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Leopoldina warnt vor Corona-Welle durch Aerosole in Innenräumen – Philologen fragen Kultusminister: „Was ist Ihr Konzept?“

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HALLE. In Anbetracht sinkender Temperaturen und der Verlagerung von Gruppenaktivitäten in Innenräume besteht die Gefahr, dass es abermals zu einer schwer kontrollierbaren Entwicklung der Corona-Pandemie in Deutschland kommt – davor warnt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einer aktuellen Stellungnahme. Die altehrwürdige Forschergemeinschaft verlangt darin von Bund und Ländern: „Wirksame Regeln für Herbst und Winter aufstellen!“ Der Philologenverband sieht vor allem die Kultusminister gefordert. Er fragt sie direkt: „Was ist Ihr Konzept?“

Wo ist die Reaktion der Kultusminister auf den Stand der Forschung in Sachen Corona? Philologen-Chefin Susanne Lin-Klitzing macht Druck. Foto: DphV

„In den vergangenen Monaten sind wichtige Erkenntnisse, insbesondere zur Bedeutung der Übertragungswege von SARS-CoV-2, hinzugekommen“, so schreibt die Nationalakademie in ihrem aktuellen Papier. „Während Infektionen durch den Kontakt mit kontaminierten Oberflächen eine untergeordnete Rolle zu spielen scheinen, rückt neben der nach wie vor zentralen Tröpfcheninfektion die Übertragung durch Aerosole in voll besetzten, wenig belüfteten Räumen in den Fokus.“

Kaum Übertragungen im Freien – umso mehr in Innenräumen

Heißt konkret: „Virionen mit einem Durchmesser von ca. 0,15 μm werden in der Regel als Teil größerer Partikel in der Atemluft, sogenannter Tröpfchen (klassische Definition: > 5 μm) und Aerosole (klassische Definition: < 5 μm), verbreitet. Man geht davon aus, dass die größeren Tröpfchen in der Regel in einem Radius von ca. 1-2 m auf den Boden fallen, während sich Aerosole in geschlossenen Innenräumen im gesamten Raum verteilen und aufgrund normaler Luftbewegungen länger in der Luft bleiben. Allerdings sind die Übergänge zwischen Tröpfchen und Aerosolen fließend.“

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Bei Kontakten im Freien seien bei entsprechenden Abständen kaum Übertragungen für SARS-CoV-2 beschrieben worden, berichten die Wissenschaftler. „Daher kann davon ausgegangen werden, dass ein regelmäßiger Luftaustausch bzw. Lüftungstechnik mit Schwebstofffiltern (sog. HEPA-Filter) das Risiko einer Infektion in geschlossenen Räumen deutlich reduziert.“

Bezüglich der Bedeutung von Aerosolen im Infektionsgeschehen gibt es zwar noch wissenschaftliche Unsicherheiten. Aber: „In Krankenhauszimmern von infizierten Personen konnten in Aerosolen auch im Abstand von mehr als 2 m vermehrungsfähige Viren nachgewiesen werden.“ Es sei nicht eindeutig geklärt, wie viele infektiöse Viruspartikel für eine folgenreiche Infektion eingeatmet werden müssen. „Auch wenn es nach wie vor noch Unsicherheiten gibt, kann ein korrekt getragenen Mund-Nasen-Schutz in Verbindung mit regelmäßigem Luftaustausch das Risiko der Übertragung des Virus reduzieren: Berechnungen zeigen, dass das Infektionsrisiko durch regelmäßiges Stoßlüften etwa um die Hälfte, durch zusätzliches Maskentragen sogar um einen Faktor fünf bis zehn gesenkt werden kann“, so resümieren die Wissenschaftler den aktuellen Stand der Forschung.

Philologen: Voraussetzungen für sicheren Unterricht im Herbst und Winter schaffen!

