HAMBURG. Der Corona-Ausbruch mit bislang offiziell 29 infizierten Lehrern und Schülern an der Hamburger Heinrich-Hertz-Schule schlägt Wellen. „Unsere Kinder sind keine Versuchskaninchen“, sagt Nadja Frenz, Sprecherin der Initiative „Sichere Bildung für Hamburg“. Die Eltern haben einen Forderungskatalog an den Hamburger Senat aufgestellt, dem sich die GEW ausdrücklich anschließt. „Es kann nicht sein, dass Hamburg erst eine Eskalation der Pandemie abwartet, bevor nachhaltige Maßnahmen zum Gesundheitsschutz ergriffen werden“, so heißt es darin.
Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) hatte gestern – halbherzig – den Corona-Ausbruch an der Schule in Hamburg-Winterhude bestätigt. „Erstmals ist hier davon auszugehen, dass sich ein Teil der hier bislang entdeckten 26 infizierten Schüler und drei infizierten Schulbeschäftigten abweichend von allen anderen Schulen auch innerhalb der Schule angesteckt haben könnten“, so erklärte er (News4teachers berichtete).
Die Elterninitiative „Sichere Bildung für Hamburg“ fordert nun dringend „ein Umdenken und Umlenken“ vom Senat und insbesondere vom Schulsenator – und das bedeutet konkret:
- „Der Stufenplan muss angepasst und konkret gefasst werden.“
- „Das ‚Kohortenmodell‘, das ohnehin nur der Schadensbegrenzung, nicht der Prävention gilt, hat in der bisher praktizierten Form an der Heinrich-Hertz-Schule im Realitätstest versagt. Es muss aufgegeben werden zugunsten kleiner, fester Lerngruppen, wie von der Deutschen Gesellschaft für Virologie und der Nationalen Akademie der Wissenschaften empfohlen. Auch der Einsatz von Lehrkräften muss überdacht und so weit wie möglich auf kleine Einheiten begrenzt werden.“ (Über die Stellungnahmen der Deutschen Gesellschaft für Virologie und der Leopoldina hat News4teachers ausführlich berichtet – hier geht es zu dem Beitrag.)
- „Es muss alles dafür getan werden, dass Distanz- und Hybridunterricht möglichst bald und an allen Schulen funktionieren. Wir könnten früher darauf angewiesen sein als uns lieb ist. Dafür müssen auch die digitale Ausstattung der Schulen und die Kompetenz von Schüler*innen und Lehrkräften forciert gefördert werden.“
- „Es müssen dringend Standards für das Lüften als derzeit einzige im Klassenraum praktizierte Schutzmaßnahme entwickelt werden, die auch in der kalten Jahreszeit einen ausreichenden Luftaustausch gewährleisten. CO2-Ampeln können hier einen sinnvollen Beitrag leisten. Und für Räume, die baulich schwer zu lüften sind, sollten umgehend Luftreinigungsgeräte angeschafft werden.“
- „Die Infografiken zum Umgang mit Atemwegs-Symptomen müssen überarbeitet und klarer gefasst werden. Es kann nicht sein, dass einerseits die Eltern mit der Entscheidung alleingelassen werden, wie bei Anzeichen eines Infekts verfahren werden soll, eine laufende Nase ausdrücklich als harmlos bezeichnet wird – und der Schulsenator den Familien dann aber indirekt den öffentlichen Vorwurf macht, es seien Schüler*innen trotz Symptomen zur Schule gekommen.“
Die Lehrergewerkschaft GEW hat sich den Forderungen ausdrücklich angeschlossen. Sie teilt die Erklärung der Hamburger Eltern auf ihrer Homepage. News4teachers
Auch die anderen Lehrerverbände zeigen sich mit der Corona-Politik von Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) unzufrieden. „Seit einigen Wochen läuft der Schulbetrieb in Hamburg und die aufgetretenen Infektionszahlen in den Hamburger Schulen sind zum Glück nicht gravierend, dennoch gibt es regelhaft drei bis fünf Fälle pro Tag. Der Umgang damit gibt Anlass zur Kritik und Sorge“, so heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Lehrergewerkschaften Hamburg, in der unter anderem der Philologenverband und der VBE zusammengeschlossen sind. Viele Kolleginnen und Kollegen seien verunsichert.
In dem Papier heißt es: „Besonders auffällig ist, dass die Entscheidungsprozesse der Gesundheitsämter zum Teil unklar und die Entscheidungen nicht nur verschiedener Gesundheitsämter, sondern sogar innerhalb eines Gesundheitsamtes widersprüchlich sind. So werden in einem Fall nur die Schüler und Schülerinnen der direkten Umgebung (Sitznachbarn) des Krankheitsfalls in Quarantäne gesetzt und in anderen Fällen die ganze Klasse. Die betreffenden Kollegen und Kolleginnen werden ebenso unterschiedlich behandelt: Einerseits werden Lehrkräfte auch in Quarantäne beordert und andererseits gelten sie als Kontaktpersonen zweiten Grades nicht als quarantänewürdig, ohne dass das zuständige Gesundheitsamt jemals die mitunter beengte Klassenraumsituation vor Ort direkt unter Augenschein genommen hat.“
Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.
Zum Fremdschämen! Die durchsichtigen Zahlentricks der Kultusminister in der Corona-Krise
