Website-Icon News4teachers

Debatte um Microsoft-Dienste in der Schulcloud: Liest Big Brother mit?

STUTTGART. Elternvertreter und Lehrer haben eindringlich vor einer Nutzung von Microsoft-Programmen für die geplante digitale Bildungsplattform des Landes Baden-Württemberg gewarnt. Die Schulen bräuchten möglichst schnell eine Lernplattform, deren Server innerhalb der EU stünden, die datenschutzkonform seien und Persönlichkeitsrechte von Lehrern und Schülern schützten, teilten der Landeselternbeirat, die Arbeitsgemeinschaften gymnasialer Elternvertreter und der Philologenverband am Montag in Stuttgart mit.

Interesse an Schülerdaten? Microsoft-Zentrale in München. Foto: Shutterstock

Die digitale Souveränität des Staates dürfe nicht in Frage gestellt werden durch dominante Anbieter und die Abschaltmöglichkeit von Cloud-Produkten, hieß es. „Was, wenn Trump nicht nur Soldaten abzieht, sondern auch Clouddienste einschränkt?“, fragte Cord Santelmann vom Philologenverband mit Blick auf den US-Präsidenten. „Das ist nicht absurd, sondern die Welt, in der wir heute leben.“

Junge Philologen fordern bundeseinheitliche Schulcloud

Auch die Jungen Philologen zeigten sich kritisch gegenüber dem US-Riesen. „‘Big Brother‘ darf nicht über Schulen in Baden-Württemberg wachen“, so heißt es in einer Pressemitteilung der Nachwuchs-Lehrer. Der Datenschutz und der Schutz der Persönlichkeitsrechte von Schülern und Lehrkräften müssten in der Schule gewährleistet werden. „Wir Jungen Philologen fordern eine bundeseinheitliche Schulcloud mit allen wichtigen Grundfunktionen (Dateiablage, Kommunikationsmöglichkeiten etc.) und mit schulindividuell integrierbaren Zusatzfunktionen (Open Source LMS, mailbox.org, Videochatsysteme u.v.m.), die den Datenschutzbestimmungen entspricht und die die Persönlichkeitsrechte von Schülern und Lehrkräften nicht verletzt.“

Anzeige

Gerne seien die Jungen Philologen bereit, an der Gestaltung einer Schulcloud mitzuwirken und ihre Ideen und Vorschläge einzubringen. „Denn bei vielen schulpolitischen Entscheidungen – in Bezug auf die Digitalisierung, aber auch auf andere Bereiche – hat man leider das Gefühl, dass die Situation, die Bedürfnisse und die Anliegen der Basis nur eine untergeordnete Rolle spielen und damit der pragmatische Ansatz häufig fehlt“, meint Landesvorsitzende Martina Scherer.

Es müsse darum gehen, nicht nur demokratische und mündige Schülerinnen und Schüler auszubilden, sondern diese „im Sinne der Vermittlung von persönlicher Software-Autonomie im Unterricht“ an die Nutzung alternativer, freier und unbeschränkt verfügbarer Software – und nicht nur an kommerzielle Produkte von Marktführern – heranzuführen. Als Beispiele hierfür nennt die Junge-Philologen-Landesvorsitzende freie Softwarelösungen wie LibreOffice als Bürosoftwarepaket, Big Blue Button als Videokonferenztool sowie Moodle oder Nextcloud als virtuelle Lernumgebungen. „Wir Jungen Philologen halten es für wichtig, dass Jugendliche an den Schulen in die Lage versetzt werden, später selbständig darüber entscheiden zu können, welche Computerprogramme sie verwenden wollen und welche nicht“, so Martina Scherer.

Ministerium: Entscheidung über Microsoft-Nutzung an Schulen ist noch nicht getroffen

Auch die Opposition hat Bedenken hinsichtlich der Microsoft-Nutzung an Schulen. Das Kultusministerium entgegnete am Montag, dass die Entscheidung über den Einsatz von Microsoft-Produkten noch gar nicht getroffen sei. Das Ministerium prüfe lediglich den Einsatz von Bestandteilen von Microsoft 365 und sei dazu fortlaufend mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz im Gespräch. Ziel sei es, bis Anfang Oktober zu bestimmen, wie die Nutzung dieser Bestandteile unter datenschutzkonformen Bedingungen aussehen könne. Damit solle etwa sichergestellt werden, dass keine Daten außerhalb der EU gespeichert würden.

Der Bielefelder Datenschutzverein Digitalcourage hatte unlängst wegen der Microsoft-Pläne an Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) den Negativpreis «Big Brother Award» für Datenkraken und Privatsphäre-Verletzungen verliehen (News4teachers berichtete darüber – hier geht es zu dem Beitrag). News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Länder blamieren sich bei der Entwicklung von Schulclouds – ein neues IT-Millionengrab hat sich aufgetan

Die mobile Version verlassen