BERLIN. Bundesweit befinden sich offenbar Tausende von Schülern und Lehrern aufgrund von Corona-Infektionen an ihren Schulen in Quarantäne. Drei Bundesländer melden jeweils mehrere tausend Betroffene. Von zwei Schulen in Deutschland, eine Gesamtschule in Rostock und ein Gymnasium im saarländischen Lebach, wurden zudem sämtliche Schüler und Lehrer nach Corona-Ausbrüchen in Quarantäne geschickt – jeweils rund 900 Menschen. Für die Betroffenen sowie ihre Angehörigen ist das Ausgehverbot mit einer hohen Belastung verbunden.
Im Zuge der Corona-Pandemie befinden sich nach jüngsten Zahlen des nordrhein-westfälischen Schulministeriums 6.987 Schüler und rund 576 Lehrer im Land in Quarantäne. Bei 238 Schülern und 46 Lehrkräften sei eine Infektion mit dem Virus bestätigt worden, berichtete die in Düsseldorf erscheinende «Rheinische Post» unter Berufung auf das Ministerium. Vier Schulen seien wegen der Pandemie komplett geschlossen, dazu kämen 106 Teilschließungen. Das Schulministerium hat die Zahlen laut Zeitung in einer Umfrage am 9. September ermittelt, an der 4510 von 4862 Schulen teilgenommen hätten. Aktuellere Daten liegen nicht vor; das Ministerium hat offenbar keinen tagesaktuellen Überblick über das Geschehen.
Die KMK sammelt keine Daten über Infektionen oder Quarantäne von Lehrern und Schülern
Jüngere Zahlen aus Bayern liegen auf einem ähnlichen Niveau: Derzeit (Stand Sonntagabend) befinden sich mehr als 8.800 Schüler und 771 Lehrer im Freistaat in Quarantäne – zwei Tage zuvor waren es erst 7660 Schüler gewesen. Bei 383 Kindern und Jugendlichen sowie 48 Lehrern wurde bis Sonntag landesweit eine Infektion festgestellt.
Das Kultusministerium in Wiesbaden meldet (Stand 18. September): 4.718 Schüler in Hessen könnten „aufgrund von behördlichen Maßnahmen derzeit nicht am Präsenzunterricht teilnehmen“. Im Klartext: Quarantäne. Von den Lehrern im Land seien 483 betroffen.
Bundesweite Angaben über Corona-Infektionen oder damit verbundene Quarantäne-Maßnahmen an Schulen gibt es nicht; die Kultusministerkonferenz sammelt keine entsprechenden Daten. Gleichwohl dürfte das Ausmaß der Betroffenheit in Deutschland bereits zum Start des Schuljahres 2020/2021 enorm sein. Aus Baden-Württemberg, das als letztes Bundesland erst am vergangenen Montag ins Schuljahr gestartet ist, werden bereits erste Fälle gemeldet. Nach Infektionsfällen an Schulen und einer Kita in Karlsruhe und Pforzheim wurden mehr als 100 Kontaktpersonen in Quarantäne geschickt.
Angehörige von Schülern und Lehrern sollen sich in freiwillige Quarantäne begeben
Die Auswirkungen für die betroffenen Familien sind drastisch – schon zeitlich. „Die häusliche Quarantäne dauert bei Covid-19 meistens 14 Tage”, so heißt es auf der Seite des niedersächsischen Kultusministeriums. „Dieser Zeitraum entspricht der bislang festgestellten Inkubationszeit, also der maximalen Dauer von der eigentlichen Ansteckung bis zum Auftreten der ersten Krankheitssymptome.” Über Abweichungen entschieden die Gesundheitsämter.
Auch Eltern und Angehörige von Schülern, die etwa in Krankenhäusern, Kindergärten, Schulen oder ähnlichen Bereichen arbeiten, sollen sich während der Quarantäne in freiwillige Isolation begeben oder zumindest Rücksprache mit ihrem Arbeitgeber halten, ob und wie sie weiter arbeiten können, rät etwa das Gesundheitsamt des Landkreises Saarlouis. Auch Geschwisterkinder, die Kitas und Schulen besuchen, sollen zu Hause bleiben. Erst wenn ein negatives Ergebnis des eigenen Kindes vorliege und das Kind keinerlei Symptome zeige, könnten diese Vorsichtsmaßnahmen aufgehoben werden.
Anlass: Nach weiteren Coronavirus-Fällen bleibt ein Gymnasium im saarländischen Lebach bis einschließlich 25. September geschlossen. Rund 900 Schüler, Lehrer und Beschäftigte des Geschwister-Scholl-Gymnasiums sollen bis dahin in Quarantäne ausharren (in der sie sich bereits seit vorvergangener Woche befinden).
