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Musterprozess: Grundschulleiter scheitert mit Klage auf Ausgleich von Überstunden – GEW geht in Berufung

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HANNOVER. Viele Lehrkräfte arbeiten im Schnitt länger als eigentlich erlaubt – auch in Niedersachsen, wie eine Arbeitszeitstudie der Uni Göttingen ergab. Vor Gericht hilft die Expertise aber einem Schulrektor wenig. Seine von der GEW unterstütze Klage auf Ausgleich von Überstunden wurde zurückgewiesen. Die Gewerkschaft gibt sich allerdings kämpferisch: Sie will in Berufung gehen. 

Das Gericht hat geurteilt – nicht im Sinne der GEW. Foto: Shutterstock

Der Leiter einer Grundschule ist mit seiner Klage auf Freizeitausgleich für Überstunden und Entlastung von dienstlichen Aufgaben vor dem Verwaltungsgericht Hannover gescheitert. Er habe nicht hinreichend plausibel erklärt, wie sich die von ihm angegebene Arbeitszeitüberschreitung zusammensetzt, teilte das Gericht am Dienstag mit. (Az.: 13 A 900/19) Das Gericht traf  keine Aussage darüber, ob und in welchem Umfang Lehrerinnen und Lehrer in Niedersachsen über ihre regelmäßige Arbeitszeit hinaus dienstlich in Anspruch genommen werden können.

Der Schulleiter überschritt die Wochenarbeitszeit zwar deutlich, aber…

“Das Bestehen einer individuellen Arbeitszeitüberschreitung konnte aus Sicht der Kammer nicht nachgewiesen werden”, so heißt es in einer Presseerklärung des Verwaltungsgerichts zum Urteil. “Die Arbeitszeitanalyse habe in Bezug auf die durch den Kläger vorgenommenen Aufzeichnungen Unstimmigkeiten erkennen lassen, die in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeräumt worden seien. Nach der Arbeitszeitstudie habe der Kläger zwar die geschuldete Arbeitszeit wöchentlich insgesamt deutlich überschritten. Allerdings habe er nicht hinreichend plausibel erklärt, wie sich die Arbeitszeitüberschreitung zusammensetze. Aus den erhobenen Daten gehe hervor, dass er in seiner Funktion als Schulleiter und im Hinblick auf die von ihm geschuldete Unterrichtszeit um insgesamt mehr als zehn Stunden hinter dem wöchentlichen Soll zurückbleibe. Die geltend gemachte erhebliche Überschreitung seiner Arbeitszeit sei hiernach allein auf seine ‘weiteren Tätigkeiten’ zurückzuführen.”

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Der Rektor aus Hannover hatte sich auf eine von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Auftrag gegebene Arbeitszeitstudie der Universität Göttingen berufen, an der er mitgewirkt hatte – und die für ihn persönlich 2016 eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 53 Stunden ermittelte. Dabei waren die Ferienzeiten schon berücksichtigt.

“Schulleiter und Lehrer haben immer mehr Aufgaben bekommen – ohne Ausgleich”

Die GEW unterstützt den Schulleiter in dem Verfahren. “Schulleitungen und andere Lehrkräfte haben schon vor Corona immer mehr Aufgaben bekommen, aber keinen Überstunden-Ausgleich. Darum werden wir die Verfahren weiterführen, um endlich mehr Zeit für die Schülerinnen und Schüler zu haben”, sagt GEW-Landeschefin Laura Pooth. “Die Mehrarbeit wurde grundsätzlich anerkannt, die Form der Arbeitszeiterfassung ist in diesem Fall jedoch nicht immer eindeutig gewesen”, so kommentiert sie das Urteil.

Die in der Studie nachgewiesene generelle Mehrarbeit von Lehrkräften habe das Gericht nicht in Zweifel gezogen. „Hier handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, wie auch das Verwaltungsgericht betonte. Das dahinter liegende Problem stark überhöhter Arbeitszeiten bei Lehrkräften ist damit keineswegs vom Tisch. Darum wird die GEW vor das Oberverwaltungsgericht Lüneburg ziehen und weiter politisch Druck machen“, so Pooth. Die Gewerkschaft sei ohnehin davon ausgegangen, in die nächste Instanz gehen zu müssen.

„Schulleitungen und andere Lehrkräfte haben schon vor Corona immer mehr Aufgaben bekommen, aber keinen Überstunden-Ausgleich. Darum werden wir die Verfahren weiterführen, um endlich mehr Zeit für die Schülerinnen und Schüler zu haben“, betont Pooth. Im vergangenen halben Jahr sei die Situation durch die Pandemie nämlich noch dramatischer geworden. „Seit Mitte März wurde eine Vielzahl von Rundverfügungen, ministeriellen Briefen und Leitfäden sowie Handreichungen verfasst, die von den Schulbeschäftigten und insbesondere von den Leitungen zusätzlich zu verarbeiten sind.”

Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne verwies nach dem Urteil auf bereits erfolgte Entlastungen von Lehrern an «etlichen Stellen». So seien Dokumentationspflichten weggefallen und Aufgaben in die Landesschulbehörde verlagert worden. «Gleichwohl ist es das gute Recht, hiergegen den Klageweg zu beschreiten und auch in die nächste Instanz zu gehen», betonte der SPD-Politiker. Er sehe einer höchstrichterlichen Bewertung interessiert entgegen.

Insgesamt 13 Klagen von Lehrern sind noch anhängig

Insgesamt hat die Bildungsgewerkschaft GEW seit 2018 zehn Klagen von Grundschul- und drei von Gymnasiallehrern gegen deren aus ihrer Sicht erheblich erhöhte Arbeitszeiten eingereicht. Die nächste Verhandlung – ebenfalls einer Grundschulleitung – ist nach GEW-Angaben für den 24. November terminiert. Dann hat das Verwaltungsgericht Osnabrück zu entscheiden.

Auf Grundlage der 2016 vorgelegten Göttinger Studie hatte ein Expertenteam im Auftrag des Kultusministeriums die Arbeitszeit der Lehrkräfte vor zwei Jahren abermals analysiert. Demnach kamen vor allem viele Teilzeitkräfte auf Wochenarbeitszeiten von mehr als 48 Stunden. Dabei gilt für Lehrkräfte wie für andere Beamte im Landesdienst die 40-Stunden-Woche. Die Vorschläge dieses Expertengremiums zur Entlastung der Lehrer seien bisher nicht umgesetzt worden, kritisiert die GEW. News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Arbeitszeitstudie: Sieben-Tage-Woche ist für Lehrer obligatorisch – allerdings ist die Belastung im Kollegium stark ungleich verteilt

 

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