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“Schulen sind keine Treiber der Infektionen, aber…” Österreich stellt seinen Schulbetrieb für knapp drei Wochen auf Fernunterricht um

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WIEN. Österreich geht ab Dienstag wegen der drohenden Überlastung des Gesundheitssystems in einen sogenannten Lockdown. Wie zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr müssen die meisten Geschäfte schließen – und die Schulen. Befristet ist die Maßnahme zunächst bis zum 7. Dezember. Bildungsminister Faßmann ist überzeugt davon, dass die österreichischen Schulen seit den ersten Schließungen im Frühjahr besser auf den bevorstehenden Fernunterricht vorbereitet sind.

“Wissen, dass es funktioniert”: Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP): Foto: Shutterstock

Nach den Oberstufen – deren Betrieb bereits im Fernuntericht läuft – stellten ab Dienstag auch die restlichen Schulen auf Distance Learning um. „Offene Schulen waren unser Ziel, weil wir vom Wert der Bildung und der sozialen Funktion der Schulen überzeugt sind“, sagte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) am Samstagabend. Die Lage sei aber prekär und die Gesundheit habe Priorität. „Die Schulen sind keine Treiber der Infektionen, aber sie sind auch nicht frei von Infektionen.“ Schulen und Lehrer seien besser auf die Schließungen vorbereitet als im Frühjahr.

Termin für Schulöffnungen zu nennen, sei ihm wichtig gewesen, sagt der Bildungsminister

Nach den bevorstehenden 14 Schultagen im Distance Learning sei man sich sicher, dass die Infektionszahlen gesunken sind, betonte Faßmann laut „Tiroler Tageszeitung“. Ihm sei es daher wichtig gewesen, den 7. Dezember als konkretes Wiedereröffnungsdatum zu nennen. „Einen Schwebezustand wie im Frühjahr möchte ich vermeiden.“

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An den Schulen werde es bis dahin Angebote zur Betreuung und Lernbegleitung geben. Diese könnten, auch stundenweise, von allen Schülern in Anspruch genommen werden, nicht nur vo Kindern von Eltern mit systemrelevanten Berufen. Gerade jene Kinder, die daheim nicht über die nötige Infrastruktur oder Elternunterstützung verfügten, sollten in die Schulen kommen können, so Faßmann. Er rechne dabei mit mehr Schülern in den Schulen als beim ersten Lockdown im Frühjahr. Vermutlich würde dies eine „zweistellige Prozentzahl im niedrigen Bereich“ sein.

Im Fernunterricht, so der Bildungsminister, sollten die Schüler „nicht mit neuen Aufgaben überhäuft werden“. Der Schwerpunkt solle in den kommenden drei Wochen auf der Vertiefung des bereits Gelernten liegen. „Neuer Stoff soll nur in Maßen vermittelt werden.“ Auch nach der Rückkehr zum Präsenzunterricht soll es nicht zu viele Schularbeiten und Tests geben. „Eine sichere Leistungsbeurteilung kann auch etwa durch die Bewertung der Mitarbeit erfolgen.“ Faßmann zeigte sich davon überzeugt, dass das Distance Learning diesmal besser funktionieren wird. Die technischen Voraussetzungen seien besser geworden, Lernplattformen Teil des Schulalltags.

Auch nach der geplanten Rückkehr der Schüler in den Präsenzunterricht am 7. Dezember wird der Schulbetrieb anders ablaufen als bisher. „Wir werden anders fortsetzen als wir aufgehört haben, aber wir werden fortsetzen“, erklärte Faßmann. Unter anderem werde es für Schüler ab zehn Jahren eine Maskenpflicht auch im Unterricht geben, schulautonom soll Schichtbetrieb möglich sein.

Inzidenzwert liegt in Österreich aktuell bei 554 – in Deutschland im Schnitt bei 130

Das Verlassen des privaten Wohnraums ist in Österreich ab Dienstag nur aus triftigen Gründen wie der Erfüllung von Grundbedürfnissen, der Arbeit, der Hilfe etwa für Angehörige sowie zur Erholung im Freien erlaubt. „Auch wenn sich niemand einen zweiten Lockdown wünscht, so ist der zweite Lockdown das einzige Mittel, von dem wir verlässlich wissen, dass es funktioniert“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz Kurz. Die Beschränkungen gelten ab Dienstag, 0.00 Uhr, und sollen am 6. Dezember enden. Die Ausgangsbeschränkungen müssen alle zehn Tage vom Hauptausschuss des Parlaments neu genehmigt werden.