Kontrollen der Familien durch den Ordnungsdienst sind möglich
Noch deutlicher wurde Rostocks Schulsenator Steffen Bockhahn (Linke) gegenüber dem NDR. Das oberste Gebot laute nun Abstand halten. Er empfahl den Eltern im Umgang mit ihren Kindern: „Sie in ihrem Zimmer alleine lassen, Essen hereinreichen und ansonsten den Kontakt auf das Nötigste beschränken.“ Das sei nicht schön, aber unvermeidlich. „In aller Deutlichkeit: Die Wohnung wird nicht verlassen durch die betroffenen Kinder.“
Auf der Seite des Rathauses heißt es: „In einem Haushalt sollen Sie nach Möglichkeit eine zeitliche und räumliche Trennung von den anderen Haushaltsmitgliedern einhalten. Eine zeitliche Trennung kann z.B. dadurch erfolgen, dass die Mahlzeiten nicht gemeinsam, sondern nacheinander eingenommen werden. Eine räumliche Trennung kann z.B. dadurch erfolgen, dass Sie sich in einem anderen Raum als die anderen Haushaltsmitglieder aufhalten.” Kontrollen durch den Kommunalen Ordnungsdienst seien möglich.
Anlass hier: der Ausbruch in einer Gesamtschule. Sämtliche 800 Schüler und 80 Lehrer der Schule wurden deshalb vergangene Woche in die Quarantäne geschickt, die wohl bis nächste Woche dauern wird. Unter die Quarantäne fallen auch Geschwisterkinder.
Für Eltern ist die Quarantäne ihrer Kinder arbeitsrechtlich heikel
Dass die Situation für Eltern arbeitsrechtlich heikel sein kann, macht Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Gütersloh und Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, deutlich. «Wenn ein Kind in Quarantäne kommt, handelt es sich nicht um einen Krankheitsfall», sagt er. In einem solchen Fall greift laut Schipp aber der Paragraf 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Der besagt, dass Arbeitnehmer, die aus einem Grund, für den sie selbst nichts können, vorübergehend nicht zur Arbeit kommen können, trotzdem weiterhin Lohn erhalten. Insbesondere bei kleinen Kindern sei davon auszugehen, dass dann eine Betreuung notwendig ist, sagt der Fachanwalt.
«Die entscheidende Frage ist aber: wie lange?», so Schipp. Wenn das Kind nicht selbst krank ist, könne diese Norm nicht endlos lange gelten. Vom gängigen Zeitraum von 14 Tagen Quarantäne könne man eher nicht ausgehen. Darüber hinaus: Schüler sind eben in der Regel keine kleinen Kinder. Es komme immer auf die Umstände des Einzelfalls an, so Schipp.
Betroffenen Eltern dürfte das eher wenig helfen. News4teachers / mit Material der dpa
Das Robert-Koch-Institut hat ein Faltblatt für Quarantäne-Betroffene herausgegeben. Darin heißt es:
“Für Familien mit Kindern kann häusliche Quarantäne eine besondere Herausforderung sein, u. a., wenn es um Unterstützung bei der Versorgung der Kinder geht.
- Versuchen Sie miteinander so gut es geht in Verbindung zu bleiben.
- Wenn Sie nach der Quarantäne Hinweise darauf haben, dass Ihre Kinder im Kindergarten oder in der Schule ausgegrenzt werden, sprechen Sie mit dem pädagogischen Personal.
Mit einer Quarantäne können psychosoziale Belastungen einhergehen. Dazu gehören z. B. Ängste und Sorgen vor einer Ansteckung, das Gefühl, ausgegrenzt zu werden, Einsamkeit, Anspannung oder Schlafstörungen.
- Auch wenn Sie keinen direkten Kontakt zu Personen haben dürfen, bleiben Sie mit Freunden und Familienangehörigen über Telefon, Internet oder andere Medien in Verbindung.
- Überlegen Sie, was Ihnen in belastenden Situationen außerdem helfen könnte.
- Nutzen Sie vorhandene telefonische Hilfsangebote wie z. B. das Seelsorgetelefon oder Krisendienste.
Nutzen Sie auch in der häuslichen Quarantäne Ihre Möglichkeiten, Sport zu treiben (z. B. mit einem Heimtrainer oder machen Sie ein- fache Gymnastikübungen). So bleiben Sie fit und können negativen Stress abbauen.”
Hier lässt sich das Faltblatt des RKI “Häusliche Quarantäne” herunterladen.