Der Philologenverband geht die Kultusminister direkt an. „Die Leopoldina fordert in ihrem aktuellen Gutachten angesichts der Pandemie den regelmäßigen Luftaustausch in Räumen, der dort, wo nötig, auch durch Hochleistungsluftfiltersysteme unterstützt werden sollte. – Der Koalitionsausschuss der Bundesregierung hat am 25. August ein Förderprogramm in Höhe von 500 Millionen Euro zur Corona-gerechten Umrüstung von Klimaanlagen in öffentlichen Gebäuden und Versammlungsstätten beschlossen. Was ist Ihr Konzept für wirksamen Gesundheitsschutz in den öffentlichen Schulräumen für Lehrkräfte und ihre Schülerinnen und Schüler? Stellen Sie es vor!“, fordert Verbandsvorsitzende Susanne Lin-Klitzing die Kultusminister auf. „Denn damit der Schulunterricht im Herbst und Winter in den Schulen stattfinden kann, müssen spätestens jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden.“

Der Forderungskatalog des Philologenverbands an die für die Schulen verantwortlichen Politiker:

„Sorgen Sie für

In Zeiten der Krise und voraussichtlich weiter ansteigenden Infektionszahlen im Herbst und Winter müssten kurzfristige Maßnahmen, je nach aktuellem Wissensstand, umgesetzt werden.

Darüber hinaus mahnt Lin-Klitzing: „Setzen Sie auch mittel- und langfristige Ziele um. Ein Schulsanierungs- und Schulbau-Konjunkturprogramm mit einer neuen gemeinsamen Finanzierung durch Bund, Länder und Kommunen ist nötig, da viele Kommunen damit überfordert sind. Schulbauten dürfen nicht länger vernachlässigte Gebäude sein, sondern müssen gesundheitsförderliche und vorzeigenswerte Bildungsstätten in Deutschland für die junge Generation und ihre Lehrkräfte werden!“ News4teachers

Hier lässt sich die vollständige Stellungnahme der Leopoldina herunterladen.

Der Corona-Steckbrief des RKI

Das Robert-Koch-Institut hat seinen Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit mittlerweile angepasst – und beschreibt nun die Infektion durch Aerosole neben der Tröpfcheninfektion als Hauptansteckungsquelle. Eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen wird zwar nicht ausgeschlossen, gilt aber – anders als vor einigen Monaten – nicht mehr als Hauptübertragungsweg. Wörtlich heißt es beim RKI (Stand 25. September 2020, 10 Uhr):

“Der Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 ist die respiratorische Aufnahme virushaltiger Flüssigkeitspartikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehen (1, 2). Je nach Partikelgröße unterscheidet man zwischen Tröpfchen (größer als 5 µm) und Aerosolen (feinste luftgetragene Flüssigkeitspartikel und Tröpfchenkerne, kleiner als 5 µm), wobei der Übergang zwischen beiden Formen fließend ist. Während insbesondere größere respiratorische Tröpfchen schnell zu Boden sinken, können Aerosole auch über längere Zeit in der Luft schweben und sich in geschlossenen Räumen verteilen. Ob und wie schnell die Tröpfchen und Aerosole absinken oder in der Luft schweben bleiben, ist neben der Größe der Partikel von einer Vielzahl weiterer Faktoren, u. a. der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit, abhängig.

Beim Atmen und Sprechen, aber noch stärker beim Schreien und Singen, werden Aerosole ausgeschieden; beim Husten und Niesen entstehen zusätzlich deutlich mehr Tröpfchen. Neben der steigenden Lautstärke können auch individuelle Unterschiede zu einer verstärkten Freisetzung beitragen. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber infektiösen Tröpfchen und Aerosolen im Umkreis von 1-2 m um eine infizierte Person herum erhöht.

Bei längerem Aufenthalt in kleinen, schlecht oder nicht belüfteten Räumen kann sich die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole auch über eine größere Distanz als 1,5 m erhöhen, insbesondere dann, wenn eine infektiöse Person besonders viele kleine Partikel (Aerosole) ausstößt und exponierte Personen besonders tief einatmen. Durch die Anreicherung und Verteilung der Aerosole im Raum ist das Einhalten des Mindestabstandes zur Infektionsprävention ggf. nicht mehr ausreichend.”

Hier geht es zum vollständigen Steckbrief des RKI zum Coronavirus.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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