Offen bleiben Geschäfte für die Deckung des täglichen Bedarfs, etwa Supermärkte, Drogerien, Apotheken und Banken. Arbeitnehmer sollen, wenn möglich, im Homeoffice arbeiten. Private Treffen sind auf einen Partner, einzelne engste Angehörige oder Bezugspersonen beschränkt. Menschen, die allein leben, sollten eine einzige Person auswählen, mit der sie in Kontakt sein wollen, bat Kurz. „Meine eindringliche Bitte für die nächsten Wochen ist: Treffen Sie niemanden! Jeder soziale Kontakt ist einer zu viel.“

Es sei das Ziel, am 7. Dezember Schulen und Handel wieder öffnen zu können. “Je mehr Menschen sich daran halten, was hier vorgegeben wird, desto kürzer wird dieser Zustand anhalten”, betonte Kurz. So könne man das Weihnachtsfest retten.

Schon seit dem 3. November sind in Österreich die Gastronomie, der Tourismus sowie Kulturbetriebe und Freizeiteinrichtungen geschlossen. Ausgangsbeschränkungen galten bisher von 20.00 bis 6.00 Uhr. Die Infektionszahlen stiegen in der ersten Novemberhälfte aber zunächst weiter an. Am Freitag lag die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen 7 Tagen bei 554,2, in einzelnen Regionen gar bis zu 850. Zum Vergleich: Deutschland liegt aktuell bei einem Schnitt von 130.

Liberale erwägen Klagen gegen die Schulschließungen

Der Zielwert bei den Neuansteckungen binnen sieben Tagen liege bei weniger als einem Zehntel des aktuellen Werts, betonte Kurz. Behörden könnten mittlerweile 77 Prozent der Neuansteckungen nicht zurückverfolgen – das ist in Deutschland genauso. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sagte, aktuell stecke jeder Corona-Infizierte statistisch gesehen 1,2 andere Menschen an. Diese sogenannte Reproduktionszahl müsse auf 0,9 gesenkt werden – dann würden 10 Erkrankte rechnerisch 9 Menschen anstecken.

Anschober warnte, dass das Gesundheitssystem in vielen Bereichen an seine Grenzen komme. “Wir brauchen deshalb eine Notbremsung und das wirklich sofort”, sagte er. Der Bremsweg – die Zeit bis zu einer nachhaltigen Senkung der Zahlen – betrage zwei Wochen. Die Krankenhäuser sehen bereits dem Limit entgegen, wie am Samstag unter anderem der oberste Intensivmediziner des Landes erneut warnte. “Wenn das Ganze in den nächsten Tagen in dieser Geschwindigkeit zunehmen sollte, kommen wir in die Situation einer Triage”, sagte der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin, Klaus Markstaller. Ärzte müssten dann auswählen, welche Patienten intensivmedizinisch behandelt werden können.

Doch wie konnte sich die Lage überhaupt wieder derart negativ entwickeln? Gab es Versäumnisse? Darüber wurde am Samstag teils heftig gestritten. Die Regierung hatte immer wieder betont, mit allen Mitteln einen Lockdown verhindern zu wollen. Gesundheitsminister Anschober hatte noch vor fast genau einem Monat solche strikten Maßnahmen praktisch ausgeschlossen. “Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen”, sagte er am 11. Oktober dem Sender ORF. Das sei nur vor einem flächendeckenden Zusammenbruch des Gesundheitssystems möglich. “Davon sind wir Gott sei Dank meilenweit entfernt”, sagte er damals.

Die Oppositionsparteien warfen der Regierung nun Kontrollverlust vor. Ein großer Streitpunkt blieb das Schließen der Schulen. Die Corona-Expertenkommission hatte sich Medien zufolge am Donnerstag dagegen ausgesprochen. Das Bundeskanzleramt war ein Befürworter der Maßnahmen. Die Vorsitzende der liberalen Neos, Beate Meinl-Reisinger, kündigte an, wegen der Schulschließungen rechtliche Schritte zu prüfen. News4teachers / mit Material der dpa

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