Vorpommern (News4teachers berichtet ausführlich über die Fälle – hier geht es zu den Beitrag.)

Die Elternvertreter verlangten vor diesem Hintergrund zudem, den Schulen freizustellen, in den ersten ein oder zwei Wochen mit reduzierter Klassengröße zu unterrichten. Nötig seien auch mehr Corona-Tests für Schüler und Lehrkräfte.

Schulleiterin und Verbanssprecherin Pech gab zu Bedenken, dass manche Hygienevorgaben wie feste Lerngruppen kaum umzusetzen seien, nicht zuletzt bei den Wahlpflichtfächern. Schon bei der zweiten Fremdsprache mischten sich Schüler unterschiedlicher Klassen. Pech wies darauf hin, dass mit Schulbeginn auf einen Schlag Schüler, Lehrkräfte, Sozialarbeiter und andere Mitarbeiter in vielfach enge Räume in den Schulen zurückkehren. «Und niemand weiß, wo sie herkommen, wo sie im Urlaub waren, welche Kontakte sie hatten.»

Plan B: eine Mischung aus Präsenzunterricht und Lernen zu Hause

Scheeres lehnt eine Maskenpflicht auch im Unterricht ab. Lehrer, Schüler und Eltern könnten aber auf freiwilliger Basis Vereinbarungen dazu treffen, sagte ein Sprecher. Berlin gehe hier im Einklang mit anderen Bundesländern vor, auch bei der Frage des Regelbetriebs. Sollte indes ein verstärktes Infektionsgeschehen wieder landesweite Beschränkungen nach sich ziehen, müssen die Schulen reagieren. Die Bildungsverwaltung legte Mindeststandards für einen Plan B fest: Demnach ist je nach Schulart in unterschiedlicher Form eine Mischung aus Präsenzunterricht und «angeleitetem Lernen» zu Hause geplant.

Die Corona-Krise verschärft ein Problem, das Berlin wie andere Länder schon länger beschäftigt: den Lehrermangel. Nach Angaben von Scheeres konnte der Bedarf an neuen Lehrern, der so hoch sei wie seit 30 Jahren nicht, zwar mit 2700 Einstellungen halbwegs gedeckt werden. Ein Drittel davon sind Quereinsteiger, die kein Lehramt studiert haben. Allerdings wollen zahlreiche Lehrer momentan nicht in der Schule unterrichten, weil sie sich zu Corona-Risikogruppen zählen.

Wie viele Lehrer fehlen, weil sie Risikogruppen angehören?

Unklar ist, wie viele das sind. Die Bildungsverwaltung ging zuletzt von sieben Prozent aus – was bei 33.000 Lehrern an öffentlichen Schulen um die 2300 Menschen wären. Die Gewerkschaft GEW schätzt, dass es mehr als doppelt so viele sind, nämlich 15 Prozent oder knapp 5000.

Insgesamt lernen gut 371.000 Schüler an den allgemeinbildenden Schulen der Bundeshauptstadt – das sind rund 7000 mehr als im vergangenen Schuljahr. Hinzu kommen rund 87 000 Berufsschüler. Für 36 800 Schulanfänger startet erst in einer Woche der «Ernst des Lebens». Das sind 3000 Kinder mehr als vor einem Jahr und so viele wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Berlin hat 691 öffentliche sowie 343 private Schulen. Berufsschulen sind dabei eingerechnet. dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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